TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/24 94/04/0197

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Veröffentlicht am 24.01.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angegelegenheiten vom 1. September 1994, Zl. 91.508/2380-III/7/94, betreffend Verweigerung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. September 1994 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" vom 29. Juni 1994 "mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 des Ingenieurgesetzes 1990, BGBl. Nr. 461, nicht stattgegeben". Hiezu führte der Bundesminister aus, der Beschwerdeführer habe am 2. Juni 1982 die Reifeprüfung an der Höheren Lehranstalt für Elektrotechnik abgelegt und sei - den vorliegenden Unterlagen und den Angaben des Beschwerdeführers zufolge - seit 16. Jänner 1984 im Bereich der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland tätig und zur Dienstleistung dem Finanzamt für Körperschaften zugeteilt. Mit Wirksamkeit vom 2. Jänner 1989 sei er zum Betriebsprüfer der Großbetriebsprüfung Wien-Körperschaften bestellt worden. Der Beschwerdeführer habe seiner Verwendung entsprechend die Prüfung für den gehobenen Finanzdienst abgelegt. Bei dieser Prüfung (mündlich und schriftlich) seien hauptsächlich Kenntnisse in verschiedensten Rechtsvorschriften, der Buchführung und Grundzügen des Bilanzwesens und der Behördenorganisation nachzuweisen. Fragen, die "im überwiegendem Maße" im Sinne des § 2 der Durchführungs-Verordnung des Ingenieurgesetzes 1990, BGBl. Nr. 244/1991, höhere Fachkenntnisse der Elektrotechnik erforderten, seien in den Vorschriften für diese Dienstprüfung nicht vorgesehen. Die Mehrzahl der gleichartig verwendeten Bediensteten habe keine HTL-Ausbildung und keine Reifeprüfung an einer höheren technischen Lehranstalt aufzuweisen. Aus diesen Fakten sei ersichtlich, daß die Berufspraxis des Beschwerdeführers keine höheren Fachkenntnisse der Fachrichtung "Elektrotechnik in überwiegendem Maße" erforderte. Die von "Betriebsprüfern der Großbetriebsprüfung ausgeübten Tätigkeiten" entsprächen auch nicht der absolvierten HTL-Fachrichtung. Die vom Beschwerdeführer im Antrag angeführten Tätigkeiten "Prüfer, Vortragender EDV-Bereich, Systemanalyse" fänden im vorgelegten Dienstzeugnis keine Bestätigung und seien, wenn sie tatsächlich ausgeübt würden, nicht die Hauptbeschäftigung des Beschwerdeführers. Gleichartige Tätigkeiten würden von vielen Personen, auch ohne eine technische Ausbildung, ausgeübt und seien im öffentlichen Dienst üblich. Anrechenbare (höhere Fachkenntnisse voraussetzende) Tätigkeiten auf dem absolvierten Fachgebiet wären z.B. die Planung elektrischer Anlagen und Maschinen, die Erstellung von EDV-Programmen zur Steuerung von elektrischen Anlagen und Geräten sowie für die Übertragungstechnik, Planung von Installationen für Nieder- und Hochspannungsanlagen. Derartige, höhere Fachkenntnisse voraussetzende Tätigkeiten seien aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich und seien auch nicht behauptet worden. Es widerspreche auch der Lebenserfahrung, daß solche Arbeiten von "Betriebsprüfern einer Großbetriebsprüfung" des Finanzamtes für Körperschaften auszuführen seien.

Dagegen richtet sich die Beschwerde.

Die Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor

und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf

kostenpflichtige Abweisung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem vom Beschwerdeführer dargestellten Sachverhalt auseinanderzusetzen und einen Sachverhalt unter Verletzung des Parteiengehörs als erwiesen angenommen. Die belangte Behörde irre, wenn sie davon ausgehe, die Tätigkeit des Beschwerdeführers entspreche der eines Betriebsprüfers der Großbetriebsprüfung Wien-Körperschaften. Vielmehr sei die Tätigkeit des Beschwerdeführers auschließlich die eines Systemsprüfers im Rahmen der Großbetriebsprüfung Wien-Körperschaften und unterscheide sich gänzlich von der eines "konventionellen Prüfers". Die von ihm im Antrag angegebene Art der Tätigkeit "Prüfer" beinhalte die Systemprüfung bezogen auf die vorhandenen EDV-Anlagen und eine Analyse der verwendeten EDV-Programme in programmtechnischer Hinsicht. Seine mit "Systemanalyse" umschriebene Tätigkeit betreffe überwiegend die im Rahmen von Einsätzen der Prüfungsabteilung für Strafsachen der Finanzverwaltung, der Wirtschaftspolizei und der jeweiligen Staatsanwaltschaften beschlagnahmte Hard- und Software. Für die hiezu erforderliche Erstellung von Analyseprogrammen bedürfe es profunder Kenntnisse des physikalischen Aufbaus und der Wirkungsweise von elektronischen Schaltkreisen sowie diverser Steuergeräte. Die von ihm durchgeführte EDV-Schulung werde im Rahmen der Finanzverwaltung ausgeübt und betreffe sowohl System- als auch Anwendersoftware. Die vom Beschwerdeführer im Antrag angeführten Tätigkeiten stellten - entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid - seine Hauptbeschäftigung dar. Diese Tätigkeiten würden auch nicht - wie von der belangten Behörde festgestellt - von vielen Personen auch ohne technische Ausbildung ausgeübt und seien im öffentlichen Dienst auch nicht üblich. Es erscheine auch nicht von Belang, ob andere Personen, mit welcher technischen Ausbildung auch immer, diese Tätigkeiten ausübten, vielmehr komme es darauf an, ob sie derjenigen eines Ingenieurs entsprächen.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 IngG 1990, BGBl. Nr. 461/1990, ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die

a)

die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und

b)

eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde.

Unstrittig steht fest, daß der Beschwerdeführer die Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer im § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a IngG 1990 genannten Lehranstalt abgeschlossen hat. Für den gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b leg. cit. weiters geforderten Nachweis der dreijährigen Berufspraxis ist eine solche von bestimmter Qualifikation gefordert. Sie muß auf jenem Fachgebiet zurückgelegt worden sein, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde, und höhere Fachkenntnisse voraussetzen.

Nach § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und der Partei Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Nach § 45 Abs. 3 AVG ist der Partei Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers im Antrag und der von ihm vorgelegten Bestätigung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Juni 1994 ergänzende Erhebungen zur Berufspraxis des Beschwerdeführers im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b IngG 1990 durchgeführt. Diese Ermittlungsergebnisse, welche Grundlage der Feststellungen im angefochtenen Bescheid sind, wurden dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht. Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid daher mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb, weil sie dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit gegeben hat, vom Ergebnis der - von ihr ergänzend durchgeführten - Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Dieser Verfahrensmangel mußte gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG schon deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil der Beschwerdeführer diesen Mangel ausdrücklich in der Beschwerde aufgezeigt und die im angefochtenen Bescheid zugrundegelegten tatsächlichen Feststellungen auch mit dem Hinweis bekämpft hat, daß er bei Gewährung des Parteiengehörs die Unrichtigkeit der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde nachweisen hätte können. Da die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, ist von einer Wesentlichkeit desselben auszugehen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Schlagworte

Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994040197.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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