Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. September 1994, Zl. 315.935/8-III/5/94, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. September 1994 wurden der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigungen für das Immobilienmaklergewerbe und das Immobilienverwaltergewerbe im näher bezeichneten Standort gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 in Verbindung mit den §§ 87 Abs. 1 Z. 2 und 13 Abs. 5 GewO 1994 entzogen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei nach Erteilung der gegenständlichen Gewerbeberechtigungen D zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bestellt worden. D sei zuvor handelsrechtlicher Geschäftsführer einer anderen Kapitalgesellschaft - der Z-Gesellschaft m.b.H. - gewesen. Mit Beschlüssen des Landes- als Handelsgerichtes Klagenfurt vom 30. März 1981 und vom 11. August 1981 seien Anträge von zwei Gläubigern auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Z-Gesellschaft m.b.H. mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Daß D ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte der Z-Gesellschaft m.b.H. zugestanden sei, sei in Ansehung der ihm nach dem Gesetz vom 6. März 1906, RGBl. Nr. 58, über Gesellschaften mit beschränkter Haftung zugestandenen Befugnisse anzunehmen und werde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Auf D, dem als alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen ein maßgebender Einfluß auf den Geschäftsbetrieb der Beschwerdeführerin zustehe, beziehe sich daher der im § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 angeführte Entziehungsgrund nach § 13 Abs. 5 GewO 1994. Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin D innerhalb der ihr hiefür mit Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung vom 21. Jänner 1992 gesetzten dreimonatigen Frist nicht aus ihrem Geschäftsbetrieb entfernt habe, lägen sohin die Voraussetzungen für die Entziehung der gegenständlichen Gewerbeberechtigungen der Beschwerdeführerin gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 i.V.m. den §§ 87 Abs. 1 Z. 2 und 13 Abs. 5 GewO 1994 vor, ohne daß es eines Eingehens darauf bedurft hätte, ob sich auf D die Entziehungsvoraussetzungen gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 bezögen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht "auf Fortbestehen ihr erteilter Gewerbeberechtigungen bei Nichtvorliegen von Entziehungsgründen" verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes wird in der Beschwerde vorgebracht, die bekämpfte Entscheidung betreffe nunmehr ausschließlich die "Nichtentfernung" des D, das "Zwischenspiel" um G scheine unerledigt, weil sich im angefochtenen Bescheid (darüber) keinerlei Erwähnung finde. Bemerkenswert sei jedoch in beiden Fällen, woher die Gewerbebehörden beider Rechtsstufen ihre Kenntnisse über Verurteilungen bezögen, die entweder der beschränkten Auskunftspflicht unterlägen und/oder bereits getilgt seien. Damit verstießen beide Behörden bzw. deren Organe, deren Verhalten ihnen zuzrechnen sei, gegen §§ 302, 113 StGB und die Unschuldsvermutung. Gegenüber G treffe die belangte Behörde noch dazu die unterlassene Ermittlungspflicht, weil dieser zum Zeitpunkt des bezughabenden Vorhaltes gar nicht (mehr) Gesellschafter gewesen sei, wie dies durch die Stellungnahme vom 17. November 1993 aktenkundig sei. Auf den vorliegenden Fall sei das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1993, Zl. 91/10/0130, sinngemäß anwendbar, weil andernfalls die Bestimmungen des Tilgungsgesetzes derart unterlaufen würden, daß lebenslange Infamierung - auch durch Bagatelldelikte - für den die Lebensgrundlage bildenden Erwerb aus gewerblicher Tätigkeit eintreten müßte. Dies widerspreche der ratio legis des Tilgungsgesetzes, welche in der Resozialisierung liege. Auf Grund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung müsse daher ein Verwertungsverbot hinsichtlich auskunftsbeschränkter und/oder getilgter Verurteilungen gelten. Dränge die Ansicht der Gewerbebehörden durch, stünde es diesen frei, sich über das gesetzliche Verbot des § 113 StGB einerseits und die gesetzlichen Gebote des Tilgungsgesetzes bzw. Art. III und IV EMRK nach Belieben hinwegzusetzen. Die Bestimmungen der EMRK seien vom Verwaltungsgerichtshof innerhalb seiner Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Dem angefochtenen Bescheid sei auch nicht zu entnehmen, daß sich die Behörden beider Rechtsstufen mit dem Schuldgehalt der zur Verurteilung führenden Handlungen auseinandergesetzt hätten, sodaß die Vermutung naheliege, die Auskunft sei rechtswidrigerweise aus dem Strafregister besorgt worden, weil eine Aktenkenntnis zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen. So aber begnüge man sich mit dem Faktum "Verurteilung", ohne entsprechende Ermittlungen und darauf beruhenden Begründungen, sodaß der angefochtene Bescheid in dieser Hinsicht an Rechtswidrigkeit leide.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
§ 91 Abs. 2 GewO 1994 hat folgenden Wortlaut:
"Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde im Falle, daß der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, und im Falle, daß der Gewerbetreibende der Pächter ist, die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen."
