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32/06 Verkehrsteuern;Norm
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):93/16/0016Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde
1. des KH und 2. der JH, beide in B, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Juli 1992, Zlen. GA 11-1016/3/91 und GA 11-346/6/92, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 6. Oktober 1982 erwarben die Beschwerdeführer das Grundstück Nr. 656/6, KG G, um den Kaufpreis von S 387.440,--. Für diesen Erwerbsvorgang wurde Grunderwerbsteuerbefreiung wegen Arbeiterwohnstättenbaues (§ 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955) beantragt. Mit Schreiben vom 13. November 1990, also nach Ablauf der 8-Jahresfrist des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 richtete das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgenden: Finanzamt) eine Anfrage an die Beschwerdeführer; die Beschwerdeführer antworteten, daß das Haus vollendet sei und die Wohnnutzfläche 129,7 m2 betrage. Sie legten eine Ablichtung der Benützungsbewilligung vom 19. Juni 1990 vor, mit welcher vorgelegte Auswechslungspläne nachträglich baubehördlich genehmigt worden waren. Während im ursprünglichen Einreichplan, der der Baubewilligung vom 9. Dezember 1982 zugrundelag, im Dachgeschoß nur ein Zimmer mit 12,94 m2 und ein Vorraum mit 6,53 m2 Größe vorgesehen war, wies der vom 1. Juli 1990 stammende Austauschplan (als "Bestandsplan" bezeichnet), der der Benützungsbewilligung zugrundegelgt wurde, im Dachgeschoß ein 14,7 m2 großes Zimmer an einer anderen Stelle, einen 9,34 m2 großen Vorraum, ein WC (1,17 m2) und ein Bad (3,9 m2), somit für das Dachgeschoß 29,11 m2 Nutzfläche aus.
Am 23. Jänner 1991 führte das Finanzamt einen Lokalaugenschein durch, wobei vom Bestandsplan ausgegangen wurde. Darüber hinaus wurde in einer Beschreibung des Obergeschosses ein Vorraum mit "ca. 1,5 m" und ein Zimmer mit "ca. 8 m" angeführt, somit eine Summe von 38,61 m2 ermittelt.
Im Protokoll heißt es weiter wörtlich: "Außerdem wurde noch mit dem Ausbau eines weiteren Raumes im Dachgeschoß begonnen. Es wurde somit die zulässige Gesamtwohnnutzfläche im Ausmaß von 130 m2 für die Gewährung der Befreiung von der Grunderwerbsteuer erheblich überschritten".
Mit Bescheiden je vom 26. Februar 1991 setzte das Finanzamt für den Kaufvertrag vom 6. Oktober 1982 gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG 1955 die Grunderwerbsteuer fest, weil das zulässige Nutzflächenausmaß von 130 m2 überschritten worden sei.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufung und legten die genehmigten Bestandspläne unter Hinweis auf das sich daraus ergebende Flächenausmaß von 129,7 m2 vor. Unerheblich sei, daß am 23. Jänner 1991 festgestellt worden sei, es sei mit dem Ausbau eines zusätzlichen Raumes begonnen worden.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt zunächst aus, daß laut Bestandsplan die Nutzfläche im Erdgeschoß 100,59 m2 und im Dachgeschoß 29,11 m2 betrage. Erhebungen hätten aber ergeben, daß noch ein weiters Zimmer und ein kleiner Vorraum errichtet worden seien. Auch wenn die vorbezeichneten Räumlichkeiten ein geringeres Ausmaß als die geschätzten 8 bzw. 1,5 m2 aufweisen und selbst wenn man die Fläche des Zimmers, mit dessen Ausbau erst begonnen wurde nicht zur Wohnnutzfläche hinzurechnet, sei die höchstzulässige Wohnnutzfläche überschritten.
In Vorlageantrag beriefen sich die Beschwerdeführer darauf, daß das Nutzflächenausmaß im Obergeschoß, wie in der Berufungsvorentscheidung angeführt 29,11 m2, und nicht, wie in der Niederschrift vom 23. Jänner 1991 enthalten, 38,61 m2 betrage.
Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge. Sie stellte ausdrücklich fest, daß die Wohnnutzfläche im Erdgeschoß 100,59 m2 und laut Bestandsplan im Dachgeschoß 29,11 m2 betrage; unter Berücksichtigung eines zweiten jedenfalls geplanten Zimmers mit dem geschätzten Ausmaß von 8 m2 ergebe sich eine Gesamtfläche von 137,70 m2. Unter Berücksichtigung dieses zweiten Wohnraumes im Dachgeschoß, welcher jedenfalls innerhalb der 8-Jahresfrist geplant und mit dessen Ausbau auch zumindest innerhalb dieser Frist begonnen wurde, werde das die Abgabenbefreiung begünstigende Höchstausmaß an Wohnnutzfläche von 130 m2 überschritten. Damit hätten die Grundstückserwerber den begünstigten Zweck schon vor Fristablauf aufgegeben, wodurch die Steuerschuld gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG entstanden sei.
