TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/25 93/03/0192

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Veröffentlicht am 25.01.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

AVG §59 Abs1;
FSprO 1966 §39 Abs1;
FSprO 1966 §40 Abs3;
FSprO 1966 §40 Abs4;
FSprO 1966 §47;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des U in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung) vom 2. Juli 1993, Zl. 121774/III-25/92, betreffend Auflassung eine Fernsprechanschlusses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.770 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem - im Rahmen des hg. unter Zahl 93/03/0063 protokollierten Säumnisbeschwerdeverfahrens ergangenen - angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die dem Beschwerdeführer mit Schreiben der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. April 1991 mitgeteilte fristlose Auflassung eines bestimmt bezeichneten Fernsprechanschlusses gemäß § 47 der Fernsprechordnung, BGBl. Nr. 276/1966 (FO).

Im angefochtenen Bescheid wird zur Begründung ausgeführt, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. November 1992 mitgeteilt, bei seinem Fernsprechanschluß handle es sich um einen sogenannten Teilanschluß ("Vierteltelefon"). Durch einen Eingriff in den Beikasten eines solchen Anschlusses sei es u.a. möglich, Gespräche der anderen Partnerstellen abzuhören und zu unterbrechen sowie auf Kosten der Teilnehmer der anderen Partnerstellen zu telefonieren. Die Beikästen seien mit Plomben versehen. Im gegenständlichen Fall sei die Plombe des Beikastens durch eine Plastikkappe geschützt gewesen. Eine Beschädigung könne daher erst nach Entfernung dieser Kappe geschehen, eine zufällige Beschädigung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Aufgrund von Störungsmeldungen, insbesondere wegen Gesprächsunterbrechungen, und eines vom Teilnehmer einer Partnerstelle des gegenständlichen Anschlusses geäußerten Manipulationsverdachtes seien alle Partnerstellen des Teilanschlusses überprüft worden. Während bei den anderen Partnerstellen die Überprüfung problemlos durchgeführt worden sei und das Inventar in tadellosem Zustand vorgefunden worden sei, habe zur Partnerstelle des Beschwerdeführers trotz mehrmaliger Versuche zunächst kein Zutritt erlangt werden können. Dieser Anschluß sei daher am 14. März 1991 gesperrt worden. Erst daraufhin habe sich der Beschwerdeführer mit der Post- und Telegraphenverwaltung in Verbindung gesetzt. Bei der sodann am 27. März 1991 durchgeführten Überprüfung sei die Beschädigung der Plombe festgestellt und sodann die Teilnehmereinrichtung eingezogen und das Teilnehmerverhältnis fristlos aufgelassen worden. Seit der Abschaltung sei nach Aussage des den Manipulationsverdacht äußernden Teilnehmers keine Störung mehr aufgetreten.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1992 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, nur er selbst habe Zugang zu seiner Wohnung. Lediglich fallweise stelle er Angehörigen einen Wohnungsschlüssel zur Verfügung. Es selbst habe keine Manipulationen vorgenommen und könne ausschließen, daß beispielsweise seine Mutter solche vorgenommen hätte. Die mehrmaligen Versuche der Postverwaltung, im Jänner 1991 zu seiner Wohnung Zutritt zu erlangen, könnten nur telefonisch erfolgt sein. Der Beschwerdeführer halte sich aufgrund seiner Berufstätigkeit kaum, insbesondere nicht während des Tages in seiner Wohnung auf, weshalb telefonische Versuche fehlschlagen hätten müssen.

Der Amtssachverständige habe sodann folgende Stellungsnahme abgegeben: Beim Anschluß des Beschwerdeführers sei das Klebesiegel durchstochen gewesen. Die Beschädigung dieses Siegels sei ein Hinweis dafür, daß unerlaubte Eingriffe vorgenommen worden seien. Nach Abnahme des Beikastendeckels könnten Gespräche der Partnerstellen abgehört, aufgezeichnet oder unterbrochen werden, es könnten auch Gespräche zu Lasten der Partnerstellen oder der Post- und Telegraphenverwaltung geführt werden. Aufgrund des vorgefundenen beschädigten Klebesiegels könne eine Schädigung der Post nicht ausgeschlossen werden. Die erste Störmeldung sei in der zuständigen Störmeldestelle am 24. Oktober 1990 registriert worden. Am 9. Jänner 1991 sei von einer Partnerstelle schriftlich Beschwerde geführt worden.

Nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Jänner 1991 (richtig: 1993) die Frage aufgeworfen habe, welche Art von Verletzung der Plombe festgestellt worden sei, habe der Amtssachverständige ausgeführt, die Angabe "Plombe (Klebesiegel) durchstochen" (in den Unterlagen der Störmeldestelle) bedeute im Sprachgebrauch, daß die Plombe (das Klebesiegel) im Bereich der Beikastendeckelschraube in einer Art beschädigt gewesen sei, die den Schluß zulasse, daß der Beikasten geöffnet worden sei.

