TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/26 94/16/0139

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Veröffentlicht am 26.01.1995
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §1053;
ABGB §1071;
GrEStG 1987 §1;
GrEStG 1987 §11 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der HB in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Mai 1993, Zl. GA 11-518/1/93, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen des F, der am Standort X eine Trafik betrieben hatte, wurde der Konkurs eröffnet.

In einem Brief des Masseverwalters an einen der Gläubiger vom 10. Februar 1992 werden die Bemühungen zur Verwertung der Trafik ua. wie folgt geschildert:

"... Trotz vielfacher Versuche war es bisher nicht möglich, die Trafik zu verwerten, offenbar deshalb, weil derzeit infolge des möglicherweise bevorstehenden EG-Beitrittes eine große Unsicherheit herrscht und zahlreiche Trafiken auf dem Markt angeboten werden ...

Ich habe nun zahlreiche Inserate geschaltet und versucht, Käufer für die Trafik zu finden, es wurde jedoch bisher als Höchstpreis ein Betrag von S 900.000,-- geboten. Der Liegenschaftsanteil selbst wurde von einem Sachverständigen mit dem Wert von S 1,000.000,-- geschätzt. Ich hoffe, daß es doch möglich sein wird, einen höheren Betrag als S 900.000,-- zu erzielen, doch ist die Trafik nach § 22 Tabakmonopolgesetz öffentlich zur Nachbesetzung bis 28.2.1992 ausgeschrieben und muß daher in den nächsten Wochen ein Verkauf erfolgen ..."

Am 26. Februar 1992 errichteten die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte als Käufer sowie der Masseverwalter als Verkäufer einen Kaufvertrag betreffend die Veräußerung von

117/2078 Anteilen an der in der Konkursmasse befindlichen Liegenschaft EZ 550, Grundbuch G,

Grundstücknummern 175/10 Baufläche, 175/11 Garten und 175/70 Garten, Adresse X, womit Wohnungseigentum am Geschäftslokal Top Nr. I im Erdgeschoß untrennbar verbunden war. Als Kaufpreis wurde S 1,000.000,-- vereinbart. Der Vertrag wurde noch am selben Tag konkursgerichtlich genehmigt.

Punkt 6 dieses Vertrages lautete auszugsweise:

"Der Gemeinschuldner, F, hat im gegenständlichen Geschäftslokal eine Tabaktrafik betrieben, die bereits vor Konkurseröffnung geschlossen war. Die Austria Tabakwerke AG haben mit Schreiben vom 16.4.1991 den Bestellungsvertrag zur Führung der selbständigen Tabaktrafik in X zum 31.5.1991 aufgekündigt.

Nunmehr ist diese Trafik zur Neubesetzung ausgeschrieben. Die Mutter der Käuferin, HB, Frau M, W-Straße 14/17, ist im Besitz eines Trafikberechtigungsnachweises und wird sich um einen Bestellungsvertrag für diese Trafik bewerben, wobei zwischen den Vertragsteilen und Frau M Einigung darüber besteht, daß sie mit gesondertem Vertrag von den Käufern dieses Lokale anmietet und daß ein Lokalnachweis vom Masseverwalter und den Käufern unterfertigt an Frau M ausgestellt wird. Frau M ist daher in der Lage, den geforderten Lokalnachweis in X zu erbringen; der gegenständliche Vertrag ist jedoch dadurch bedingt, daß der Bestellungsvertrag an Frau M für die gegenständliche Tabaktrafik durch die Austria Tabakwerke AG ausgestellt wird.

Der Masseverwalter verpflichtet sich, bis zur Entscheidung über die Bestellung durch die Austria Tabakwerke AG den Kaufpreis treuhändig zu verwalten, einen erlegten Bargeldbetrag gegebenenfalls fruchtbringend und bestmöglich anzulegen, gegebene Inhabersparbücher bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufzulösen und für den Fall, als die Bestellung der Frau M nicht erfolgt, den gesamten Kaufpreis samt Zinsen an die Käufer rückzuerstatten bzw. die erlegten Sparbücher binnen 8 Tagen zurückzugeben."