Mit den vorliegenden, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und von diesem abgelehnten Beschwerden erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Grunderwerbsteuerbefreiung verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschriften der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die Beschwerden erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Da der eingangs beschriebene Erwerbsvorgang vor dem 1. Juli 1987 verwirklicht wurde, kommen im Beschwerdefall die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 i.d.F. des Art. I des Abschnittes VIII des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557 (im folgenden: GrEStG), zur Anwendung.
Gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen, und zwar gemäß Z. 1 ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
Nach der Anordnung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Nach ständiger hg. Rechtsprechung durfte bei einer Arbeiterwohnstätte die Nutzfläche 130 m2 nicht übersteigen (vgl. dazu die bei Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuer Band II, zweiter Teil, Grunderwerbsteuer, zu § 4 Abs. 1 Z. 2 GrEStG 1955, Ergänzung H8/1H Abs. 2 referierte hg. Judikatur). Gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG kommt es aber zur Nachversteuerung, wenn (erster Satz) das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb von 8 Jahren zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist oder (zweiter Satz) wenn der begünstigte Zweck innerhalb von 8 Jahren aufgegeben wird.
Aufgrund des vorgelegten Bestandsplanes vom 1. Juni 1990, auf den sowohl die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, als auch die Baubehörde in ihrer Benützungsbewilligung Bezug nehmen, steht fest, daß der begünstigte Zweck durch Schaffung einer Wohnung mit 129,7 m2 Nutzfläche erfüllt wurde. Als Grund für die vorgenommene Nachbesteuerung zog die belangte Behörde allein das Zimmer mit einem geschätzten Ausmaß von 8 m2 heran, welches "jedenfalls geplant" war und mit dessen Ausbau auch zumindest innerhalb der Frist begonnen worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21. Februar 1985, Zl. 83/16/0049, ausgesprochen, daß für die Frage, ob ein Dachbodenraum bei der Berechnung der Nutzfläche der Wohnung zu berücksichtigen ist, allein entscheidend ist, ob dieser Raum kraft seiner Ausstattung zu Wohnzwecken geeignet ist, nicht aber, ob dieser Raum durch entsprechenden Ausbau zu Wohnzwecken geeignet gemacht werden kann; entscheidend ist also allein die tatsächliche Ausstattung dieses Raumes. Daß am 6. Oktober 1990 ein dermaßen ausgestatteter Raum im Dachgeschoß bestanden hätte, kann den Feststellungen des angefochtenem Bescheides aber nicht entnommen werden. Die Qualifizierung "jedenfalls geplant" enthält nicht die Tatsachenfeststellung, daß an diesem Tag ein zusätzliches 8 m2 Zimmer geschaffen gewesen sei, welches kraft seiner Ausstattung für Wohnzwecke geeignet wäre.
Die allenfalls vor Ablauf der 8 - Jahresfrist manifestierte Absicht, nach Ablauf den bereits erfüllten begünstigten Zweck (durch Vergrößerung) aufzugeben, kann aber keine Rolle mehr im Hinblick auf die Befreiung spielen. Der Rechtsprechung, wonach durch bauliche Veränderungen nach Erfüllgung des begünstigten Zweckes, jedoch vor Ablauf der 8 Jahre die Steuerfreiheit wieder beseitigt wird (siehe die Beispiele bei Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz II, Lieferung Juli 1987, RZ 155 zu § 4) lagen stets Fälle TATSÄCHLICHER Baumaßnahmen (typisches Beispiel: Zusammenlegung zweier kleinerer Wohnungen) zugrunde. Auch im Beschwerdefall kann es keine Rolle spielen, ob die Beschwerdeführer allenfalls schon vor Fristablauf den weiteren Ausbau vorgehabt haben; nur tatsächliche Baumaßnahmen, mit denen schon begonnen wurde, führten zur Aufhebung des begünstigten Zwecks und damit zur Nachversteuerung.
Die Behörde stützt sich bei ihrer Feststellung, mit dem Ausbau sei (vor Fristablauf) zumindest begonnen worden, nur auf Vermutungen: "Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens kann davon ausgegangen werden, daß die Schaffung eines Wohnraumes nicht innerhalb von dreieinhalb Monaten erfolgen kann. Insbesondere die Planung des zweiten Zimmers, aber auch ein eventuelles Bauansuchen, die Bestellung von Professionisten, der Beginn der Baudurchführung muß daher schon vor dem 6. Oktober 1990 erfolgt sein". Mit derartigen Vermutungen und Folgerungen kam die Behörde aber ihrer Verpflichtung, im Sinne des § 115 BAO die tatsächlichen Verhältnisse am 6. Oktober 1990 zu erforschen, keineswegs nach. Durch diese nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung hat die Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.
Somit waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Beschwerdeführer haben ausdrücklich nur Aufwandersatz im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG begehrt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993160015.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
14.02.2010