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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der N GmbH in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadt Graz vom 16. Juni 1994, Zl. A 17-K-10.968/1993-11, betreffend eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. D in G, 2. A in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, 3. K T und 4. I T, beide in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen von S 12.860,-- und der dritt- und viertmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 28. Juni 1993 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Widmungsbewilligung für ein Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück Nr. 442/8 und .1094, EZ n7 KG A. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. November 1993 wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 23. November 1993, Zl. A 17-K-10.968/1993-2 der Beschwerdeführerin die Widmung des oben genannten Grundstückes unter Festsetzung von Bebauungsgrundlagen und Auflagen bewilligt. Für den Beschwerdefall sind hievon maßgeblich:
2.) BEBAUUNGSWEISE:
Offene (zum Grundstück Nr. 440/2 mit einer Kupplungstiefe von maximal 10 m gekuppelte) Bebauung.
3.) BEBAUUNGSDICHTE:
Mindestens 1,00, höchstens 2,00 der Nettobauplatzfläche.
4.) BEBAUUNGSGRAD:
Mindestens 0,4, höchstens 0,6 der Nettobauplatzfläche.
8.) GEBÄUDEHÖHEN:
Hauptgebäude: mindestens 9,00 m, höchstens 12,5 m
Nebengebäude: mindestens 2,2 m, höchstens 13,5 m (offensichtlicher Schreibfehler, gemeint wohl 3,5 m). Höchste Stelle des Gebäudes 13,50 m.
Höhenbezugspunkt: Niveau A-Straße.
Gegen diesen Bescheid haben die mitbeteiligten Parteien rechtzeitig Berufung erhoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 16. Juni 1994 wurde der Berufung gegen den Bescheid erster Instanz teilweise Folge gegeben und die Bebauungsweise und Gebäudehöhen wie folgt festgesetzt:
.)BEBAUUNGSWEISE:
Offene Bebauung.
.)GEBÄUDEHÖHEN:
Hauptgebäude: mindestens 7,00 m, höchstens 11,00 m.
Nebengebäude: mindestens 2,20 m, höchstens 3,50 m.
Höchste Stelle des Gebäudes: 12,50 m (ausgenommen Kamine, Lüftungsrohre udgl.).
Höhenbezugspunkt: Niveau A-Straße.
Pultdachfirst: maximal 11,00 m.
Dachneigungen sind nur bis maximal 45 Grad zulässig.
Ansonsten wurde der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt.
In der Begründung führte die belangte Behörde zu den geringeren Gebäudehöhen an, daß sie im wesentlichen auf dem neu eingeholten Ergänzungsgutachten des Stadtplanungsamtes beruhten. Zu einem Widerspruch zwischen dem Gutachten des Stadtplanungsamtes und dem anschließenden Ergänzungsgutachten und der nunmehrigen Festsetzung einer offenen Bebauung wurde ausgeführt, daß bei Handhabung des Planungsermessens im Sinne des Gesetzes nicht nur städtebauliche Zielvorstellungen zu berücksichtigen seien, sondern auch der Gebietscharakter, also die bestehenden Bauten, so auch das Gebäude auf dem Nachbargrundstück. Die Berufungsbehörde verkenne nicht, daß städtebauliche Zielvorstellungen ihrem Wesen nach zukunftsorientiert sein müßten, im Gegenstandsfall würde die Festsetzung einer gekuppelten Bebauungsweise aber zur Folge haben, daß auf Jahrzehnte hinaus eine dreigeschoßige Feuermauer an der Grundgrenze in einem Abstand von 6,0 m zum zweigeschoßigen Wohngebäude bestehen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Bewilligungswerberin wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die Beschwerdeführerin rügt, daß ohne durch das Ermittlungsverfahren gedeckte Begründung bzw. entgegen den übereinstimmenden Gutachtenaussagen eine Kuppelungsmöglichkeit ausgeschlossen wurde und somit das Planungsermessen nicht gesetzeskonform gehandhabt wurde; daß in unrichtiger, weil unrichtig begründeter Handhabung des Planungsermessens Gebäudehöhen festgelegt wurden und auch damit das Planungsermessen nicht gesetzeskonform ausgeübt wurde; daß die Festlegung der Bebauungsgrundlagen betreffend die Gebäudehöhen zueinander in einem unlösbaren Widerspruch stehen und die Berufungsbehörde der Berufung der dritt- und viertmitbeteiligten Partei Folge gegeben habe, obwohl diese Berufung abzuweisen gewesen wäre.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift ebenso wie die zweitmitbeteiligte und die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung, LBGl. Nr. 149/1968, in der Fassung LGBl. Nr. 54/1992 (BO), sind in der Widmungsbewilligung der Verwendungszweck der Bauten, die Straßenfluchtlinien, die Baufluchtlinien, die Baugrenzlinien, die Höhenlage der Bauwerke und angrenzenden Verkehrsflächen, die Bebauungsweise, die Bebauungsdichte, der Bebauungsgrad, das Mindest- und Höchstmaß der Gebäudehöhe, die Abstände von anderen Gebäuden und von den Grundgrenzen, Lage und Größe der Freiflächen, die Grundabtretung für Verkehrsflächen (§ 6) sowie die von der Widmung erfaßte Grundfläche festzusetzen.
