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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über den Antrag des A in L, vertreten durch Dr. G (u.a.), Rechtsanwälte in I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Tir LReg vom 25. August 1993, Zl. Ve1-550-1933/9, betr Erteilung einer Baubewilligung (mP: 1. Albin E sen in L, 2. Stadtgemeinde Lienz, vertreten durch den Bürgermeister), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des gegenständlichen Verfahrens wird auf das Erkenntnis und den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes je vom 17. Feber 1994, Zlen. 94/06/0004 und 94/06/0005 verwiesen, denen der nähere Sachverhalt zu entnehmen ist. Hieraus ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer Nachbar der erstmitbeteiligten Partei ist und in getrennten, inhaltlich aber gleichlautenden (zu VH 93/06/0011 und VH 93/06/0012 protokollierten) Eingaben die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung von Beschwerden gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung je vom 25. August 1993, Zlen. Ve1-550-1933/9 und Ve1-550-1933/8 beantragt hatte. Diese (zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen) Anträge wurden mit Beschluß des damaligen Berichters vom 14. Oktober 1993, der am 25. Oktober 1993 zugestellt wurde, abgewiesen. Die Ausfertigung des Beschlusses erfolgte unter Verwendung eines gespeicherten Formblattes mittels elektronischer Datenverarbeitung, wobei bei der Ausfertigung übersehen wurde, daß in dieses Formular nur EIN Bescheid der belangten Behörde eingelesen werden kann, sodaß aus dem Beschluß - abgesehen von der gemeinsamen Geschäftszahl - nicht ersichtlich war, daß damit entsprechend der Berichterverfügung BEIDE Anträge abgewiesen wurden (im Kopf der - verstümmelten - Ausfertigung des Beschlusses scheint nur der Bescheid mit der Zl. Ve1-550-1933/9, nicht aber auch der zweite Bescheid auf). Mit Beschluß des Berichters vom 23. November 1993 (zugestellt am 25. November 1993) wurde diese Abweichung der Ausfertigung vom gefaßten Beschluß gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 62 Abs. 1 VwGG berichtigt.
Hierauf erhob der Antragsteller mit den (gesonderten), jeweils am 5. Jänner 1994 zur Post gegebenen, anwaltlich verfaßten Schriftsätzen Beschwerde gegen die genannten Bescheide der Tiroler Landesregierung, Zl. Ve1-550-1933/8 (Beschwerde Zl. 94/06/0004) und Ve1-550-1933/9 (Beschwerde Zl. 94/06/0005). Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerden wurde jeweils ausgeführt, daß die sechswöchige Beschwerdefrist jeweils am 25. November 1993 als dem Tag der Zustellung des Beschlusses vom 23. November 1993, Zlen. VH 93/06/0011, 0012, mit dem der Antrag auf Verfahrenshilfe abgewiesen worden sei, zu laufen begonnen habe.
Mit dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1994, Zl. 94/06/0004, wurde die gegen den Bescheid Zl. Ve1-550-1933/8 erhobene Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde wurde im Erkenntnis ausgeführt, daß aus der dem Beschwerdeführer am 25. Oktober 1993 zugestellten Ausfertigung des abweislichen Beschlusses vom 14. Oktober 1993 infolge eines Ausfertigungsfehlers nicht erkennbar gewesen sei, daß sich der Beschluß auch auf den Antrag zur Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid bezogen habe, weshalb ein entsprechender Berichtigungsbeschluß ergangen sei. Die Beschwerdefrist habe daher erst mit der am 25. November 1993 erfolgten Zustellung dieses Berichtigungsbeschlusses zu laufen begonnen.
Mit dem weiters genannten Beschluß vom 17. Februar 1994, Zl. 94/06/0005 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid Zl. Ve1-550-1933/9 (wegen Verspätung) zurückgewiesen, weil die mit der Zustellung des abweislichen Beschlusses vom 14. Oktober 1993 neuerlich in Gang gesetzte Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 VwGG bereits am 25. Oktober 1993 zu laufen begonnen habe. Vom Berichtigungsbeschluß sei der Beschluß vom 14. Oktober 1993 hinsichtlich des Bescheides Zl. Ve1-550-1933/9 nicht berührt worden; die Beschwerdefrist habe daher mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses diesbezüglich nicht neu zu laufen begonnen. Dieser Zurückweisungsbeschluß vom 17. Februar 1994 wurde dem Beschwerdeführer (zu Handen seiner Vertreter) am 21. April 1994 zugestellt.
