TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/26 94/06/0205

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Veröffentlicht am 26.01.1995
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
ROG Tir 1984 §12 Abs1;
ROG Tir 1994 §38 Abs1 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der T in A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. August 1994, Zl. Ve1-550-2207/1-1, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 10. November 1993 suchte die Beschwerdeführerin um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Änderung des Verwendungszweckes für einen Teil der auf der Gp. 501/47 KG A bestehenden baulichen Anlagen (Doppelgarage mit Abstellraum) an. Das Grundstück liegt nach dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde im Wohngebiet (§ 12 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. Nr. 4/1984, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 76/1990, bzw. § 38 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993). Sie beabsichtigte, den Abstellraum der bestehenden baulichen Anlage in einen Kleintierstall für sechs Ziegen umzuwandeln bzw. umzubauen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Jänner 1994 wurde dieser Antrag ohne Durchführung einer Bauverhandlung abgewiesen, da das Vorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche (§ 31 Abs. 3 Tiroler Bauordnung). Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Mai 1994 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 4. August 1994 wies die Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) die von der Beschwerdeführerin gegen den genannten Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß gemäß § 38 Abs. 1

lit. c Tir ROG 1994, LGBl. Nr. 81/1993, im Wohngebiet neben den nach lit. a und lit. b zulässigen Gebäuden nur Gebäude für Betriebe und Einrichtungen errichtet werden dürften, die der täglichen Versorgung oder der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes dienen, und von denen typischerweise weder eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit noch eine unzumutbare Belästigung der Bevölkerung, insbesondere durch Lärm, Luftverunreinigung, Geruch oder Erschütterungen, ausgeht und die typischerweise auch keine unzumutbare Verkehrsbelastung bewirken. Da die beantragte Haltung von sechs Ziegen weder der täglichen Versorgung noch der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Z Bevölkerung diene, sei sie im Wohngebiet nicht zulässig. Da alle Aspekte des Wohnens letztlich in irgendeiner Weise kulturellen Bedürfnissen dienten, sei der Begriff des kulturellen Bedürfnisses enger auszulegen und darunter etwa Einrichtungen im eigentlichen Sinn wie beispielsweise Theater, Kinos und Vortragsräume zu verstehen. Der Einwand der Beschwerdeführerin, Ziegenhaltung sei in der mitbeteiligten Gemeinde ortsüblich und stelle ein kulturelles Bedürfnis dar, gehe daher in Leere. Die Frage, ob durch die Ziegenhaltung typischerweise eine unzumutbare Belästigung der Bevölkerung entstehe, sei daher nicht zu prüfen.

Da gemäß § 31 Abs. 3 der Tir BauO 1989 ein Bauansuchen ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen sei, wenn sich bereits aus dem Bauansuchen ergebe, daß das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspricht, sei die Abweisung ohne Durchführung einer Bauverhandlung zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist darauf hinzuweien, daß der Verwaltungsgerichtshof auch angesichts des § 109 Abs. 1 Tir ROG 1994 davon ausgeht, daß Widmungsbezeichnungen in Flächenwidmungsplänen jener Inhalt zu unterstellen ist, der ihm nach jenen gesetzlichen Bestimmungen zukam, die im Zeitpunkt des Inkraftretens des jeweiligen Flächenwidmungsplanes in Geltung standen (vgl. die zum Tiroler Raumordnungsgesetz ergangenen Erkenntnisse vom 23. April 1987, Zl. 86/06/0081, vom 9. April 1992, Zl. 91/06/0197, vom 17. Februar 1994, Zl. 93/06/0208, vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0140 und vom 11. August 1994, Zl. 94/06/0127).

Es kann daher in dem im November 1993 eingeleiteten Verfahren ohne nähere Feststellung, wann der Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde beschlossen wurde, nicht davon ausgegangen werden, daß im Beschwerdefall § 38 Tir ROG 1994 zur Anwendung kommt, wie dies im angefochtenen Bescheid festgestellt wird.

Im Hinblick auf die für "Wohngebiete" gemäß § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 jedoch nahezu unveränderte Rechtslage (nach § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994 ist zusätzlich die Berücksichtigung einer allenfalls hervorgerufenen Verkehrsbelastung erforderlich, im übrigen blieb die Rechtslage unverändert) bedeutet die Anwendung des § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994 an Stelle des § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 für sich allein noch keine inhaltliche Rechtswidrigkeit. Da, wie in der Folge zu zeigen ist, das beantragte Projekt sowohl nach § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 als auch nach § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994 nicht bewilligungsfähig ist, ist im Beschwerdefall das Datum der Beschlußfassung über den Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

2. § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984, LGBl. Nr. 4/1984, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 76/1990 lautet:

§ 12

Wohngebiete

(1) Wohngebiete sind jene Grundflächen, auf denen nur Wohnbauten mit den dazugehörigen Nebenanlagen errichtet werden dürfen. Darüber hinaus ist die Errichtung von Bauten für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung sowie den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienen, zulässig, wenn durch die Benützung dieser Bauten keine unzumutbare Lärm-, Rauch-, Staub- oder Geruchsbelästigung sowie keine Gefahr für Leben und Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten ist.

§ 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994, LGBl. Nr. 81/1993, lautet:

"§ 38

Wohngebiet

(1) Im Wohngebiet dürfen errichtet werden:

a)

...

b)

...

c)

Gebäude für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung oder der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes dienen, von denen typischerweise weder eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit noch eine unzumutbare Belästigung der Bevölkerung, insbesondere durch Lärm, Luftverunreinigungen, Geruch oder Erschütterungen, ausgeht und die typischerweise auch keine unzumutbare Verkehrsbelastung bewirken."

