TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/26 94/19/0416

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Veröffentlicht am 26.01.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs2;
AsylG 1991 §2 Abs3;
AsylG 1991 §26;
AsylG 1991 §3;
FlKonv Art33;
FrG 1993 §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juli 1993, Zl. 4.322.651/4-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juli 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Nigeria, der am 15. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist war und am 16. Jänner 1992 einen Asylantrag gestellt hatte - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Februar 1992 - mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen - abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer nicht nur deshalb kein Asyl gemäß § 3 Asylgesetz 1991 (welches sie bei Erlassung ihres Bescheides im Hinblick auf die am 4. März 1992 rechtzeitig erhobene Berufung gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. bereits anzuwenden hatte) gewährt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. verneint hat, sondern auch deshalb, weil sie der Ansicht war, daß der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei. Nach dieser Gesetzesstelle wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides habe das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bereits zehn Monate in Bulgarien aufgehalten und in diesem Land sogar studiert habe. Seiner Darstellung zufolge habe der Beschwerdeführer Bulgarien (und ebenso Rumänien) nur deshalb verlassen, weil er dort keine Arbeit habe finden können. Daraus folgerte die belangte Behörde, daß der Beschwerdeführer bereits in Bulgarien (bzw. Rumänien) vor Verfolgung sicher gewesen sei, zumal "Verfolgungssicherheit" - nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - dann anzunehmen sei, wenn ein Asylwerber vor seiner Einreise nach Österreich in einem Drittland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden.

Der nach seinem "Fluchtweg" befragte Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung (durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich) am 18. Jänner 1992 (unter Punkt 18) folgendes angegeben:

"Am 30.10.1990 flogen meine Frau und ich von Lagos nach Bulgarien, Sofia, wo wir am nächsten Tag ankamen. In Bulgarien habe ich wieder mein Studium für Theologie wieder aufgenommen und wir hielten uns in einem Hotel auf. Ich selbst blieb bis Juli 1991 in Bulgarien. Weil ich aber kein Geld mehr hatte, mußte ich mich umsehen, in welchem Lande ich eine Arbeit finden könnte. Meiner Frau stellte ich in Aussicht, daß ich sie nachholen werde, wenn die Bedingungen entsprechend sind. Mit dem Zug fuhr ich nach Rumänien in die Hauptstadt Bukarest. Dort blieb ich zwei Wochen konnte aber keine Arbeit finden. Ich reiste daher mit dem Zug nach Ungarn - Budapest, wo ich mich zweieinhalb Monate aufhielt. Ich machte die Bekanntschaft mit einigen Amerikanern (Studenten) bei denen ich dann diese Zeit wohnen konnte. Bevor diese nach Amerika zurückfuhren gaben sie mir 50 Dollar. In Budapest traf ich dann einen Mann, der rumänischer Staatsangehöriger war, der mir sagte, er könne mich bis zur Grenze nach Österreich bringen. ... Am 14.1.1992 brachte mich dieser Mann mit dem PKW zur ungarisch/österreichischen Grenze bei Sopron. Die Grenze überquerte ich dann in der Nacht zum 15.1.1992 illegal.

..."

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, dem gebrauchten Asylausschließungsgrund einen rechtswidrigen Inhalt beigemessen zu haben, weil sie seine "Verfolgungssicherheit" nur für die Vergangenheit aber nicht auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung beurteilt habe. Nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 lediglich im Falle der Bejahung seiner Flüchtlingseigenschaft anwenden dürfen.

Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, der "Verfolgungsschutz müsse im Zeitpunkt der Anwendung durch die Behörde aktuell sein, weil sonst zu befürchten sei, daß der in der Vergangenheit angenommene Verfolgungsschutz nicht mehr aktiviert werden könne", ist verfehlt. Der Beschwerdeführer unterliegt damit nämlich einem Rechtsirrtum, weil es nur darauf ankommt, ob er vor seiner Einreise nach Österreich bereits in Bulgarien (bzw. Rumänien) vor Verfolgung sicher "war", und die Frage der Möglichkeit seiner Abschiebung aus Österreich bloß aufgrund der anzuwendenden fremdenpolizeilichen Vorschriften (§ 37 Fremdengesetz) zu beurteilen wäre. Auch wenn nicht aufgrund eines asylrechtlichen Verfahrens feststeht, daß dem Beschwerdeführer, bezogen auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung, die Flüchtlingseigenschaft zukommt, kann auf diese Weise dem Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zlen. 94/01/0161, 0162).

Des weiteren trifft aber auch die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, daß die belangte Behörde den gebrauchten Asylausschließungsgrund nur hätte anwenden dürfen, wenn sie seine Flüchtlingseigenschaft bejaht hätte, nicht zu. Der Asylbehörde obliegt gemäß § 3 Asylgesetz 1991 eine Entscheidung darüber, ob einem Asylwerber Asyl zu gewähren ist, wobei einem solchen Antrag nur dann stattzugeben ist, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling UND die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 leg. cit. ausgeschlossen ist. Es müssen demnach im Falle der Asylgewährung kumulativ beide Voraussetzungen vorliegen, was bedeutet, daß es dann, wenn schon eine dieser Voraussetzungen (wie insbesonders die des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) fehlt, rechtlich nicht mehr der Klärung bedarf, ob allenfalls die weitere dieser Voraussetzungen (die Flüchtlingseigenschaft) gegeben wäre. Hat die belangte Behörde daher von dem im vorliegenden Beschwerdefall herangezogenen Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. zu Recht Gebrauch gemacht, dann wäre es nicht rechtswidrig, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht geprüft hätte bzw. noch viel weniger, wenn sie diese ungeachtet des herangezogenen Ausschlußgrundes verneint hat (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. März 1994). Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde im Hinblick auf seine ständige Rechtsprechung zum Begriff der "Verfolgungssicherheit" gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), auf die des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in rechtlicher Hinsicht nicht entgegenzutreten.

Der Beschwerdeführer zeigt in seiner Beschwerde aber auch nicht auf, warum die Annahme der belangten Behörde, er sei vor seiner Einreise nach Österreich bereits in Bulgarien vor Verfolgung sicher gewesen, in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sein sollte. Sein Vorwurf, die belangte Behörde habe dazu bloß Vermutungen angestellt aber keine auf dem Ermittlungsverfahren erster Instanz beruhenden Feststellungen getroffen bzw. insoweit kein Bescheinigungsmittel angegeben, steht mit dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten nicht in Einklang und trifft daher nicht zu. Mit dieser gleichlautend hinsichtlich des erstinstanzlichen Bescheides erhobenen Rüge ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß die gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassene Berufungsentscheidung die rechtliche Wirkung hat, daß der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und diese ausschließlich Träger des Bescheidinhaltes ist (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 559 unter Z. 200 zitierte hg. Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof kann aber auch nicht finden, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung im vorliegenden Beschwerdefall zu einem den Denkgesetzen oder den Erfahrungen des Lebens zuwiderlaufenden Ergebnis gelangt ist, wenn sie aufgrund des niederschriftlich festgehaltenen eigenen Vorbringens des Beschwerdeführers zu dem Schluß gekommen ist, dieser sei bereits in Bulgarien vor Verfolgung sicher gewesen und habe dieses Land lediglich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

Hat die belangte Behörde im vorliegenden Beschwerdefall aber von dem Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 somit zu Recht Gebrauch gemacht, dann braucht auf die weiteren Beschwerdeausführungen nicht mehr eingegangen zu werden, weil dahingestellt bleiben kann, ob dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft hätte zuerkannt werden müssen bzw. ob die Prüfung seiner Flüchtlingseigenschaft mit Rechtsverletzungen belastet worden ist (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0800, und vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0430).

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994190416.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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