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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags nach Versäumung eines Mängelbehebungsauftrags; Bescheinigung über das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen auf Grund der Häufung von Unwahrscheinlichkeiten nicht gelungenSpruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit einer (zunächst) zu B122/91 protokollierten, durch Rechtsanwalt Dr. R G eingebrachten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde bekämpfte die antragstellende Gesellschaft den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. November 1990, Zl. 312.163/3-III/5/89.
Mit Schreiben vom 31. Jänner 1991 wurde die antragstellende Gesellschaft unter Hinweis auf die gemäß §19 Abs3 VerfGG 1953 eintretenden Säumnisfolgen aufgefordert, innerhalb von vier Wochen einen Handelsregisterauszug (Auszug aus dem Firmenbuch) als Nachweis der Vertretungsbefugnis jener Person vorzulegen, die für die Gesellschaft dem Rechtsanwalt die Vollmacht erteilt hat.
Dieses Schreiben wurde dem Rechtsanwalt der antragstellenden Gesellschaft am 5. Februar 1991 zugestellt.
Da innerhalb der gesetzten Frist der geforderte Nachweis nicht vorgelegt wurde, wurde die Beschwerde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1991, Zl. 122/91-4, wegen nichtbehobenen Mangels formeller Erfordernisse zurückgewiesen. Dieser Beschluß wurde dem Rechtsanwalt der antragstellenden Gesellschaft am 19. Juli 1991 zugestellt.
2. Mit einem am 1. August 1991 zur Post gegebenen und am folgenden Tag beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragte der Rechtsanwalt namens der antragstellenden Gesellschaft die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Er führt dazu unter anderem folgendes aus:
"Die Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1991 wurde der RAK Dr. G am 5. Feber 1991 zugestellt.
In der RAK Dr. G ist seit 1. Juli 1988 Herr Dr. W H als Rechtsanwaltsanwärter beschäftigt. Er hat bis dato keinerlei Frist oder Termin versäumt und ist 100 %ig zuverlässig.
Nachdem das Handelsgericht Wien - Firmenbuch - bekanntlicherweise, auch bedingt durch die Umstellung, Rückstände hat, hat RA Dr. G RAA Dr. H am 12.2.1991 beauftragt, einen beglaubigten Handelsregisterauszug der Beschwerdeführerin direkt im Firmenbuch beizuschaffen und im kurzen Wege mit bereits vorbereitetem Vorlageschriftsatz an den Verfassungsgerichtshof recommandiert postalisch zu übersenden. Der Vorlageschriftsatz wurde bereits vorweg seitens RA Dr. G unterfertigt.
RAA Dr. H hat am selben Tag im Zuge auch anderwärtiger Kommissionen dies erledigt, den Vorlageschriftsatz samt beglaubigten Handelsregisterauszug vom 12.2.1991 in das vorbereitete an den Verfassungsgerichtshof adressierte Kuvert einkuvertiert und postalisch direkt abgefertigt (Postkasten der Post).
Von der Erledigung, das heißt von der Beischaffung des beglaubigten Handelsregisterauszuges und von der direkten postalischen Absendung desselben hat RAA Dr. H RA Dr. G Mitteilung gemacht, worauf veranlaßt wurde, daß der 'letzte Tag' im Fristenbuch der Kanzlei gestrichen wurde.
Entgegen dem ausdrücklichen Auftrag hat jedoch RAA Dr. H die Eingabe nicht recommandiert, sondern lediglich im normalen Postweg abgefertigt. Dieser Umstand stellte sich bei nunmehriger Kontrolle des Aktes nach Einlangen des Beschlusses am 19.7.1991 heraus. Abgesehen davon, daß RAA Dr. H bislang 100 %ig zuverlässig war und nach Auffasung RA Dr. G auch ist, liegt kein Aufsichtsverschulden RA Dr. G vor, da die Tätigkeit von RAA Dr. H als eher mechanische Vorgänge des Kuvertierens zu qualifizieren sind (vergleiche B 18.11.1983, 83/02/0220, B 29.1.1980, 2527/79, B 29.5.1985, 83/11/0265 u.a.).
Es besteht lediglich die theoretische Möglichkeit, daß der Handelsregisterauszug samt Kurzbegleitbrief entweder auf dem Postweg verloren ging oder in der Einlaufstelle des hohen Verfassungsgerichtshofes unrichtig zugeteilt wurde bzw. dortselbst abhanden ging.
