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L22005 Landesbedienstete Salzburg;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des P in O, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. Juli 1994, Zl. 0/82-5/2140311/40-1994, betreffend Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht auf Grund des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 18. Juli 1994 in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Salzburg.
Nach den vorgelegten Verwaltungsakten gehört der Beschwerdeführer auf Grund des Bescheides des:
Landesinvalidenamtes für Salzburg vom 10. Oktober 1985 seit 1. Juli 1985 zum Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Invalideneinstellungsgesetz (jetzt: Behinderteneinstellungsgesetz). Mit Bescheid dieser Behörde vom 14. April 1988 wurde die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 70 v.H. neu festgesetzt (Art der Gesundheitsschädigung: Multiple Sklerose).
Der Beschwerdeführer befand sich vom 9. September 1991 bis 30. September 1993 und ab 16. Mai 1994 im Krankenstand.
In ihrem Schreiben vom 22. Juni 1994 gab Frau Univ.Doz.Dr. M (im folgenden M.), Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, folgende Äußerung ab:
"Sehr geehrter Herr Kollege
Herr P befindet sich seit 16.5.1994 in stationärer Behandlung wegen eines MS-Schubes. Gegen Ende der geplanten Behandlungszeit kam es zu heftigen Attacken einer Trigeminusneuralgie. Es wurde deswegen eine lokale operative Nervenausschaltung durchgeführt. Da der Patient einmal schon eine solche Operation hatte, konnte der Schmerz bei der jetzigen Operation nicht entsprechend ausgeschaltet werden. Es wurde daher ein größerer Eingriff zur Nervenausschaltung am Halsmark vorgenommen. Der Patient ist deswegen unerwartet lange nicht arbeitsfähig. Er wird noch etwa 2 - 3 Wochen im Krankenstand bleiben müssen.
Im Herbst d.J. sollte unbedingt eine Rehabilitationsbehandlung durchgeführt werden."
Nach der Aktenlage erließ daraufhin die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Juli 1994, mit dem sie den Beschwerdeführer mit Ablauf des 31. Juli 1994 in den Ruhestand versetzte. Als Rechtsgrundlage führte sie § 14 Abs. 1 BDG 1979 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987 an.
Die Begründung lautet:
"Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 des zitierten Beamten-Dienstrechtsgesetzes in Verbindung mit der eingangs zitierten landesgesetzlichen Bestimmung ist der Beamte von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Da nach dem Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Univ.Doz.Dr. M vom 22.6.1994 auf Grund Ihrer Leiden dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt, sind Sie mit Ablauf des 31.7.1994 in den Ruhestand zu versetzen. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete "im Hinblick auf die bedauerlicherweise ständige Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ... auf die Ausführung einer Gegenschrift".
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 2 Abs. 1 des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987, LGBl. Nr. 1, haben auf die Landesbeamten, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, die in der Anlage A angeführten, für das Dienst- und Besoldungsrecht einschließlich des Penionsrechtes der Bundesbeamten maßgebenden bundesgesetzlichen Vorschriften mit der Maßgabe Anwendung zu finden, daß an die Stelle der Zuständigkeit der obersten Organe der Vollziehung des Bundes die Zuständigkeit der Landesregierung tritt.
Nach der Anlage A Z. 1 ist das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333 (in einer bestimmten Fassung) anzuwenden. Abweichende Bestimmungen zu den im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften nach dem BDG 1979 wurden im Salzburger Landesbeamtengesetz nicht getroffen.
§ 14 Abs. 1 BDG 1979 lautet:
"(1) Der Beamte ist von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er
1.
dauernd dienstunfähig oder
2.
infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen und dienstunfähig ist."