Bei jenen Festlegungen, die gemäß § 28 Abs. 2 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 127/1974 in der Fassung LGBl. Nr. 41/1991 (ROG), an sich im Bebauungsplan zu treffen sind (die Bebauung mit den Bebauungsweisen und dem Maß der baulichen Nutzung), sind die für den Bebauungsplan geltenden Grundsätze in Betracht zu ziehen, das sind gemäß § 28 Abs. 1 ROG eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes sowie die in § 3 ROG dargelegten Raumordnungsgrundsätze.
Für das gegenständliche Grundstück ist im Flächenwidmungsplan 1992 die Widmung Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet festgesetzt, laut Stadtentwicklungskonzept 1990 ist dieses Gebiet als Stadtteilzentrum mit regionaler Bedeutung ausgewiesen.
Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß für das Widmungsgrundstück in der derzeitigen Konfiguration keine Widmungsbewilligung vorliegt (für einen 4 m breiten Grundstreifen an der Ostseite des verfahrensgegenständlichen Grundstückes wurde mit Bescheid vom 26. Mai 1976, Zl. A 17-K-16.159/1-1976 eine Widmungsbewilligung erteilt, in der nur eine offene Verbauung für zulässig erklärt wurde).
Aus den Verwaltungsakten ist überdies ersichtlich, daß für das Nachbargrundstück Nr. 440/2 eine rechtskräftige Baubewilligung aus dem Jahre 1909 (unter Einhaltung der Abstandsflächen) und für das derzeit auf dem Widmungsgrundstück befindliche eingeschoßige Bauwerk eine rechtskräftige Baubewilligung aus dem Jahre 1963 vorliegt. Für das hinter dem verfahrensgegenständlichen Grundstück liegende Grundstück Nr. 442/1 liegt eine Widmungsbewilligung aus dem Jahre 1976 vor, in der eine offene Bebauung für zulässig erklärt wurde.
Die Erwägungen der Behörde zweiter Instanz, hinsichtlich der Bebauungsweise nur eine offene Bebauung auf dem Widmungsgrundstück zuzulassen, können im Rahmen der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die belangte Behörde hat mit der Festlegung einer offenen Bebauungsweise zwar dem Gutachten des Stadtplanungsamtes vom 4. August 1993 im Verfahren vor der Behörde erster Instanz und dem ergänzenden Gutachten des Stadtplanungsamtes vom 31. Jänner 1994 im Verfahren zweiter Instanz nicht entsprochen, in denen eine offene Bebauungsweise, zu Grundstück Nr. 440/2 gekuppelt, gefordert wurde. Sie hat sich aber mit der Begründung des Gutachtens des Amtssachverständigen, wonach die Festsetzung der gekuppelten Bebauungsweise deshalb erfolgen sollte, weil auf die zukünftige, weiterführende Entwicklung des Gebietsteiles auch im Hinblick auf die Lage der Liegenschaften in einem Stadtteilzentrum mit regionaler Bedeutung, welches als Ziel einer baulichen Verdichtung erfahren soll, Bedacht genommen werden müsse und die Baukörperstellung auf der Nachbarliegenschaft des erstmitbeteiligten Partei der städtebaulichen Struktur des Ortsteiles nicht gerecht werde, ausdrücklich auseinandergesetzt; sie hat jedoch im Rahmen ihres ihr zukommenden Ermessens den vorliegenden Gebietscharakter höher als die städtebaulichen Zielvorstellungen bewertet. Eine derartige Wertung ist aber einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof insofern entzogen, als der Verwaltungsgerichtshof lediglich zu prüfen hat, ob die Entscheidung "im Sinne des Gesetzes" ergangen ist, das heißt ob ein Ermessensfehler (Ermessensmißbrauch, Ermessensanmaßung) begangen wurde. Nur in diesem Fall wäre der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit der Ermessensübung aufzuheben. Bewegt sich hingegen die Ermessensübung im Rahmen des der Behörde eingeräumten Wertungsspielraumes, so liegt darin keine, vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit. Im Unterschied zu der im Instanzenzug des Verwaltungsverfahrens übergeordneten Behörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) ist der Verwaltungsgerichtshof nämlich nicht befugt, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Entscheidung der Behörde zu setzen und deren Entscheidung aufzuheben. Diese Beschränkung ist als Element der materiellen Gewaltentrennung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung anzusehen (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, zweite Auflage, Seite 120 und die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1977, Zl. 525/76, VwSlg. 7598 A/1969 und 9130 A/1976).