Mit dem verfahrensgegenständlichen, am 4. Mai 1994 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist hinsichtlich des Bescheides Zl. Ve1-550-1933/9. Er brachte vor, daß er gemeinsam mit seiner Vertrauensperson T die (in der Folge einschreitenden) Rechtsanwälte aufgesucht und sie mit der Erhebung von zwei Verwaltungsgerichtshofbeschwerden in beiden Bausachen beauftragt habe. Die Vertreter hätten, ausgehend vom 25. Oktober 1993 als dem Tag der Zustellung des den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses vom 14. Oktober 1993 den Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist hinsichtlich beider Bausachen in kanzleiinternen Termin- und Fristenkalender mit 6. Dezember 1993 vorgemerkt. Am 26. November habe T dem in der Kanzlei der vertretenden Rechtsanwälte tätigen Rechtsanwaltsanwärter Dr. F telefonisch mitgeteilt, daß der Antragsteller einen (neuerlichen) Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes zugestellt erhalten habe, mit welchem die seinerzeitige Verfahrenshilfeanträge für beide Verfahren abgelehnt worden seien. T habe des weiteren mitgeteilt, daß laut telefonischer Auskunft von HR des VwGH Dr. Müller (des szt. Berichters) die Beschwerdefrist in BEIDEN Bausachen der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses an den Antragsteller neu zu laufen begonnen habe. Er habe ferner angekündigt, den entsprechenden Berichtigungsbeschluß den Vertretern per Telefax zu übermitteln, was noch am selben Tag geschehen sei. Auf der den Vertretern übermittelte Telekopie des Berichtigungsbeschlusses habe sich auch ein von T verfaßter handschriftlicher Vermerk des Inhaltes befunden, daß laut telefonischer Auskunft des Verwaltungsgerichtshofes die Sechswochenfrist für beide Verfahren "jetzt" beginne. Sodann sei in Absprache zwischen dem genannten Rechtsanwaltsanwärter und den vertretenden Rechtsanwälten in den kanzleiinternen Termin- und Fristenkalender der zunächst auf 6. Dezember 1993 kalendierte Ablauftag der Beschwerdefristen in beiden Bausachen auf den 5. Jänner 1994 übertragen worden (die Sechswochenfrist hätte unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der 6. Jänner 1994 ein gesetzlicher Feiertag gewesen sei, erst am 7. Jänner 1994 geendet). An diesem Tag seien auch beide Beschwerden zur Post gegeben worden.
Der mit der Sache betraute Rechtsanwaltsanwärter sowie auch die vertretenden Rechtsanwälte hätten vorliegendenfalls insbesondere im Hinblick auf die Textierung des Berichtigungsbeschlusses wie auch auf die wiedergegebene Auskunft des Berichters bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt keinen Anlaß gehabt, an der Richtigkeit der in dieser Auskunft des Berichters zum Ausdruck kommenden Rechtsmeinung zu zweifeln (wird näher ausgeführt), sodaß weder den Wiedereinsetzungswerber selbst noch seinem Vertreter ein Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist treffe; allenfalls gehe ein allfälliges Verschulden nicht über den Umfang eines minderen Grad des Versehens hinaus.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu den Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers ein Bescheinigungsverfahren durch Einholung von Äußerungen des seinerzeitigen Berichters sowie durch Einvernahme (im Rechtshilfeweg) des T und des genannten Rechtsanwaltsanwärters durchgeführt und hat dem Antragsteller zu den Ergebnissen dieses Ermittlungsverfahrens Parteiengehör gewährt.
Aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:
Der genannte Rechtsanwaltsanwärter erhielt am 26. November 1993 einen Anruf des T (dessen sich der Antragsteller als Vertrauensperson bedient), wonach der Antragsteller "eine Verständigung des Verwaltungsgerichtshofes erhalten habe und die Verfahrenshilfe für beide Verfahren abgelehnt worden sei"; laut Auskunft des Verwaltungsgerichtshofes beginne die Beschwerdefrist in beiden Verfahren neu zu laufen. Über Ersuchen des Rechtsanwaltsanwärters übermittelte T der Kanzlei der vertretenden Rechtsanwälte per Telefax den Berichtigungsbeschluß vom 23. November 1993. Darauf befindet sich auch der von T angebrachte handschriftliche Vermerk "Auskunft telef. VWGH für BEIDE Verfahren beginne jetzt die 6-Wochen-Frist T.M.26.11.93" (T.M. sind Initialen des T). Aufgrund des Spruches des Berichtigungsbeschlusses sowie aufgrund der Begründung, worin es hieß, daß beide Verfahrenshilfeanträge zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, ging der Rechtsanwaltsanwärter davon aus, daß für beide Kausen die Beschwerdefrist neu zu laufen beginne und wurde in dieser Beurteilung durch die handschriftlichen Vermerke des T auf der Telekopie des Beschlusses bestärkt, die auch mit dessen Angaben im Zuge des Telefonates am 26. November 1993 vormittags übereinstimmten. Er nahm deshalb die Umkalendierung der Frist für die Einbringung beider Beschwerden vom 6. Dezember 1994 auf den 5. Jänner 1994 vor und erörterte diese Vorgangsweise sodann einem der vertretenden Rechtsanwälte (wird namentlich bezeichnet), der die Umkalendierung für richtig befand. Die Beschwerden wurden aufgrund der Angaben des T verfaßt und am 5. Jänner 1994 zur Post gegeben.
Tatsächlich hat der Berichter dem T die (behauptete) Auskunft, mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses beginne die Beschwerdefrist für BEIDE Verfahren neu zu laufen, nicht erteilt.
Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:
Die Feststellungen hinsichtlich der Abläufe in der Kanzlei der Vertreter des Antragstellers ergeben sich aus den schlüssigen und glaubhaften Angaben von Rechtsanwaltsanwärter Dr. F. Der Aussage des T ist dahin zu folgen, daß er den handschriftlichen Zusatz auf der (sodann per Telefax den Rechtsvertretern des Antragsstellers übermittelten) Ausfertigung des Berichtigungsbeschlusses anbrachte; nicht aber kann ihm dahin gefolgt werden, daß er vom Berichter die Auskunft erhalten hätte, mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses begännen BEIDE Beschwerdefristen neu zu laufen, hat doch der Berichter überzeugend erklärt, er könne nach bestem Wissen und Gewissen eine derartige (unrichtige) Auskunft ausschließen, sei ihm doch schon bei Fassung des Berichtigungsbeschlusses klar gewesen, welche Auswirkungen dies auf die Beschwerdefristen habe.
Gemäß dem § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Wie der Antragsteller zutreffend erkannt hat, muß er ein allfälliges Verschulden seiner Vertreter gegen sich gelten lassen (siehe dazu den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1977, Slg. NF 9226/A uam.), was - fallbezogen - nicht nur für ein allfälliges Verschulden der von ihm bevollmächtigten Rechtsanwälte und des genannten Rechtsanwaltsanwärters gilt, sondern auch für das Verhalten des T, dessen er sich zur Besorgung seiner Angelegenheiten bediente.
Es kann dahingestellt bleiben, ob eine unrichtige Auskunft des Berichters, wie sie behauptet wurde, die Voraussetzungen für die Bewilligung der angestrebten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen könnte, weil ein derartiger Sachverhalt nicht festgestellt werden kann. (Ergänzend sei bemerkt, daß weder aus der Fassung des Spruches des Berichtigungsbeschlusses, noch aus dem Hinweis in der Begründung, daß beide Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden seien, noch sonst aus der Textierung eine Aussage dahingehend ableitbar wäre, die Beschwerdefrist beginne für beide Verfahren neu zu laufen). Vielmehr ist davon auszugehen, daß die unrichtige Auskunft des T an den genannten Rechtsanwaltsanwärter hinsichtlich der (behaupteten) Auskunft durch den Berichter letztlich für die (unzutreffende) Umkalendierung der Frist auch hinsichtlich der zur Zl. 94/06/0005 protokollierten Beschwerde bestimmend war. Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, daß die unrichtige Mitteilung des T an den Rechtsanwaltsanwärter noch dem Begriff des bloß "minderen Grad des Versehens" im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG subsumiert werden könnte (zu diesem Begriff siehe etwa die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1984, Zl. 93/18/0599, oder auch vom 24. November 1993, Zl. 93/15/0190, 0191 uam.).
Der Wiedereinsetzungsantrag war demnach abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994060090.X00Im RIS seit
20.11.2000