Am 21. Mai 1992 berichtete der Masseverwalter dem Konkursgericht folgendes:

"Ich habe bereits über den Verkauf der Liegenschaftsanteile des Gemeinschuldners berichtet und wurde dieser Verkauf mit Beschluß vom 26.2.1992 konkursbehördlich genehmigt.

Es hat sich nun herausgestellt, daß der Gewerbekredit, der zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommen werden sollte, lediglich von der Betreiberin der Tabak-Trafik, Frau M, erlangt werden kann. Die Käufer HB und RB sind daher nicht in der Lage, den Kaufpreis zu finanzieren, sondern wird die Finanzierung über einen Gewerbekredit durch Frau M durchgeführt. Zwischenzeitig wurde ein Bestellungsvertrag mit Frau M von den Austria Tabakwerken AG abgeschlossen, sodaß die in dem seinerzeitigen Kaufvertrag enthaltene Bedingung eingetreten ist und daher der Vertrag unbedingt geschlossen werden kann.

Ich habe daher mit Frau HB und Herrn RB eine Vereinbarung geschlossen, die ich in Kopie vorlege und um deren konkursbehördliche Genehmigung ich ersuche; nach dieser Vereinbarung wird der Kaufvertrag vom 26.2.1992 aufgehoben.

Nach Aufhebung des Vertrages werde ich einen Vertrag mit Frau M, Trafikantin, W-Straße 14/16, abschließen, den ich dann zur Genehmigung vorlegen werde.

Ich beantrage, auch diesen Vertrag dann zu genehmigen. Der Kaufpreis wird in selber Höhe vereinbart werden."

Ebenfalls am 21. Mai 1992 wurde der Vertrag vom 26. Februar 1992 einvernehmlich wieder rückgängig gemacht, wobei Punkt 3 dieser Vereinbarung wörtlich lautet:

"Als Kaufpreis für die oben genannten Liegenschaftsanteile ist ein Betrag von S 1,000.000,-- vereinbart worden.

Zur Finanzierung dieses Betrages sollte ein Kredit aufgenommen werden; es stellte sich jedoch heraus, daß lediglich Frau M als zukünftige Trafikantin diesen Kredit als Gewerbekredit mit günstigen Konditionen eingeräumt erhielt.

Die Käufer HB und RB sind nicht in der Lage, den Kaufpreis von S 1,000.000,-- zur Gänze zu finanzieren, sodaß die Parteien einvernehmlich vereinbaren, den Erwerbsvorgang der genannten Liegenschaftsanteile laut Kaufvertrag vom 26.2.1992 durch Vereinbarung rückgängig zu machen."

Auch dieser Vertrag wurde konkursgerichtlich genehmigt.

Ebenfalls am 21. Mai 1992 richteten die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte folgendes Schreiben an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgen kurz: Finanzamt):

"Mit Kaufvertrag, abgeschlossen zwischen Dr. R, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs des F als Verkäufer haben wir am 26.2.1992 einen Kaufvertrag zum Erwerb von 117/2078tel Anteilen der Einlagezahl 550 Kat.Gem. G, Grundstückadresse X, erworben, mit diesem Miteigentumsanteil ist das Wohnungseigentum an dem Geschäftslokal top Nr. I im Erdgeschoß untrennbar verbunden. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von S 1 Million vereinbart.

In diesem Geschäftslokal wurde seinerzeit von Herrn F eine Tabak-Trafik betrieben.

