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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher sowie die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des G in H, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 6. September 1994, Zl. VwSen-221016/6/Le/La, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. April 1994 wurde über den Beschwerdeführer als gewerberechtlichen Geschäftsführer der X-Gesellschaft mbH wegen Übertretung der Gewerbeordnung eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (9 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und dieser gleichzeitig verpflichtet, die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von S 2.000,-- zu bezahlen, weil bei der Betriebsanlage zur Kunststoffverarbeitung in H 141 eine Reihe von Auflagen nicht fristgerecht eingehalten worden seien. Dieses Straferkenntnis wurde am 8. April 1994 von einem Mitbewohner der Abgabestelle des Beschwerdeführers übernommen. Am 23. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer von einem Beamten des Gendameriepostens Grieskirchen im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft zur Begleichung des Strafbetrages aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. April 1994. Hiezu führte er aus, auf Grund des Einforderungsversuches des Gendameriebeamten am 23. Juni 1994 habe er telefonisch mit seinem Rechtsanwalt Dr. S in Grieskirchen Kontakt aufgenommen und im Zuge des mit diesem geführten Gespräches erstmals in Erfahrung bringen können, daß die von ihm per Telefax veranlaßte Übermittlung des Straferkenntnisses der BH Grieskirchen an Dr. S zur Verfassung eines Rechtsmittels nicht durchgeführt worden sei. Er habe seinerzeit seiner langjährig äußerst gewissenhaften Mitarbeiterin B unverzüglich nach Übernahme des Straferkenntnisses den Auftrag erteilt, dieses an Dr. S zur Erhebung eines Rechtsmittels "zu faxen"; dies habe er sogar handschriftlich auf der Ausfertigung des Straferkenntnisses vermerkt. Da zugleich mit diesem Straferkenntnis auch eine Strafverfügung, die gegen den Geschäftsführer Herrn N ergangen sei, an Dr. S zu faxen gewesen sei, habe Frau B zwar diese Strafverfügung gefaxt, auf Grund eines Versehens es jedoch unterlassen, auch das Straferkenntnis zu faxen. Frau B sei eine äußerst verläßliche und gewissenhafte Mitarbeiterin, die ihre Aufgaben bisher immer zur besten Zufriedenheit gelöst habe und der ein derartiges Mißgeschick noch nie passiert sei. Auch dem sorgfältigsten Menschen könne ein derartiger Fehler einmal passieren. Nach der vermeintlichen Erledigung (abgeschlossener Faxvorgang) seien beide vorgenannten Aktenstücke ordungsgemäß wieder auf dem Schreibtisch des Beschwerdeführers gelegen und hätte er keinerlei Grund gehabt anzunehmen, daß der Auftrag nicht erfüllt worden wäre. Auf das Versehen sei er erst durch Intervention des Gendameriebeamten aufmerksam geworden. Den Sachverhalt habe er sodann beim Telefongespräch mit seinem ständigen Rechtsvertreter abklären können.
Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. April 1994 gemäß § 71 AVG, §§ 24, 51 Abs. 1 und 51c VStG als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde nahm das im Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers dargestellte und durch eine eidesstättige Erklärung seiner Mitarbeiterin B bestätigte Vorbringen als bescheinigt an und führte nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage in rechtlicher Hinsicht aus, es sei von einer Verläßlichkeit der Mitarbeiterin des Beschwerdeführers auszugehen, der Beschwerdeführer sei jedoch seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, weshalb ihn ein Verschulden, "und zwar in qualifizierterer Form als in Form des minderen Grades des Versehens", treffe. Auf Grund der Vielfalt des dem Straferkenntnis zugrunde liegenden Sachverhaltes hätte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers ohne entsprechender Sachverhaltsdarstellung durch den Beschwerdeführer und ohne Erläuterung einzelner betrieblicher Vorgänge kaum die Möglichkeit gehabt, eine substantiierte Berufungsschrift zu verfassen. Es wäre daher unbedingt erforderlich gewesen, daß der Beschwerdeführer mit seinem Anwalt diesbezüglich Kontakt aufnehme, damit dieser eine Rechtsmittelschrift verfassen könne, die auch einer Überprüfung durch die Berufungsbehörde standhalte und zum Erfolg führen könne. Dies sei jedoch offensichtlich nicht geschehen. Für einen gewerblichen Geschäftsführer einer GesmbH sei es sicherlich kein alltägliches Ereignis, in dieser Eigenschaft mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- bestraft zu werden. Bei Heranziehung des Sorgfaltsmaßstabes eines Durchschnittsmenschen, in diesem Fall eines durchschnittlichen gewerberechtlichen Geschäftsführers einer GesmbH, müsse daher sogar von einer auffallenden Sorglosigkeit gesprochen werden, wenn ein Straferkenntnis mit dieser Tragweite und dieser Strafhöhe lediglich einer Mitarbeiterin übergeben werde mit dem Auftrag, dieses an einen Rechtsanwalt zu faxen, und dann weiters keine einzige Handlung unternommen werde, um zu überprüfen, ob diese Übertragung tatsächlich erfolgt sei und ob der Rechtsanwalt tatsächlich in der Lage sei, aus dem Straferkenntnis allein eine wohl begründete, erfolgversprechende Berufungsschrift zu verfassen. Der Beschwerdeführer gehe selbst davon aus, daß auch dem sorgfältigsten Menschen ein Fehler passieren könne. Dies zeige umso deutlicher, wie wichtig die Kontrolle sei. Der Beschwerdeführer hätte daher sowohl seine Mitarbeiterin fragen müssen, ob die Übertragung durchgeführt worden sei, und sich weiters bei seinem Rechtsanwalt erkundigen müssen, ob dieser die Berufungsschrift verfassen könne und auch tatsächlich verfassen werde (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 1978, Slg. N.F. Nr. 9706/A). Der Hinweis des Beschwerdeführers, daß er immer von Dr. S vertreten werde, könne eine Unzulässigkeit der Zustellung des Straferkenntnisses nicht aufzeigen; es sei der Behörde unbenommen, in einem (neuen) Verfahren dem Beschuldigten Schriftstücke persönlich zuzustellen. Im vorliegenden Fall sei auch die Zustellung "ordnungsgemäß" gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen
Bescheid in folgenden Rechten verletzt:
"1. Auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71
AVG
2. auf ein fehlerfreies Verfahren im Sinne der Bestimmungen der §§ 37 ff AVG, insbesondere
3. auf amtswegige Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes gemäß § 39 Abs. 2 AVG und
4. auf Parteiengehör gemäß § 37 AVG."
In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, der arbeitsteilige Ablauf eines Betriebes ermögliche es nicht, zu kontrollieren, ob verläßliche Mitarbeiter insbesondere sehr einfache und klare Aufträge erfüllten. Ein gewisses Maß an Eigenverantwortung müsse jedem Mitarbeiter übertragen werden können. Frau B sei dem Beschwerdeführer als langjährige korrekte Mitarbeiterin bekannt gewesen, die auch viel komplexere Tätigkeiten wie die Buchhaltung und die Lohnverrechnung der X genauestens erfüllt habe. Es habe aus Sicht des Beschwerdeführers daher keine Veranlassung bestanden nachzufragen, ob Frau B nun tatsächlich das Straferkenntnis ihrem Anwalt übermittelt habe, nachdem er von ihr das Straferkenntnis und die bereits erwähnte Strafverfügung samt Telefaxprotokoll auf den Schreibtisch gelegt bekommen habe. Es habe für ihn kein Zweifel bestanden, daß Frau B seiner Weisung nachgekommen sei. Der Überwachungspflicht habe er Genüge getan, indem er die beiden verwaltungsstrafrechtlichen Entscheidungen samt Telefaxprotokoll auf