Egal wie, feststeht, daß eine beglaubigte Abschrift aus dem Handelsregister betreffend die Beschwerdeführerin normal postalisch abgefertigt wurde. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin liegt weder ein Verschulden noch ein minderer Grad des Versehens vor, da Abfertigungen auf dem normalen Postweg als usuell anzusehen sind und die Zustellvermutung vorliegt, wonach der Schriftsatz zumindest spätestens drei Tage nach Abfertigung beim hohen Verfassungsgerichtshof vorliegt.
.....
RA Dr. G erteilte Dr. H deshalb den Auftrag die Angelegenheit sofort zu erledigen und direkt postalisch recommandiert abzufertigen, da er seinen Schreibtisch 'rein' haben wollte, zudem ein einwöchiger Urlaubsantritt bevorstand.
Die RAK Dr. G erhielt erstmalig vom Umstand, daß der Handelsregisterauszug nicht im Akt des Verfassungsgerichtshofes vorliegt Kenntnis durch den Zurückweisungsbeschluß, eingelangt am 19. Juli 1991."
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthält auch eine "eidesstättige Erklärung" des Rechtsanwaltsanwärters Dr. H, in der er die Richtigkeit der Sachverhaltswiedergabe bestätigt.
Mit dem Antrag wurde eine (vom Handelsgericht Wien mit Datum 25. Juli 1991 beglaubigte) Abschrift aus dem Firmenbuch sowie die Ablichtung eines mit 12. Februar 1991 datierten Schriftsatzes eingereicht, mit dem angeblich bereits seinerzeit ein Firmenbuchauszug fristgerecht vorgelegt wurde.
3.a) Auf dieser Ablichtung war rechts oben der Vermerk "B122/91-4" angebracht. Die OZ 4 des Aktes B122/91 betrifft den am 19. Juli 1991 zugestellten Zurückweisungsbeschluß vom 10. Juni 1991 (s.o. I.1.).
Im Hinblick darauf, daß in der Rechtsanwaltskanzlei Dris. G dieser Beschluß unmöglich bereits am 12. Februar 1991 bekannt gewesen sein konnte und daher angenommen werden mußte, daß der dem Verfassungsgerichtshof zur Bescheinigung des Vorliegens von Wiedereinsetzungsgründen in Ablichtung vorgelegte Schriftsatz nicht - wie vorgegeben - am 12. Februar 1991, sondern erst nach dem 19. Juli 1991 angefertigt wurde, lag für den Verfassungsgerichtshof der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung (§293 Abs2 StGB) nahe.
Dieser Sachverhalt wurde daher mit Schreiben vom 16. Oktober 1991 - nach Beratung im Plenum - vom Referenten in Befolgung des §84 StPO der Staatsanwaltschaft Wien zur Kenntnis gebracht. Außerdem wurde der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom Sachverhalt informiert.
b) Rechtsanwalt Dr. G legte namens der beschwerdeführenden Gesellschaft hiezu dem Verfassungsgerichtshof eine mit 14. November 1991 datierte "Sachverhaltsdarstellung" vor, in der ausgeführt wird:
". . .
Zur Frage, warum auf der Vorlage vom 12.2.1991 der RAK Dr. G ONr. 4 aufscheint:
Im Handakt des Beschwerdeführervertreters lag eine Fotokopie der Vorlage vom 12.2.1991, wobei jedoch der Oberteil der Seite 1 undeutlich, das heißt, nahezu schwarz war. Eine solche Fotokopie entsteht - und dies kann man wohl als Allgemeinwissen voraussetzen - wenn man den Deckel eines Fotokopierapparates nicht schließt und in der Arbeitseile das zu fotokopierende Material nicht auf die Platte drückt bzw. dasselbe bereits während des Fotokopiervorganges wegzieht, sodaß zwischen Platte und Original ein Zwischenraum entsteht. Das Sekretariat war offensichtlich in Eile, als die Fotokopie für den Handakt hergestellt wurde.
Nicht auszuschließen ist weiters, daß die Undeutlichkeit zufolge eines technischen Gebrechens oder eines Zustandes knapp vor einem Service entstand.
Für den Handakt des Beschwerdeführervertreters selbst, ist - abgesehen von einem Schönheitsfehler - bei dieser einfachen Eingabe entscheidend lediglich die erfolgte 'Vorlage'. Irrelevant ist, ob das Schriftstück deutlichst zu lesen ist oder auf gut deutsch 'ein schwarzes Papierl im Raum der Geschäftszahl' darstellt, dies für den Handakt.
Nicht so ist es bei einer Urkundenvorlage. Der hohe Verfassungsgerichtshof würde sich schön bedanken, wenn er 'ein schwarzes kaum leserliches Schriftstück' vorgelegt erhält, er würde hier mit einem Verbesserungsauftrag reagieren.
