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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §22;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der W GesmbH in B, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 10. Dezember 1992, Zl. 41-2/92, betreffend Nachforderung von Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und Zuschlag zu diesem, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Gastlokal in B. Anläßlich einer den Zeitraum vom 1. Jänner 1987 bis 30. September 1990 betreffenden Lohnsteuerprüfung beurteilte der Prüfer die Tätigkeit des in dieser Zeit bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesenen Reinhard H. nicht im Sinne der Beschwerdeführerin als eine selbständige, sondern als eine unselbständige.
Das Finanzamt folgte dieser Beurteilung und zog die Beschwerdeführerin bescheidmäßig zur Haftung für die im Falle eines Dienstverhältnisses entstandenen lohnabhängigen Abgaben heran.
Die Beschwerdeführerin berief und stellte nach einer in der Sache ergangenen abweislichen Berufungsvorentscheidung den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ihren Ausführungen in diesem Schriftsatz zufolge sprächen folgende Merkmale für das Vorliegen eines Werkvertragsverhältnisses:
a) Die von H. erbrachten Dienstleistungen entsprächen inhaltlich und in der äußeren Gestaltung genau jenen Leistungen, die zuvor die Fima "S" erbracht habe.
b) H. habe sich gegenüber dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin als Unternehmer ausgegeben und die von der unter lit. a genannten Firma bis dahin erbrachten Leistungen offeriert, jedoch zu für die Beschwerdeführerin günstigeren Bedingungen.
c) H. sei in der Wahl seiner Mittel und in seiner Arbeitsgestaltung vollkommen frei und nicht weisungsgebunden gewesen. Da er für die Sicherheit des Unternehmens der Beschwerdeführerin zu sorgen gehabt habe, habe er - so wie jede andere Bewachungsfirma auch - zu Beginn und zur Sperrstunde im Unternehmen anwesend sein müssen. Die Zeit dazwischen habe H. frei gestalten können. H. habe sich des öfteren aus dem Unternehmen der Beschwerdeführerin entfernt, wenn seiner Meinung nach keine Gefahr für die Sicherheit bestanden habe.
d) H. sei von der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin betreffenden Anordnung, sich während der Dienstzeit nicht vom Arbeitsplatz zu entfernen, deswegen nicht betroffen gewesen, weil er der Beschwerdeführerin nicht seine Arbeitskraft, sondern ausschließlich den Erfolg, "für Ruhe und Ordnung im Pub und auf dem Parkplatz zu sorgen", geschuldet habe.
e) H. hätte sich vertreten lassen können, allerdings nicht durch eine "wildfremde Person". Der Lohn von S 500,-- pro Tag hätte ihm bei Abwesenheit oder Krankheit nicht gebührt.
f) H. habe keinerlei Kostenvergütungen erhalten.
Im Verwaltungsakt liegen Niederschriften über die zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin und des H. Letzterer sagte als Zeuge im wesentlichen folgendes aus:
Er habe im Betrieb der Beschwerdeführerin alles gemacht "außer putzen", nämlich "Einkäufe, Personaleinstellungen und -kündigungen, Lager, Personaleinteilung etc". Er sei weisungsgebunden gewesen und habe sich nicht vertreten lassen können. Er habe sieben Tage in der Woche bzw. 300 Stunden im Monat gearbeitet. "Das Geld" habe er wöchentlich bekommen. Die ihm ausbezahlte Prämie habe 1 % des Jahresumsatzes betragen. Er sei nicht zur Pflichtversicherung angemeldet gewesen. Arbeitslosengeld habe er in der Zeit seiner Beschäftigung bei der Beschwerdeführerin nicht bezogen. Urlaubs- und Weihnachtsgeld habe er keines erhalten. Ein schriftlicher Vertrag sei nicht gemacht worden. Die Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin sei für ihn eine hauptberufliche gewesen. Die von ihm der Beschwerdeführerin, an der er nicht beteiligt sei, gelegten Rechnungen seien vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin verfaßt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies nach Darstellung des Sachverhaltes und der Rechtslage im wesentlichen mit folgender Begründung:
H. habe im Abgabenverfahren glaubhaft vorgebracht, er sei weisungsgebunden gewesen und habe sich nicht vertreten lassen können. Seine Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin sei weitgehend die eines leitenden Kellners (Obers) in einem Gastronomiebetrieb gewesen. Was ihm noch zusätzlich an Aufgaben zugefallen sei, sei auf die Eigenart von Nachtlokalen zurückzuführen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei H. in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin eingegliedert gewesen. Er sei gegenüber dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin weisungsgebunden gewesen, weil er dessen Anordnungen zu befolgen gehabt habe. Er habe auch seine Arbeitzeit nicht frei gestalten können, weil er zumindest zur Aufsperrzeit des Betriebes der Beschwerdeführerin um 17.30 Uhr und zur Sperrstunde (in der Regel um 2 Uhr) habe anwesend sein müssen; H. habe auch in der Zwischenzeit nicht frei über seine Zeit verfügen können, wie aus seiner Zeugenaussage, wonach er monatlich etwa 300 Stunden für die Beschwerdeführerin gearbeitet habe, sowie aus den ihm unbestrittenermaßen als "Ziele" vorgegebenen Aufgaben (Auswahl der Gäste, Wahrung der Ruhe und der Seriosität) hervorgehe. Auch sei die Aussage des
H. glaubwürdig, daß er sich nicht habe vertreten lassen können, zumal ein Vertretungsfall tatsächlich nicht eingetreten sei.