Die Wertung der belangten Behörde, daß im vorliegenden Fall der Gebietscharakter mit Rücksicht auf die hochwertige Bebauung mit villenartigen Gebäuden zu schützen und als höherwertiges Gut als die geplante Stadtentwicklung mit der vorgesehenen Verdichtung zu qualifizieren sei, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden. Sie widerspricht auch nicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes: Der Gerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/06/0179, zum Ausdruck gebracht, daß bei Ausübung des Planungsermessens bis zu einem gewissen Grad auch ein bestehender Gebietscharakter zu berücksichtigen ist, dieser aber keineswegs gegenüber anderen Planungsfaktoren (von sich heraus) einen Vorrang genieße, sowie ganz allgemein § 3 ROG keinen Vorrang einzelner Raumordnungsziele vor anderen erkennen läßt. Soweit daher die belangte Behörde die im Einzelfall zu berücksichtigenden Raumordnungsziele zutreffend gewichtet und nachvollziehbar gegeneinander abgewogen hat, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Im vorliegenden Fall kommen zwei Zeitpunkte der Ausübung des Wahlrechtes zwischen der offenen und gekuppelten Bauweise in Betracht: Jener der Baubewilligung aus dem Jahre 1909 (offene Bebauung) und jener der Baubewilligung der Mutterberatungsstelle aus dem Jahre 1963 (gekuppelte Bauweise). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß durch die Erteilung der Baubewilligung aus dem Jahre 1963 das Wahlrecht bereits konsumiert wurde, ist zu entgegnen, daß weder bei dem Widmungsgrundstück noch bei dem Nachbargrundstück in einem Widmungsbescheid oder einer einem Widmungsbescheid gleichkommenden Anordnung die gekuppelte Bauweise angeordnet wurde. Selbst wenn es bei dieser Sachlage auf die faktische, konsentierte Bauweise ankommt, ist dem entgegenzuhalten, daß die frühere Ausübung des Wahlrechtes insbesondere dann maßgeblich ist, wenn wie hier die Mutterberatungsstelle, für die die Baubewilligung im Jahre 1963 erteilt wurde, abgerissen wird.
Dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Reduzierung der maximalen Gebäudehöhen und der Ausschöpfung der maximalen Bebauungsdichte ist zu entgegnen, daß diese Festlegungen im Bescheid zweiter Instanz auf den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen im Ergänzungsgutachten des Stadtplanungsamtes beruhen, welchen die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß der Berufung der dritt- und viertmitbeteiligten Partei unrichtiger Weise Folge gegeben wurde, obwohl sie abzuweisen gewesen wäre, ist zu bemerken, daß schon aufgrund der Berufung der Erst- und Zweitmitbeteiligten die vorgenommene Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides durch die Berufungsbehörde zu Recht erfolgte.
Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Besondere Rechtsgebiete Ermessen Ermessen besondere Rechtsgebiete Umfang der Abänderungsbefugnis Unbestimmte Rechtsbegriffe ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994060163.X00Im RIS seit
03.05.2001