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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §48 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1994, Zl. 4.309.494/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Ghana, der am 30. September 1990 in das Bundesgebiet eingereist war und am 1. Oktober 1990 einen Asylantrag gestellt hatte - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 8. Mai 1991 - mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen - abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung (durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten) am 4. Februar 1991 (unter Punkt 18. Fluchtweg) angegeben, er sei von Ghana "illegal nach Togo und von Togo illegal nach Nigeria gelangt".
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten hat ihren negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft (im Sinne des § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zukomme.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltes in Togo und Nigeria bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 des im Beschwerdefall gemäß seinem § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme.
Der Beschwerdeführer bekämpft die im angefochtenen Bescheid hinsichtlich seiner "Verfolgungssicherheit" getroffenen Annahmen und wirft der belangten Behörde insoweit vor, das Parteiengehör verletzt zu haben. Er bringt dazu vor, daß in beiden Ländern (Togo und Nigeria) für ihn die Gefahr der Rückschiebung (in den Verfolgerstaat Ghana) bestanden habe. In Nigeria komme es häufig zu zwangsweisen Rückschiebungen, "extra-legalen Hinrichtungen" und zur Verfolgung politischer Gefangener. Togo habe - trotz Unterzeichnung der Flüchtlingskonvention und des New Yorker Protokolls - bislang kein (nationales) Asylverfahren eingerichtet. Da nicht positiv habe festgestellt werden können, daß der Beschwerdeführer die "verfahrensmäßigen Hürden" tatsächlich erfolgreich überwinden hätte können, habe für ihn in Togo potentiell das Risiko der Verfolgung und Abschiebung bestanden. Die belangte Behörde habe sich jedenfalls nicht mit den konkreten Verhältnissen in Togo und Nigeria auseinandergesetzt. Da ihm von der belangten Behörde keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden sei, habe er auch nicht dartun könne, daß er in Togo und Nigeria keinen Rückschiebungsschutz erlangt habe. Eine Asylantragsstellung in diesen Ländern wäre für ihn unmöglich und auch gefährlich gewesen.
Mit diesen Ausführungen bringt der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht Behauptungen vor, bei deren Zutreffen nicht mehr ohne weiteres die Rede sein könnte, die Staaten Togo und Nigeria würden als Zufluchtsstaaten von ihren jeweils effektiv geltenden Rechtsordnungen her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz bieten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/19/1226).
Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde ihren abweislichen Bescheid nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer in Togo und Nigeria bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er in Togo und Nigeria "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.
Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe von der Entrichtung dieser Gebühren befreit war (vgl. unter anderem den hg. Beschluß vom 27. April 1984, Slg. 11422/A).
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Gebührenfreiheit der Beschwerde Ersatz bei GebührenfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994191297.X00Im RIS seit
20.11.2000