Nach Abs. 3 leg. cit. ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, die Stellungnahme von Dr. M. sei weder als Gutachten zu qualifizieren noch könnten aus deren Inhalt irgendwelche Rückschlüsse auf eine angebliche dauernde Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers abgeleitet werden. Im Gegenteil habe Dr. M. dargelegt, der Beschwerdeführer sei auf Grund einer eingetretenen Komplikation länger als erwartet arbeitsunfähig, wobei nur für eine relativ kurze und absehbare Zeit ein Krankenstand vorhergesagt wurde. Es sei völlig unerfindlich, woraus die belangte Behörde aus diesem Schreiben die behauptete Dokumentation einer dauernden Dienstunfähigkeit abzuleiten vermöge. Außerdem habe die belangte Behörde wesentliche Verfahrensbestimmungen verletzt. Unter Hinweis auf einschlägige Judikatur führt der Beschwerdeführer aus, das Schreiben Dris. M. könne keinesfalls als Sachverständigengutachten qualifiziert werden, weil es nicht im entferntesten entsprechende Feststellungen beinhalte. Die belangte Behöre wäre verpflichtet gewesen, einerseits ein ordnungsgemäßes Sachverständigen-Gutachten erstellen zu lassen und andererseits dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren. Auf dieser Grundlage hätte der Beschwerdeführer entsprechend dartun können, daß er nicht dauernd dienstunfähig sei.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid - wie sich aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung unmißverständlich ergibt auf § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 gestützt und ist dementsprechend von der dauernden Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. § 14 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 wurde im Beschwerdefall nicht angewendet.
Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Bestimmung vorliegt, stellt eine Rechtsfrage dar, die nicht der beigezogene ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, in dem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse und Erfahrungen - allenfalls unter Zuhilfenahme von Hilfsbefunden - Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten trifft und die Auswirkungen, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose über den weiteren Verlauf des Gesundheitszustandes zu stellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu überprüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen. Das ärztliche Sachverständigengutachten muß ausreichend begründet sein, d.h. aus dem objektiven Befund schlüssig abgeleitet. Eine Sachverständigenäußerung, die sich in der Abgabe eines allgemein gehaltenen Urteils erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist als Beweismittel unbrauchbar. Die Behörde, die ein solches Urteil ihrem Bescheid zugrunde legt, verletzt ihre Pflicht zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes.
Unvollständigkeiten, Unklarheiten und Zweifel des Sachverständigengutachtens sind von der Behörde von Amts wegen aufzuklären (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1988, Zlen. 88/12/0030, AW 88/12/0003, mit weiterer Rechtsprechung).
Nach ständiger Rechtsprechung muß ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Mit anderen Worten: Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht gerecht. Der Sachverständige muß also, damit eine Schlüssigkeitsprüfung seines Gutachtens vorgenommen werden kann, auch darlegen, auf welchem Weg er zu seinen Schlußfolgerungen gekommen ist. Sind andere Gutachten oder Befunde Bestandteile des Sachverständigengutachtens geworden, so müssen sie insoweit den eben dargelegten Anforderungen entsprechen.
Eine amtswegige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand nach § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 setzt voraus, daß der Beamte infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung im Zeitpunkt seiner wirksamen Ruhestandsversetzung dauernd seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein im § 14 Abs. 3 BDG 1979 näher umschriebener gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1994, Zl. 93/12/0330, mit weiterer Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Seiner Begründung läßt sich überhaupt nicht entnehmen, wie die belangte Behörde zu ihrem Urteil gelangt ist, der Beschwerdeführer sei dauernd dienstunfähig, erschöpft sich doch die "Begründung" in einer nicht nachvollziehbaren Feststellung. Diese Feststellung findet auch im zitierten Schreiben Dris. M. keine Grundlage, teilt doch Dr. M. neben den damals aktuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers lediglich mit, der Beschwerdeführer werde noch etwa zwei bis drei Wochen im Krankenstand bleiben. Auf sonstige medizinische Gutachten, die die Auffassung der belangten Behörde allenfalls stützen könnte, hat sich die belangte Behörde nicht berufen. Zutreffend hat der Beschwerdeführer auch gerügt, daß dieses Schreiben von Dr. M. den Anforderungen an ein Gutachten - wie sie oben dargelegt wurden - nicht genügt und dem Beschwerdeführer auch kein Parteigehör gewährt wurde.
Da die belangte Behörde durch die aufgezeigten Unterlassungen grundlegende Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Hinsichtlich der zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Schlagworte
Sachverständiger ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994120232.X00Im RIS seit
20.11.2000