Wir planten, den Kaufpreis über einen Gewerbekredit zu finanzieren, wobei jedoch lediglich unsere Mutter bzw. Schwiegermutter, Frau M, den Bestellungsvertrag mit den Austria Tabakwerken abschließen konnte, weil sie die Voraussetzungen im Sinne des Tabakmonopolgesetzes erfüllt (Behinderung laut Behinderteneinstellungsgesetz). Es wurde daher mit Frau M von den Austria Tabakwerken ein Bestellungsvertrag abgeschlossen. Nunmehr stellt sich heraus, daß der Gewerbekredit lediglich an Frau M vergeben werden kann, sodaß nur sie in der Lage ist, den Kaufpreis zu finanzieren.

Wir haben daher einvernehmlich mit dem Verkäufer den Kaufvertrag rückgängig gemacht, zeigen dies gleichzeitig an und beantragen, die Grunderwerbsteuer gemäß § 11 Grunderwerbssteuergesetz nicht festzusetzen.

Frau M wird einen Vertrag zum Erwerb dieser Liegenschaftsanteile mit dem Verkäufer schließen ..."

Am 25./26. Mai 1992 errichteten M als Käuferin und der Masseverwalter als Verkäufer einen Kaufvertrag über das gegenständliche Objekt, der inhaltlich im wesentlichen den Bestimmungen des Kaufvertrages vom 26. Februar 1992 entsprach.

Am 10. Dezember 1993 verkaufte M das Objekt wieder an die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten.

Über Anfrage des Finanzamtes vom 26. Juni 1992, ob der von den Käufern hinterlegte Kaufpreis vom Masseverwalter als Treuhänder wieder ausgefolgt worden sei, gaben die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte folgende Erklärung ab:

"Mit dem Treuhänder wurde ein Kaufvertrag unter der Bedingung, daß am Standort des Verkauflokales eine Trafik eröffnet werden kann und ein Gewerbekredit gewährt wird, abgeschlossen.

Da nur Frau M im Besitz eines Behindertenbescheides ist, war nach geltenden Tabakmonopolgesetz nur ausschließlich sie in der Lage eine Tabaktrafik an diesem Standort zu führen.

Die Erlangung eines Gewerbekredites zur Finanzierung des Restkaufpreises war uns somit nicht möglich. Der Gewerbekredit wurde lediglich an die zur Führung der Tabaktrafik Berechtigten gewährt. Die Bedingungen des Kaufvertrages sind für uns somit entfallen, wir mußten wegen Unfinanzierbarkeit vom Kaufvertrag zurücktreten.

Ursprünglich wurde zur Besicherung unserer Kaufabsicht dem Treuhänder die in der Beilage ausgewiesenen Sparbücher übergeben.

2 Sparbücher wurden an Darlehensstatt erhalten:

1.

S 237.000,-- CA-BV von AM, Bruder

2.

S 88.721,69 Z-Länderbank von Frau M, Mutter

Ein weiteres Sparbuch über S 141.600,-- von der Ersten österreichischen Sparkasse stammt aus Eigenanlage.

Sämtliche Sparbücher wurden bei Rücktritt zur Finanzierung des Kaufes von Frau M an Zahlungsstatt dem Treuhänder überlassen."

Daraufhin schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 16. November 1992 Grunderwerbsteuer vor und gab mit Bescheid vom 20. November 1992 dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Mai 1992 auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG nicht statt, wobei es aussprach, daß der Spruch des Bescheides vom 20. November 1992 einen Teil des Grunderwerbsteuerbescheides darstelle.

Das Finanzamt begründete seinen Bescheid damit, daß kein echter Rücktritt erfolgt sei, weil der Kaufpreis nicht rückerstattet worden sei. Dieser sei vielmehr zur Finanzierung des Kaufes durch M verwendet worden. Grund für den Rücktritt sei nur der Umstand gewesen, daß nur Frau M einen günstigen Gewerbekredit in Anspruch habe nehmen können.