H. habe auch kein Unternehmerwagnis getragen und sei entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin nicht täglich, sondern für längere Zeiträume entgolten worden. Die H. im April 1989 für die vorangegangenen zwölf Monate gewährte "umsatzabhängige" Prämie entspräche im Ausmaß etwa den bei Arbeitnehmern üblichen Sonderzahlungen, was ebenfalls für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses spreche. Unmaßgebend sei hingegen im vorliegenden Fall, daß H. sich der Beschwerdeführerin gegenüber - vor Zeugen - als Unternehmer ausgegeben und behauptet habe, steuerlich erfaßt und versichert zu sein; ebenso der Umstand, daß die Beschwerdeführerin vor der Beschäftigung des H. die Dienste der oben genannten Firma (laut amtlichem Telefonbuch handle es sich um einen Sicherheitsdienst) in Anspruch genommen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die formell nur wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, nach ihrem Inhalt aber auch wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Lehre und Rechtsprechung sind bei Abgrenzungsfragen zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, andererseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit, d.h. die Verpflichtung einer natürlichen Person - als Dienstnehmer-, bei ihrer Tätigkeit die Weisungen eines anderen - des Dienstgebers - zu befolgen, sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Dienstgebers. Es ist daher das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen. Hiebei kommt es auf die tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 92/15/0230, m. w.N.).
Die Beschwerde bringt zunächst vor, die Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren sei nicht berücksichtigt worden. Auch sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde deswegen unrichtig, weil die Angaben des H. im Hinblick auf die ihm für den Fall der Wertung seiner Tätigkeit als selbständige drohenden Abgabenfestsetzungen als reine Schutzbehauptungen hätten gewertet werden müssen.
Daß die belangte Behörde die Darstellung der Beschwerdeführerin "nicht berücksichtigt" habe, ist unzutreffend. Die belangte Behörde hat sich vielmehr in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit dem Sachvorbringen der Beschwerdeführerin hinreichend auseinandergesetzt, dieses Vorbringen aber in freier Beweiswürdigung als in wesentlichen Punkten unrichtig beurteilt. Der Beweiswürdigung der belangten Behörde ist auch nicht allein deswegen die Schlüssigkeit abzusprechen, weil H. bei Wertung seiner Tätigkeit als selbständig mit Einkünften aus selbständiger Arbeit, bei Wertung seiner Tätigkeit als nichtselbständig hingegen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Einkommensteuer zu erfassen gewesen wäre. Die Beschwerde zeigt jedenfalls konkret nichts auf, was die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig erscheinen ließe. Es bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen aktenwidrig getroffen wurden, auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustandegekommen sind.
Der angefochtene Bescheid hält daher der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Prüfung, ob das Ergebnis der von der Behörde durchgeführten Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang steht und die Sachverhaltsannahmen der Behörde in einem von wesentlichen Mängel freien Verfahren gewonnen wurden, stand.
Legt man bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit aber im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG den somit von der belangten Behörde unbedenklich angenommenen Sachverhalt zugrunde, so spricht das Gesamtbild der Tätigkeit des H. bei der Beschwerdeführerin für das Überwiegen der für Unselbständigkeit und damit für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechenden Merkmale.
Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid weder mit einer in der Beschwerde geltend gemachten noch mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenm aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet hat.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993150038.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
26.08.2009