Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASchG 1972 §31 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Ing. K in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 22. April 1994, Zl. UVS 303.11-11/93-33, betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Spruchpunkt 2 (Übertretung nach § 17 Abs. 1 zweiter Satz Arbeitnehmerschutzgesetz) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im übrigen (sohin bezüglich Spruchpunkt 3) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. April 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der I. GesmbH, welche persönlich haftende Gesellschafterin des Arbeitgebers, nämlich der Kommanditgesellschaft H. mit dem Sitz in G sei, und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten, daß (Spruchpunkt 2), wie anläßlich einer am 21. November 1991 durchgeführten Überprüfung einer örtlich umschriebenen Baustelle durch das Arbeitsinspektorat festgestellt worden sei, der Atlas-Bagger, mit welchem Hebearbeiten auf dem gegenständlichen Baulos durchgeführt worden seien, keiner Prüfung hinsichtlich der Überlastwarneinrichtung unterzogen worden sei, obwohl Betriebseinrichtungen in regelmäßigen Zeitabständen ihrer Eigenart entsprechend durch geeinete fachkundige Personen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen seien und (Spruchpunkt 3), wie anläßlich einer Kontrolle der oben erwähnten Baustelle am 20. November 1991 festgestellt worden sei, eine örtlich umschriebene Künette, die eine Länge von ca. 3 m und eine Tiefe von ca. 1,80 m aufgewiesen und aus Sand, Kies, Lehm und Erde bestanden habe, ohne jegliche Pölzung errichtet worden sei, obwohl in dieser Künette Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien und Künetten, die nicht im Felsen oder in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankomme, ausgeführt würden, bei Tiefen von mehr als 1,25 m auf jeden Fall gepölzt werden müßten. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu Spruchpunkt 2 nach § 17 Abs. 1 zweiter Satz des Arbeitnehmerschutzgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG und zu Spruchpunkt 3 nach § 16 Abs. 4 erster Satz der Bauarbeiterschutzverordnung (BGBl. Nr. 267/1954, im folgenden kurz: BauVO) in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG begangen. Es wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 5 Tage) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Zu Spruchpunkt 2:
Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, er sei für die ihm hier vorgeworfene Tat nicht verantwortlich, weil ihm der in Rede stehende Bagger samt Fahrer von einem "Subunternehmer gegen entsprechende Bezahlung zur Verfügung gestellt" worden sei. Er ist damit im Ergebnis im Recht:
Die belangte Behörde hat bei ihren Überlegungen nicht darauf Bedacht genommen, daß bei der rechtlichen Beurteilung von Bauarbeiten die zum Arbeitnehmerschutzgesetz speziellere BauVO (vgl. deren § 1 Abs. 1) anzuwenden ist, welche durch § 33 Abs. 1 Z. 12 Arbeitnehmerschutzgesetz (bis zur Neuregelung) als Bundesgesetz in Geltung belassen wurde und die für einen Fall wie den vorliegenden in ihrem § 9 (vgl. die nachstehenden Ausführungen) eine Regelung trifft.
Da die belangte Behörde dies verkannt und die dem Beschwerdeführer hier vorgeworfene Tat dem § 17 Abs. 1 zweiter Satz Arbeitnehmerschutzgesetz unterstellt hat, ist der angefochtene Bescheid insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, was in diesem Umfang zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG führt.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich für das fortgesetzte Verfahren zu folgender Bemerkung veranlaßt:
Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz BauVO müssen sich alle den Dienstnehmern zur Verfügung gestellten Werkzeuge und sonstigen Betriebsmittel in betriebssicherem Zustand befinden. Nach dem zweiten Satz dieses Absatzes hat der Dienstgeber die Betriebsmittel in regelmäßigen Zeitabständen von einer fachkundigen Person auf ihren betriebssicheren Zustand überprüfen zu lassen.
Aus dieser Regelung folgt, daß der Arbeitgeber - jedenfalls im Anwendungsbereich der BauVO - nur solche Überprüfungen auf Betriebssicherheit vorzunehmen hat (und für deren Unterlassung haftet), die Betriebsmittel (einschließlich Werkzeuge) betreffen, welche er den Dienstnehmern "zur Verfügung gestellt" hat. Von einem solchen "zur Verfügung-Stellen" durch den Arbeitgeber kann allerdings jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn - wie im Beschwerdefall - ein von einem anderen Unternehmen stammendes Betriebsmittel (hier: Bagger) samt Bedienungspersonal (hier: Fahrer) eingesetzt wird, also auch die Bedienung des Betriebsmittels nicht durch eigene Dienstnehmer erfolgt.
Zu Spruchpunkt 3:
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann von einer "bloß spekulativen Feststellung" der Tiefe der Künette keine Rede sein. Vielmehr hat die belangte Behörde ausführlich dargelegt, weshalb sie zu dem - unbedenklichen - Ergebnis kam, daß die Künette jedenfalls eine größere Tiefe von 1,25 m aufgewiesen habe. Soweit der Beschwerdeführer dazu vorbringt, er habe der belangten Behörde einen entsprechenden Plan zur Verfügung gestellt, "sodaß die Mißachtung dieses Beweismittels eine krasse Verletzung von Verfahrensvorschriften bedeute", so verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend darauf, daß sich die belangte Behörde sehr wohl in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch mit diesem Beweismittel auseinandergesetzt hat, was dem Beschwerdeführer offenbar entgangen sein dürfte.
Auch mit dem Hinweis, der Beschwerdeführer habe "mit dieser Angelegenheit überhaupt nichts zu tun" gehabt, ist für ihn nichts gewonnen. Zu Recht verweist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf, daß bei der Annahme, der zuständige Abteilungsleiter sei zum Bevollmächtigten im Sinne des § 31 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes bestellt worden, den Beschwerdeführer dennoch ein Verschulden treffe, weil er den Bevollmächtigten "überhaupt nicht kontrolliert" habe, zumal der Beschwerdeführer selbst anläßlich seiner Einvernahme angegeben habe, er sei auf der in Rede stehenden Baustelle niemals gewesen, obwohl die Bauarbeiten ca. 1 Jahr gedauert hätten. Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. September 1994, Zlen. 94/02/0258, 0259), daß von der Behörde von Amts wegen zu ermitteln ist, ob der Arbeitgeber (bzw. in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ) es etwa bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen, wobei dem Arbeitgeber dabei die Verpflichtung obliegt, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Ob der Arbeitgeber dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er sich (entsprechend dieser Mitwirkungspflicht) darauf zu berufen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht hin, entscheidend ist deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber das bezügliche Kontrollsystem darzulegen ist. Von der Darlegung eines solchen Kontrollsystems durch den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kann allerdings keine Rede sein, zumal selbst stichprobenartige Besuche keine ausreichende Kontrolle im beschriebenen Sinn darstellen würden (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 23. September 1994). Der Schuldspruch zu diesem Spruchpunkt ist daher frei von Rechtsirrtum.
Zur Strafbemessung bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, die verhängte Strafe entspreche "in keiner Weise dem Schuldgehalt". Die belangte Behörde hat allerdings ausführlich und ins einzelne begründet, weshalb sie die von der Erstbehörde verhängte(n) Strafe(n) als angemessen erachte. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde insoweit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin zum Spruchpunkt 3 als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des zum Schriftsatzaufwand gestellten Begehrens. Das Mehrbegehren an Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes abzuweisen.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994020422.X00Im RIS seit
01.06.2001