Nach § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 ist von der Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.
Rechtsträger, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde, sind gemäß § 13 Abs. 3 erster Satz GewO 1994 von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen.
Nach § 13 Abs. 5 GewO 1994 ist eine natürliche Person von der Ausübung des Gewerbes als Gewerbetreibender ausgeschlossen, wenn ihr ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte eines anderen Rechtsträgers als einer natürlichen Person zusteht oder zugestanden ist, auf die der Abs. 3 anzuwenden ist oder anzuwenden war.
In der Beschwerde bleiben die behördlichen Feststellung über die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 91 Abs. 2 GewO 1994 im Zusammenhalt mit § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 unbekämpft.
Wenn in der Beschwerde auf ein Verwertungsverbot von Verurteilungen des D sowie des G abgestellt wird, so verkennt die Beschwerdeführerin zunächst, daß der behördliche Abspruch gar nicht in Ansehung des G getroffen wurde. Soweit sich die Beschwerdeausführungen aber auf D beziehen, gehen sie deshalb ins Leere, weil sich der angefochtene Bescheid (in Ansehung dieser Person) nur auf die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 91 Abs. 2 GewO 1994 i.V.m.
§ 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 stützt und nicht (auch) auf jene des § 91 Abs. 2 GewO 1994 i.V.m. § 87 Abs. 1 Z. 1 (oder Z. 3) GewO 1994.
Die Beschwerde ist im Ergebnis aber aus folgenden Erwägungen begründet:
Wie sich aus der Aktenlage ergibt, erging an die Beschwerdeführerin folgende (auszugsweise wiedergegebene) Aufforderung (vom 21. Jänner 1992):
"...........................................................
Herr D wurde u.a. mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt, BZ.: n1/81, rechtskräftig seit 22. Jänner 1982, wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB zu fünf Monaten Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre verurteilt. Außerdem wird derzeit gegen den Genannten wegen eines Vermögensdeliktes ermittelt.
Auf Grund der bereits erfolgten Verurteilung, mag sie auch nicht mehr der Auskunftspflicht unterliegen, ist davon auszugehen, daß der Genannte die für die Ausübung der Gewerbe Immobilienmakler und Immobilienverwaltung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Die X-Gesellschaft m.b.H. wird gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1973 aufgefordert, Herrn D binnen einer Frist von drei Monaten ab Zustellung dieses Schreibens als Person mit maßgebenden Einfluß auf den Betrieb ihrer Geschäfte (also auch als ev. Mehrheitsgesellschafter) zu entfernen und dies dem
gefertigten Amt nachzuweisen.
............................"
Die Behörde erster Instanz hat somit ihre Aufforderung nach § 91 Abs. 2 GewO 1973, D innerhalb der gesetzten Frist zu entfernen, nicht auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1973 (idF vor der Gewerberechtsnovelle 1992) gestützt.
Aus der Formulierung des § 91 Abs. 2 GewO 1973 - und zwar idF sowohl vor als auch nach der Gewerberechtsnovelle 1992 - ist zu schließen, daß Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Gewerbetreibenden gesetzten behördlichen Frist unbeachtlich sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/04/0242); der Gesetzgeber sieht insofern mit der genannten Regelung nur eine Sanktion für die Nichtentfernung vor (vgl. Arnold in Rill (Hrsg), Gewerberecht - Beiträge zu Grundfragen der GewO 1973, S. 153).
Anders gesagt: Die Aufforderung im Grunde des § 91 Abs. 2 leg. cit. hat der Gewerbeentziehung nach dieser Gesetzesstelle voranzugehen und stellt insofern eine Voraussetzung für diese dar. Diese Aufforderung ist mangels eines rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Inhalts kein Bescheid. Dem Rechtsschutzbedürfnis dessen, dem bei nicht fristgerechter Befolgung der Aufforderung die Gewerbeberechtigung entzogen wird, ist jedoch Rechnung getragen, wenn er die Rechtmäßigkeit der Aufforderung, also auch die hiefür bestimmenden Gründe, im sodann folgenden Entziehungsverfahren geltend machen sowie den (allenfalls) ergangenen Entziehungsbescheid (auch) aus diesen Gründen im Rechtsmittelweg bekämpfen kann.
Aus dem - im oben dargestellten Sinne - akzessorischen Charakter einer Entziehung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 folgt aber auch, daß diese nicht (wie hier im Instanzenzug) auf einen Entziehungstatbestand gegründet werden darf, der nicht Gegenstand der vorausgegangenen Aufforderung war.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994040221.X00Im RIS seit
25.01.2001