              3.              In der Beschwerde wird zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im wesentlichen ausgeführt, daß es zwar zutreffend sei, daß gemäß § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994 auf die kulturellen Bedürfnisse der "Bevölkerung" abgestellt werde und es daher nicht auf den konkreten Bedarf eines einzelnen Bewohners ankomme. Aus dem Umstand, daß es in der mitbeteiligten Gemeinde und deren Umgebung zahlreiche andere Personen gäbe, welche ebenfalls Ziegen im Wohngebiet hielten, wird jedoch versucht abzuleiten, daß die Ziegenhaltung zum kulturellen Bedürfnis der Bevölkerung gehöre. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, daß ein bestimmter Prozentsatz der Einwohner der mitbeteiligten Gemeinde und deren Umgebung regelmäßig Ziegenmilch konsumierten.

Dieses Vorbringen ist weder geeignet, daß Vorliegen eines Betriebes oder einer Einrichtung, der bzw. die "der täglichen Versorgung" dient, noch eines Betriebes oder einer Einrichtung, der bzw. die den "kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung" dient, - im Sinne des § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 oder des § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994 - nachzuweisen.

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, Zl. 91/06/0172, zu der vergleichbaren Rechtslage nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 127/1974, ausgeführt hat, daß die Absicht, durch die Haltung von Hühnern und Schafen eine teilweise Selbstversorgung an Eiern, Milch und Fleisch aus entsprechend gesunder Tierhaltung zu erreichen, nicht die Zulässigkeit der Errichtung eines Hühnerstalles bzw. eines Schafstalles im allgemeinen Wohngebiet nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz, in welchem auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen, zulässig sind, begründe. Die beantragten Ställe dienten nicht den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen oder kulturellen Bedürfnissen DER BEWOHNER DES WOHNGEBIETES. Zu § 12 Tir ROG 1984 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Jänner 1989, Zl. 88/06/0231, ausgesprochen, daß die Errichtung eines Stallgebäudes im Wohngebiet vom Gesetzgeber nicht gewollt und daher auch nicht als zulässig erklärt wurde. Aus dem Umstand, daß im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde die Ziegenhaltung üblich ist, kann somit für die Frage der Zulässigkeit der beantragten Verwendung im Lichte des § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 (oder § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994) nichts gewonnen werden. Zu der Argumentation, daß der Umstand der Verbreitung der Ziegenhaltung im Zillertal das kulturelle Bedürfnis an der Ziegenhaltung belege, ist nämlich zu bemerken, daß § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 bzw. § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994 - wie auch die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat - nicht dahingehend zu verstehen ist, daß die beantragte Verwendung zur Deckung eines kulturellen Bedürfnisses des Antragstellers erforderlich wäre, sondern daß im Wohngebiet allenfalls BETRIEBE zulässig sind, die der Deckung kultureller BEDÜRFNISSE DER WOHNBEVÖLKERUNG, also auch ANDERER PERSONEN ALS DES ANTRAGSTELLERS, dienen (auch das Tir ROG 1994 bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber unter Betrieben, die der täglichen Versorgung dienen, etwa auch Betriebe der landwirtschaftlichen Produktion verstanden wissen wollte). Da § 38 Abs. 1 lit. c Tir ROG 1994 insofern gegenüber § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 unverändert geblieben ist, hat sich durch die Neufassung des Gesetzes im Jahre 1993 insoferne keine Änderung der Rechtslage ergeben).

              4.              Es geht aber auch das Vorbringen in der Beschwerde ins Leere, daß § 31 Abs. 3 der Tir BauO nicht anzuwenden gewesen wäre. Die Frage, wieviele Ziegen in der mitbeteiligten Gemeinde und deren Umgebung insgesamt gehalten werden und wieviele dieser Ziegen allenfalls im Wohngebiet gehalten werden, ist für die Feststellung, ob ein Widerspruch zur Flächenwidmung vorliegt, nicht erheblich und daher im vorliegenden Fall nicht entscheidungswesentlich. Aus dem Umstand, daß andere Grundstücke allenfalls bau- oder raumordnungswidrig verwendet werden, kann niemand ein Recht ableiten. Der mit diesen Ausführungen der Sache nach geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor (die belangte Behörde war nicht gehalten, diesbezügliche Sachverhaltsfeststellungen zu treffen oder den mit Vorstellung bekämpften Bescheid wegen einer Mangelhaftigkeit bezüglich des festgestellten Sachverhaltes aufzuheben). Die Behörden konnten vielmehr zulässigerweise von einem Widerspruch der beantragten Verwendungsänderung mit dem Flächenwidmungsplan ausgehen, sodaß § 31 Abs. 3 Tir BauO zutreffend angewendet wurde.

              5.              Da nach dem Vorgesagten schon die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 bzw. § 38 Abs. 1 lit. c erster Halbsatz Tir ROG 1994 nicht vorliegen, war die Frage der Gefährdung von Leben und Gesundheit nach § 12 Abs. 1 Tir ROG 1984 bzw. § 38 Abs. 1 lit. c zweiter Halbsatz Tir ROG 1994 (oder die nach letzterer Bestimmung zu berücksichtigende Verkehrsbelastung) nicht zu prüfen. Die entsprechenden Ausführungen in der Beschwerde sind daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde - auch ohne Feststellung des Umstandes, wann der im Beschwerdefall maßgebliche Flächenwidmungsplan erlassen wurde - erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994060205.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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