Gegen diese Bescheide berief die Beschwerdeführerin, wobei sie unter anderem folgendes vorbrachte:

"... Der Grund für die einvernehmliche Auflösung des Geschäftes war, daß ein angestrebter Gewerbekredit nicht erlangt werden konnte und somit die Finanzierung des Kaufes NICHT GESICHERT WERDEN KONNTE. Die Finanzierung durch einen Gewerbekredit war von Anfang an mit der Verkäuferseite abgesprochen und somit zu einer GESCHÄFTSGRUNDLAGE geworden. Die Nichterlangung dieses Kredites war nicht vorhersehbar. Die Nichtgewährung des Gewerbekredites ist aber auch EINE

NACHTRÄGLICHE (ZU VERTRETENDE) UNMÖGLICHKEIT DER

LEISTUNGSERFÜLLUNG durch die Käuferseite, zumal der Kaufpreis durch hinterlegte Sparbücher nur bis ca. die Hälfte abgesichert war. Über die bezügl. schadenersatzrechtlichen Folgen des Rücktrittes bzw. Nichterfüllung wurde ich auch seitens der Verkäuferseite aufmerksam gemacht. Der vereinbarte Rücktritt wurde von der Verkäuferseite dazu verwendet, um andere Mitangebote zu überprüfen. Da aber zu diesem Zeitpunkt keine finanzierbaren besseren Angebote vorlagen, hätte die Verkäuferseite den Zuschlag dem nächstbesten Bieter geben können, wobei die Differenz zu meinem Angebot von mir zu tragen gewesen wäre. Es ist nun aus schadenersatzrechtlichen Gründen (Schadensminderung), zwar in meinem Interesse gelegen, daß von Frau M ein Angebot zu gleichen Bedingungen an die Verkäuferseite gemacht wurde, die Annahme stand aber ausschließlich in Disposition der Verkäuferseite. Dieses Angebot wurde von der Käuferseite schließlich nur deshalb angenommen, weil zu dieser Zeit kein besseres Höchstbot vorgelegen ist und die Finanzierbarkeit durch Frau M gesichert schien.

Die hinterlegten Sicherungsmittel wurden mir schließlich ausgehändigt, sodaß ich in vollem Umfang darüber verfügen und sie in das Eigentum der Frau M übergeben konnte. Die Ausfolgung der Sicherungsmittel habe ich der Verkäuferseite NACHWEISLICH

BESTÄTIGT.

Dem Einwand der Finanzbehörde, daß kein echter Rücktritt erfolgte, weil der Kaufpreis nicht zurückerstattet wurde, kann demnach nicht gefolgt werden. Überdies kann von einer Kaufpreisübergabe überhaupt noch nicht gesprochen werden, da lediglich Sparbücher aus Familiendarlehen zur teilweisen Sicherung übereignet wurden. Die sofortige Rückerstattung dieser Sicherungsmittel konnte schon deshalb nicht erfolgen, weil schadenersatzrechtliche Forderungen aus der Erfüllungsunmöglichkeit in diesen Sicherungen Deckung finden mußten. Daß nun letztlich diese Sicherungsmittel nach Ausfolgung auch an die neue Käuferin, Frau M übergeben werden konnten, hängt lediglich mit der familienspezifischen Situation in der sich Erst- und Zweitkäufer befunden haben zusammen.

Frau M brauchte bloß neue Darlehensvereinbarungen treffen um über die Sicherungssumme verfügen zu können. Überdies stammte ein Teil der Sicherungssumme VON IHR SELBST. Nur Frau M war es aufgrund der Gewährung eines Gewerbekredites, den sie mittels neuerlichen Sparbuchs hinterbrachte möglich, die Kaufbedingungen zur Gänze zu erfüllen. Nur sie war zu diesem Zeitpunkt Schuldnerin der Kaufsumme.

Die Verkäuferseite ist bis zur Eintragung im Grundbuch Eigentümerin und hatte die volle Verfügungsgewalt über den Kaufgegenstand. Es wäre ihr nach dem Rücktritt bei Vorliegen eines besseren Angebots, jederzeit möglich gewesen auch irgendeinen Dritten als Käufer anzusehen bzw. sogar einen Schlechterbietenden zu nehmen. DIES ENTSPRICHT AUCH DEN

GEPFLOGENHEITEN EINER ORDENTLICHEN KONKURSABWICKLUNG ..."