seinen Schreibtisch legen habe lassen. Wenn er die Erfüllung derartiger einfacher Weisungen näher zu kontrollieren hätte, könnte er - gemessen am Zeitaufwand - für die ständige Kontrolle die angeordneten Tätigkeiten gleich selbst durchführen. Als Leiter der Produktionsstelle der X in H sei er aber mit anderen Aufgaben betraut und müsse sich insbesonders im Zusammenhang mit sehr einfachen Tätigkeiten auch auf sein Sekretariat verlassen können. Es könne ihm aber darüberhinaus auch nicht angelastet werden, daß er sich nicht weiter mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung gesetzt habe. Sein ständiger Rechtsvertreter sei über das gesamte gewerbebehördliche Genehmigungsverfahren bei der BH Grieskirchen, welches Ausgangspunkt für das gegenständliche Straferkenntnis gewesen sei, genauestens informiert. Es sei daher für ihn in keiner Weise bedenklich gewesen, daß sich sein Vertreter nicht mehr mit ihm in Verbindung gesetzt habe. Er habe davon ausgehen können, daß sein Rechtsvertreter die nötigen Schritte alleine setzen werde. Er habe auch gewußt, daß sich sein Anwalt zur weiteren Informationsaufnahme mit ihm in Verbindung setzen würde, wenn er dies für notwendig erachte. Ihm als Laie könne nicht zugemutet werden, genauestens zwischen einem Rechtsmittel gegen ein Straferkenntnis oder gegen eine Strafverfügung zu unterscheiden. Ob sein Anwalt für das Verfassen eines entsprechenden Rechtsmittels gegen das gegenständliche Straferkenntnis zusätzlich Informationen benötige, könne er daher nicht beurteilen. Die belangte Behörde habe in keiner Weise dargetan, auf Grund welcher Beweismittel sie zu dem Ergebnis komme, daß den Beschwerdeführer ein erhebliches Verschulden an dem unvorhergesehenen bzw. unabwendbaren Ereignis, nämlich daß Frau B das Straferkenntnis nicht an seinen ständigen Vertreter übersandt habe, anzulasten sei. Sämtliche Beweise sprächen jedenfalls gegen ein entsprechendes Verschulden des Beschwerdeführers. Auch die weiteren angebotenen Beweise bzw. Bescheinigungsmittel hätten untermauert, daß den Beschwerdeführer kein Verschulden an dem Ereignis treffe. Die belangte Behörde habe ihn als Partei zur Frage seines Verschuldens nicht einmal Stellung nehmen lassen. Auch Frau B sei nicht in Ergänzung ihrer eidesstättigen Erklärung befragt worden. Ein Ermittlungsverfahren habe daher nicht stattgefunden.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder 2. die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei.
Ein minderer Grad des Versehens liegt nicht vor, wenn der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter - dessen Verschulden an der Fristversäumung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist - auffallend sorglos gehandelt hat. Dies wäre der Fall, wenn eine der genannten Personen die im Verkehr mit Gerichten bzw. Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten ihr zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen hätte.
Dem Beschwerdeführer als einer im Geschäftsleben tätigen Person war die Bedeutung der Wahrung von Fristen im Verkehr mit Behörden bewußt und er hat sich - wie seinen Ausführungen in der Beschwerde entnommen werden kann - zur Überprüfung der Ausführung der seiner Mitarbeiterin übertragenen Aufgaben "die beiden verwaltungsstrafrechtlichen Entscheidungen samt Telefaxprotokoll auf seinen Schreibtisch legen lassen". Den gesamten Beschwerdeausführungen läßt sich nun nicht entnehmen, warum der Beschwerdeführer trotz - wie er selbst geltend macht - in Entsprechung seiner "Überwachungspflicht" angeordneter Vorlage der bezughabenden Schriftstücke durch seine Mitarbeiterin nicht bemerkt hat, daß die Übertragung der für die fristgerechte Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. April 1994 notwendigen Information an seinen Rechtsvertreter nicht durchgeführt worden ist. Vielmehr ergibt sich daraus, daß sich der Beschwerdeführer von der (rechtzeitigen) Ausführung der seiner Mitarbeiterin übertragenen Aufgabe nicht überzeugt hat, was ihm durch einen Blick in die auf seinen Schreibtisch gelegten Urkunden leicht möglich gewesen wäre (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/04/0123).
Schon ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof weder eine rechtsirrige Rechtsanwendung durch die belangte Behörde noch auch einen ihr etwa unterlaufenen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel zu erkennen.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, erübrigt sich ein Abspruch über diesen Antrag.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994040211.X00Im RIS seit
20.11.2000