In seiner Einvernahme am 29. Juni 1993 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er sich lediglich alle zwei Wochen kurz in der Wohnung, in der sich der strittige Anschluß befinde, aufhalte. Zur Wohnung hätten zwar auch seine Gattin und seine Eltern Zutritt, tatsächlich habe sich aber seit 1988 außer ihm keine Person an jenem Standort aufgehalten.

In rechtlicher Sicht sei entscheidend, daß die Post- und Telegraphenverwaltung gemäß § 47 FO einen Hauptanschluß fristlos aufzulassen habe, wenn der Fernsprechteilnehmer gegen die in dieser Verordnung festgelegten Pflichten gröblich oder wiederholt verstoße. Gemäß § 40 Abs 4 FO dürfe der Fernsprechteilnehmer die Teilnehmereinrichtungen nicht eigenmächtig ändern und auch Eingriffe nicht vornehmen, nach Abs 3 seien Verlust, Beschädigung und Störungen unverzüglich der Post zu melden. Gemäß § 39 Abs 1 FO habe der Fernsprechteilnehmer dafür zu sorgen, daß die Teilnehmereinrichtungen ordnungsgemäß benützt werden. Aus diesen Bestimmungen ergebe sich, daß dem Fernsprechteilnehmer auch Handlungen Dritter zugerechnet würden, sofern er diese nicht umgehend der Post mitteile. Es brauche daher nur festgestellt werden, ob Eingriffe erfolgt seien, nicht aber, wer solche Eingriffe getätigt habe.

Aufgrund der Störmeldungen des Teilnehmers einer anderen Partnerstelle des "Vierteltelefons" stehe fest, daß Ende 1990/Anfang 1991 mehrmals Gesprächsunterbrechungen mit anschließender fehlender Anrufmöglichkeit aufgetreten seien, was auf einen unerlaubten Eingriff hindeute. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe für die belangte Behörde fest, daß von den vier Partnerstellen nur jene des Beschwerdeführers eine Beschädigung (Durchstechen) der durch eine Plastikkappe geschützten Plombe aufweise, die einen Eingriff ermögliche. Auch habe der Beschwerdeführer die Beschädigung der Plombe der Post- und Telegraphenverwaltung nicht gemeldet. Es liege der Schluß nahe, daß die genannten Unterbrechungen durch Eingriffe in den Beikasten des Beschwerdeführers hervorgerufen worden seien. Dieser Schluß werde verstärkt durch die Tatsache, daß seit der Abschaltung des Anschlusses des Beschwerdeführers keine Störungen mehr aufgetreten seien. Nicht überzeugend sei das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Entlastungsargument, daß er selbst die Störmeldestelle angerufen habe; bei einem weiteren Nichtmelden des Beschwerdeführers trotz Sperre des Anschlusses wäre nämlich der Zutritt zu den Teilnehmereinrichtungen ohnedies mit Hilfe der Polizei erzwungen worden. Nach Ansicht der belangten Behörde sei somit der Tatbestand des § 40 Abs 4 FO erfüllt und eine Pflichtverletzung begangen worden. Da diese Art der Pflichtverletzung einerseits die bei einem Teilanschluß denkbar schwerste sei und andererseits die Pflichtverletzung mehrmals - somit gröblich und wiederholt - begangen worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 47 FO vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bringt unter dem Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, aus dem angefochtenen Bescheid ergebe sich nicht klar, was ihm konkret vorgeworfen werde. Auch lasse der Bescheid offen, wer die Beschädigung an der Plombe vorgenommen habe. Soweit ihm vorgeworfen werde, daß er die Beschädigung nicht unverzüglich gemeldet habe, werde übersehen, daß er die betreffende Wohnung nur selten benutzt habe. Die belangte Behörde hätte erheben müssen, ab wann dem Beschwerdeführer die Beschädigung bekannt gewesen sei, zumal er es gewesen sei, der sich an die Post- und Telegraphenverwaltung zur Behebung des vermeintlichen Schadens gewandt habe. Inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die Rechtsfolge aufgrund objektiver Schäden ohne subjektive Zuordnung gezogen worden sei.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Abschnittes V ("Teilnehmerverhältnis") der FO, im Gesetzesrang aufgrund des Gesetzes BGBl. Nr. 267/1972, lauten:

"Pflichten des Fernsprechteilnehmers

§ 38. ...

§ 39. (1) Der Fernsprechteilnehmer hat dafür zu sorgen, daß die

Teilnehmereinrichtungen ordnungsgemäß benützt werden. Bei einem Teilanschluß ist überdies dafür zu sorgen, daß dieser nicht überlastet wird. Als überlastet ist ein Teilanschluß dann anzusehen, wenn dieser bei Einrichtungen für vier Sprechstellen eine Belegungsdauer von mehr als fünfzehn Stunden und bei Einrichtungen für acht bis zehn Sprechstellen eine Belegungsdauer von mehr als zehn Stunden monatlich aufweist. (2)...