Am 27. Mai 1993 brachte die belangte Behörde den Inhalt der von ihr beabsichtigten Berufungsentscheidung der Beschwerdeführerin als Vorhalt zur Kenntnis und räumte ihr dazu die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen Monatsfrist ein. Die Zustellung des Vorhaltes erfolgte am 1. Juni 1993.

Am 30. Juni 1993 richteten die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte an die belangte Behörde folgendes Schreiben:

"... Der Sachverhalt wird als bekannt vorausgesetzt. Es wird nur darauf hingewiesen und hervorgestrichen, daß ursprünglich die Absicht bestanden hatte, die mit einer Trafik verbundene Liegenschaft, zu erwerben und dergestalt zu führen, daß Frau M aufgrund Ihrer Führungsberechtigung (Bescheid des Landesinvalidenamtes) als Geschäftsführerin des Unternehmens tätig werden sollte, aber das Geschäft auf eigene Rechnung und Gefahr betrieben wird. Dies war, wie sich nachträglich herausstellte, deshalb nicht möglich, weil der Bestellungsvertrag mit der Tabakmonopolverwaltung eine Geschäftsführung auf Rechnung und Risiko Dritter nicht zugelassen hätte. Aus diesem Grunde kam es auch nicht zur beabsichtigten Einräumung eines Gewerbekredites durch die vorgesehene Bank.

Es wäre daher für uns sinnlos gewesen, das gegenständliche Unternehmen zu erwerben. Daß dieser Fall eintritt, war für uns bis zum vereinbarten Rücktritt nicht vorhersehbar.

Gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG wird die Steuer nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von 3 Jahren, seit Entstehen der Steuerschuld durch Vereinbarung ... rückgängig gemacht wird.

Aus ob genannten Gründen und der Zahlungsunmöglichkeit, wurde die Rückgängigmachung des Kaufvertrages beim Konkursverwalter beantragt und vereinbart. Über die Folgen unseres Rücktrittes insbesondere die Ausfallshaftung wurden wir aufmerksam gemacht. Das Konkursgericht stimmte dem Rücktritt zu. Dies wohl auch, da sich zum Zeitpunkt des ersten Geschäftsabschlusses mehrere Interessenten für die Trafik beworben haben, deren Angebote weit über dem von uns gemachten Angebot lagen, aber letztlich in der Realisierung Mängel aufwiesen. Das Konkursgericht bzw. der Masseverwalter hätten daher nach unserem Rücktritt mit dem Hinweis, daß weitere höhere Angebote vorliegen, jederzeit frei disponieren können. Daß es dann zum Abschluß mit Frau M gekommen ist, hatte wohl den Grund, daß nur sie im Verhältnis gegenüber den Mitbewerbern letztlich eine Bankgarantie zur Besicherung des Kaufgeldes dem Konkursgericht vorgelegt hat.

Die zitierte Gesetzesbestimmung erlaubt nach den Interpretationsbestimmungen keine andere Auslegungsmöglichkeit als die von uns angeführte, da sie sich sonst von selbst ad absurdum führen würde. Der hohe Verwaltungsgerichtshof hat in seinem von Ihnen angeführten Erkenntnis lediglich die äußerste Grenze der zulässigen Interpretation aufgezeigt. Dies aber bei einem gänzlich anders gelagertem Sachverhalt. Dort wurde nämlich die Verfügungsmacht des Verkäufers im Kaufvertrag ausdrücklich beseitigt, sodaß er nurmehr als bloßer Mittler im Geschäft mit einem Dritten aufgetreten ist. Diesen Fall jetzt auf unsere Situation anzuwenden, ist aus Sachverhaltsgründen, nicht denkmöglich oder wäre mit dem Bemerken auf die familienspezifischen Umstände zwischen Erst- und Zweitkäufer gleichheitswidrig. Denn man kann ohne besondere sachliche Rechtfertigung jeden fremden Drittkäufer nicht rechtlich anders behandeln, als diese in dem gegenständlichen Kaufgeschäft auftretenden Personen."

