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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
KFG 1967 §102 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des J in O, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. Juni 1994, Zl. 17/44-1/1994, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 16. März 1993 in der Zeit von 22.00 Uhr bis 22.30 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Sattelkraftfahrzeug und einen ebenso bestimmten Auflieger auf einer näher bezeichneten Fahrtstrecke gelenkt und somit auf einer öffentlichen Straße in Betrieb genommen zu haben, obwohl der "Fahrtenschreiber" defekt gewesen sei "bzw. keine Aufzeichnungen festgestellt werden konnten". Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 KFG 1967 begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 leg. cit. eine Geldstrafe von S 3.000,-- verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 102 Abs. 1 KFG 1967 haben u.a. Lenker von Lastkraftwagen und Sattelzugfahrzeugen mit einem Eigengewicht von mehr als 3.500 kg oder von Omnibussen dafür zu sorgen, daß der Wegstreckenmesser und der Fahrtschreiber auf Fahrten in Betrieb sind und daß im Fahrtschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist. Die Tathandlung der Verwaltungsübertretung nach dieser Gesetzesstelle besteht somit im Betrieb eines der dort genannten Kraftfahrzeuge, ohne dafür gesorgt zu haben, daß der Wegstreckenmesser und Fahrtschreiber in Betrieb sind und daß im Fahrtschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist. Mit Rücksicht auf diesen gesetzlichen Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen im Lichte des § 44a Z. 1 VStG nicht geboten, im Spruch eines Straferkenntnisses darzulegen, welche Ursachen dazu führten, daß der Fahrtschreiber während der Fahrt nicht in Betrieb war. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die in diesem Zusammenhang gerügte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen.
Im übrigen erweist sich die Beschwerde aber als berechtigt.
Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid den (durchaus zutreffenden) Standpunkt, es handle sich bei der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, weshalb es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, da an der Erfüllung des obigen Tatbestandes nicht zu zweifeln sei, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Diese Glaubhaftmachung sei ihm aber im Hinblick auf das eingeholte Sachverständigengutachten nicht gelungen.
Der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige kam auf Grund seiner Untersuchung der Diagrammschreibe aus dem in Rede stehenden Fahrtschreiber zu dem Ergebnis, der Fahrtschreiber sei in der Zeit von 15.30 Uhr bis 18.50 Uhr nicht in Betrieb gewesen, was nur Folge einer unzulässigen Manipulation gewesen sein könne. Für die mangelhafte Geschwindigkeitsaufzeichnung ab 18.50 Uhr lasse sich allerdings keine konkrete Erklärung angeben. Ein Zusammenhang mit der vorhergehenden Manipulation sei allerdings naheliegend. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, daß der Schreibstift durch Verharzen des Öles in der Führung des Stiftes hängengeblieben sei und dadurch schlecht oder gar nicht geschrieben habe. In seinem in Erwiderung einer Stellungnahme des Beschwerdeführers eingeholten Ergänzungsgutachten widerlegt der Sachverständige zunächst Argumente des Beschwerdeführers, die dieser der Annahme einer die Zeit von 15.30 Uhr bis 18.50 Uhr betreffenden Manipulation am Fahrtschreiber entgegenhielt. Abschließend kommt der Sachverständige (neuerlich) zu dem Ergebnis, für die mangelhafte Geschwindigkeitsaufzeichnung nach 18.50 Uhr komme verharztes Öl oder eine Verschmutzung in der Führung des Schreibstiftes in Frage. Dieser Mangel könne vom Fahrer während der Fahrt nicht wahrgenommen werden. Einen Zusammenhang dieses Mangels mit der von ihm, die Zeit von 15.30 Uhr bis 18.50 Uhr betreffend, festgestellten Manipulation hält der Sachverständige in diesem Ergänzungsgutachten nicht aufrecht. Er kommt vielmehr zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß der mangelnde Geschwindigkeitsschrieb nach 18.50 Uhr vom Fahrer nicht habe bemerkt werden können.
Bei diesem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ist es für den Verwaltungsgerichtshof ohne (im angefochtenen Bescheid fehlende) nähere Begründung nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde meinte, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe.
Da es die belangte Behörde somit unterließ, in einer den Anforderungen des § 60 AVG entsprechenden Weise die für ihre Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen darzulegen, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994030240.X00Im RIS seit
19.03.2001