§ 40. (1) ...

(2)...

(3) Verlust, Beschädigungen und Störungen der Teilnehmereinrichtungen sind der Post- und Telegraphenverwaltung unverzüglich anzuzeigen.

(4) Der Fernsprechteilnehmer darf die Teilnehmereinrichtungen, die von der Post- und Telegraphenverwaltung überlassen oder instandgehalten werden, nicht eigenmächtig ändern und auch Eingriffe nicht vornehmen.

(5) ...

§ 41. ... "

"Beendigung des Teilnehmerverhältnisses

§ 45. Das Teilnehmerverhältnis endigt durch:

a) Ablauf der Zeit, für die ein Hauptanscbluß überlassen wurde (§ 41 Abs 3),

b)

Kündigung der Überlassung eines Hauptanschlusses (§ 46),

c)

fristlose Auflassung eines Hauptanschlusses (§ 47),

d)

Tod des Fernsprechteilnehmers,

e)

Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Fernsprechteilnehmers."

"Fristlose Auflassung eines Hauptanschlusses

§ 47. Wenn der Fernsprechteilnehmer gegen die in dieser Verordnung festgelegten Pflichten gröblich oder wiederholt verstößt, hat die Post- und Telegraphenverwaltung den Hauptanschluß fristlos aufzulassen."

Die belangte Behörde hat festgestellt, beim Anschluß des Beschwerdeführers sei eine Plombe derart beschädigt worden, daß Eingriffe in den Beikasten möglich gewesen wären, in der Zeit Ende 1990/Anfang 1991 hätten sodann mehrere Eingriffe stattgefunden und zu Gesprächsunterbrechungen mit anschließender fehlender Anrufmöglichkeit (für andere Teilnehmer) geführt. In rechtlicher Hinsicht wertete die belangte Behörde diese Vorgänge als Eingriffe iSd § 40 Abs 4 FO. Dabei ging sie im Hinblick auf die Bestimmung des § 39 Abs 1 FO davon aus, daß diese Eingriffe unabhängig davon, ob sie vom Beschwerdeführer oder von einem Dritten gesetzt worden sind, (gröbliche und wiederholte) Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers darstellten. Aus § 39 Abs 1 FO ergebe sich nämlich, daß dem Fernsprechteilnehmer Handlungen Dritter jedenfalls dann zuzurechnen seien, wenn er sie nicht umgehend melde. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt:

§ 40 Abs 4 FO normiert, daß es zu den Pflichten des Fernsprechteilnehmers gehört, keine Eingriffe in die ihm überlassenen Teilnehmereinrichtungen vorzunehmen. Aus § 39 Abs 1 FO ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zwar abzuleiten, daß es zu den Pflichten eines Fernsprechteilnehmers auch gehört, die erforderliche Obsorge walten zu lassen, daß nicht ein Dritter Eingriffe in die dem Fernsprechteilnehmer überlassenen Teilnehmereinrichtungen vornimmt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde dürfen aber einem Fernsprechteilnehmer Handlungen Dritter nicht ohne weiteres zugerechnet werden; bei ausschließlich von Dritten vorgenommenen Eingriffen kann die Pflichtverletzung des Fernsprechteilnehmers nur darin liegen, daß dieser die nach den Umständen des Einzelfalles zu fordernde Obsorge zur Hintanhaltung dieser Eingriffe unterlassen hat.

Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, daß der Beschwerdeführer selbst die Plombe beschädigt oder die Eingriffe in den Beikasten getätigt habe. Sie hat auch nicht aufgezeigt, wodurch der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall veranlaßt gewesen wäre, Vorkehrungen zur Hintanhaltung von Eingriffen Dritter zu treffen, und worin diese vom Beschwerdeführer unterlassenen Vorkehrungen bestehen hätten müssen. In Verkennung der Rechtslage hat sie somit Pflichtverletzungen, die zur Rechtsfolge des § 47 FO führen würden, nicht festgestellt.

Darauf hinzuweisen ist, daß im angefochtenen Bescheid zwar ausgeführt wird, der Beschwerdeführer habe die Beschädigung der Plombe nicht der Post- und Telegraphenverwaltung gemeldet. Zur Frage der "Unverzüglichkeit", insbesondere zur Frage, wann der Beschwerdeführer von der Beschädigung Kenntnis erlangt hat, hat die belangte Behörde aber keine Feststellungen getroffen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid somit gar nicht der Vorwurf, er habe gegen § 40 Abs 3 FO verstoßen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993030192.X00

Im RIS seit

31.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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