Am 14. Jänner 1994 richtete die belangte Behörde an den Masseverwalter unter Darstellung der Sach- und Rechtslage die Frage, in welcher Art und Weise er nach Aufhebung des ersten Kaufvertrages frei und ohne Einwirkungsmöglichkeiten der ehemaligen Erwerber über das Grundstück habe verfügen können.

Der Masseverwalter teilte dazu am 14. Februar 1994 mit, auf Grund seiner Verschwiegenheitspflicht zu den Fragen keine Stellung nehmen zu können.

Eine weitere Aufforderung der belangten Behörde an den Masseverwalter zur Äußerung, die ihm am 4. März 1994 zugestellt wurde, blieb unbeantwortet.

Daraufhin fertigte die belangte Behörde die mit 4. Mai 1993 datierte Berufungsentscheidung ab, die der Beschwerdeführerin am 16. Mai 1994 zugestellt wurde.

Mit dieser, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Entscheidung wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde vertritt darin die Auffassung, die Vertragspartner hätten sich aus ihren vertraglichen Bedingungen nicht derart gelöst, daß der veräußernde Masseverwalter seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt habe; die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück sei vielmehr bei den Erwerbern verblieben, die davon auch Gebrauch gemacht hätten, indem sie die Liegenschaft an eine von ihnen ausgesuchte dritte Person übertragen hätten. Zweck der Vereinbarung vom 21. Mai 1992 sei in Wahrheit nicht die Rückgängigmachung des Geschäftes mit dem Masseverwalter, sondern nur die Ermöglichung der Weiterveräußerung an eine familiennahe Person gewesen, von der man gewußt habe, daß sie alle Bedingungen erfüllen könne. M habe zu diesem Zeitpunkt bereits den Bestellungsvertrag der Austria Tabakwerke AG in Händen gehabt und hätte es einer Kündigung dieses Bestellungsvertrages bedurft, um dem Verkäufer die Wiedererlangung der Verfügung über das Grundstück frei und ohne Einwirkungsmöglichkeit der ehemaligen Erwerber zu ermöglichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 lautet:

"Die Steuer wird auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts rückgängig gemacht wird."

Erwerbsvorgang ist der die Steuerpflicht auslösende Rechtsvorgang (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, 3. Teil, Grunderwerbsteuergesetz 1987, Rz 73 Abs. 2 zu § 1 GrEStG, ErgU 35 U); das ist gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. das zur Begründung des Übereignungsanspruches taugliche Verpflichtungsgeschäft, zB. ein Kauf (vgl. Fellner aaO., Abs. 5). Jeder Erwerbsvorgang bildet einen abgeschlossenen Steuerfall und löst grundsätzlich selbständig die Steuerpflicht aus (vgl. Fellner aaO., Rz 74 Abs. 1 zu § 1 GrEStG, 36 U).

Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. kommt es darauf an, daß der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird. Zweck dieser Bestimmung ist es, jene Erwerbsvorgänge nicht mit der Grunderwerbsteuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten wieder beseitigt werden, was dem Wesen der Grunderwerbsteuer entspricht, wonach steuerbar der Erfolg ist, der auf Grund eines Erwerbsvorganges eintritt (vgl. Fellner aaO., Rz 1 Abs. 2 zu § 11 und Rz 71 Abs. 2 zu § 1 GrEStG).