Um dies vorweg abzuschneiden hat RA Dr. G der Kanzlei den Auftrag erteilt, von der großteils undeutlichen Seite 1 der Eingabe vom 12.2.1991 ein Duplikat herzustellen, wobei das Duplikat wortgetreu hergestellt wurde, das Sekretariat jedoch offensichtlich zufolge Unleserlichkeit der Geschäftszahl auf der schwarzen undeutlichen Kopie des Handaktes irrtümlicherweise die Geschäftszahl des Zurückweisungsbeschlusses, nämlich ON 4, auf dem Duplikat herstellte. Eine diesbezügliche Kontrolle durch einen Rechtsanwalt ist sicherlich nicht erforderlich, dies fällt wohl eindeutig alleine in die Ingerenz der Kanzlei und muß sich ein Rechtsanwalt auf Durchführung solcher Arbeiten alleine durch die Kanzlei verlassen können.
Dem Anwalt ist hier sowohl subjektiv als auch objektiv kein Verschulden zuzuordnen.
. . ."
Rechtsanwalt Dr. G bestätigte diesen Sachverhalt "durch Unterfertigung an Eides statt".
c) Die Staatsanwaltschaft Wien nahm die unter lita erwähnte Mitteilung des Verfassungsgerichtshofes zum Anlaß, das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich - Kriminalabteilung mit der Durchführung von Erhebungen zu beauftragen. Dieses fertigte am 22. April 1992 Niederschriften mit Rechtsanwalt Dr. R G, seinen Kanzleiangestellten M C und M P sowie mit Rechtsanwaltsanwärter Dr. W H an. Die befragten Personen schilderten im wesentlichen den Sachverhalt so, wie er in der Eingabe vom 14. November 1991 (s. die vorstehende litb) dargestellt wird. In der an den vom Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich bestellten Untersuchungskommissär gerichteten Äußerung vom 4. Dezember 1991 teilte Rchtsanwalt Dr. G mit, daß die - behaupteterweise - mißlungene, zunächst in den Handakt der Rechtsanwaltskanzlei abgelegte Fotokopie des Vorlageschriftsatzes vom 12. Feber 1992 durch ein leserliches Duplikat ersetzt worden sei.
Die Staatsanwaltschaft Wien teilte dem Verfassungsgerichtshof mit Schreiben vom 5. Mai 1992 zu Zl. 34 St 97014/91 mit, daß sie "die Anzeige gegen die Rechtsanwälte Dr. R G und Dr. F W sowie den Rechtsanwaltsanwärter Dr. W H", alle wegen Verdachtes des Vergehens nach §293 Abs2 StGB (Fälschung eines Beweismittels), gemäß §90 Abs1 StPO zurückgelegt habe.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:
1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG in §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden.
Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.
2. Vorerst ist zu klären, ob es der antragstellenden Gesellschaft gelungen ist, glaubhaft zu machen, daß ein mit 12. Feber 1991 datierter Vorlageschriftsatz samt beglaubigtem Firmenbuchauszug am selben Tag durch Einwurf in einen Briefkasten der Post zur Beförderung an den Verfassungsgerichtshof übergeben wurde.
Der Verfassungsgerichtshof kommt aufgrund folgender Überlegungen zu einem für die Einschreiterin negativen Ergebnis:
Die Vorgänge, wie sie in den eingebrachten Schriftsätzen geschildert werden, sind schon jeweils einzeln, im besonderen aber in ihrer Gesamtheit, nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich. Das Zutreffen jeder einzelnen Behauptung ist nahezu unkontrollierbar. Auch nach dem Parteienvorbringen folgte ein Fehler dem anderen; der einschreitende Rechtsanwalt hätte daher zumindest unter diesen Umständen bei den weiteren Schritten besondere Vorsicht walten lassen und für ihre Nachweisbarkeit Sorge tragen müssen.
Der Umstand, daß die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat, zwingt den Verfassungsgerichtshof nicht, dem Parteienvorbringen zu folgen: Die Staatsanwaltschaft hat nämlich den Grundsatz zu beachten, daß das strafbare Verhalten zweifelsfrei nachzuweisen sein wird, während im Wiedereinsetzungsverfahren für den Verfassungsgerichtshof gilt, daß es dem Wiedereinsetzungswerber obliegt, das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen glaubhaft zu machen. Diese Bescheinigung ist der antragstellenden Gesellschaft nach dem Gesagten nicht gelungen.
Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen, ohne daß untersucht zu werden brauchte, ob er einen tauglichen Gegenstand für ein Wiedereinsetzungsverfahren bildet, ob er auch gerechtfertigt ist und ob er rechtzeitig erhoben wurde.
3. Dies konnte gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B883.1991Dokumentnummer
JFT_10078994_91B00883_2_00