Entscheidend für die Rückgängigmachung ist, daß sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen, daß die Möglichkeit der Verfügung über das betroffene Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Stellung wiedererlangt (vgl. Fellner aaO., Rz 8 Abs. 3 und Rz 15, ErgU 10/1 U Abs. 2 und 3 zu § 11 GrEStG und die dort referierte hg. Judikatur, insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. April 1984, Zl. 82/16/0165, Slg. 5876/F).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist der Beschwerdeführerin, die auf dem Standpunkt steht, der verkaufende Masseverwalter sei durch die Aufhebungsvereinbarung vom 21. Mai 1992 wieder in die Position eines über das Grundstück frei verfügungsberechtigten Verkäufers gelangt und habe sich erst zeitlich danach für die Annahme des Angebotes der M entschieden, folgendes entgegenzuhalten:

Die Beschwerdeführerin übersieht dabei grundlegend, daß der um die Verwertung der Trafik bemühte Masseverwalter (wie aus seinem an einen Gläubiger gerichteten Schreiben vom 10. Februar 1992 eindeutig hervorgeht) einerseits kein wirtschaftlich besseres Angebot als das der Beschwerdeführerin und ihres Gatten vorliegen hatte und andererseits in seiner Auswahl auf einen Personenkreis beschränkt war, der die Voraussetzungen für die Erlangung der Position eines Trafikanten hatte, welche Kriterien die Mutter der Beschwerdeführerin erfüllte, die überdies wegen der ihr zur Verfügung stehenden Kreditmöglichkeiten auch in der Lage war, ein inhaltlich gleiches Anbot wie die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte zu stellen. Dazu kommt, daß der Masseverwalter (wie sich aus seinem Bericht an das Konkursgericht vom 21. Mai 1992 ergibt) in Übereinstimmung mit den ersten beiden Käufern (nämlich der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten) angesichts des Scheiterns der Bemühungen, den Kauf im Wege eines erhofften günstigen Gewerbekredits zu finanzieren, bereits am 21. Mai 1992 im Zuge der Aufhebung des mit der Beschwerdeführerin und ihrem Gatten geschlossenen Kaufvertrages vom 26. Februar 1992 entschlossen war, einen neuen Kaufvertrag mit der Mutter der Beschwerdeführerin abzuschließen, die sowohl über die erforderliche Bestellung durch die Austria Tabakwerke AG verfügte als auch in der Lage war, den für die Finanzierung des Kaufes erforderlichen günstigen Gewerbekredit zu erlangen.

Von der Wiedererlangung einer freien Verfügungsmacht durch die Vereinbarung über die Aufhebung des ersten Kaufvertrages, um deren Genehmigung der Masseverwalter in seinem Bericht an das Konkursgericht vom 21. Mai 1992 ansuchte, kann angesichts des Umstandes, daß die Aufhebung des Vertrages mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten lediglich zu dem Zweck erfolgte, um das Grundstück postwendend zu denselben Konditionen an die Mutter der Beschwerdeführerin zu verkaufen, nicht ernsthaft gesprochen werden. In diesem Zusammenhang kam es der Beschwerdeführerin (und ihrem Ehegatten), wie schließlich der Kaufvertrag vom 10. Dezember 1993 erweist, nur darauf an, sich einerseits die Liegenschaft zu sichern und andererseits durch die vorübergehende Zwischenschaltung der M zusätzlich eine entsprechend günstige Kreditfinanzierung zu erlangen.

Die belangte Behörde hat demnach ihren Bescheid im Ergebnis ohne die ihr von der Beschwerdeführerin vorgeworfene "Überstrapazierung" des § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG nicht mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Was die behaupteten Verfahrensmängel anlangt, ist die Beschwerdeführerin einerseits darauf hinzuweisen, daß mit Rücksicht auf die oben erwähnten Schreiben des Masseverwalters vom 10. Februar und 21. Mai 1992 weitere Ermittlungen der belangten Behörde entbehrlich waren und daß insbesondere mit Rücksicht auf den Vorhalt vom 27. Mai 1993 auch von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin keine Rede sein kann.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994160139.X00

Im RIS seit

22.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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