TE Vfgh Erkenntnis 1992/10/7 B596/91

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Veröffentlicht am 07.10.1992
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Tir HöfeG §9
Tir GVG 1983 §13 Abs1 lita

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbes durch die nicht gesetzmäßig zusammengesetzte Behörde erster Instanz

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 15.390,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom 8. November 1989 ein Grundstück im Ausmaß von 2.919 m2 in Thaur. Diesem Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde Thaur mit Bescheid vom 16. März 1990 unter Berufung auf §4 Abs1 iVm. §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 (im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides ist die Novelle LGBl. für Tirol 74/1991 nicht beachtlich) (im folgenden: GVG 1983), die grundverkehrsbehördliche Zustimmung.

2. Die dagegen vom Beschwerdeführer fristgerecht erhobene Berufung wurde nach einem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung - der belangten Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens - vom 4. Februar 1991, Zl. LGv - 929/4-90, als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage iVm. dazu ergangener verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung wird dies im wesentlichen damit begründet, daß seitens des Beschwerdeführers "selbst unter Hinzurechnung der vom strittigen Rechtsgeschäft umfaßten Grundfläche ... von einem flächenmäßigen Substrat eines lebensfähigen landwirtschaftlichen Betriebes nicht gesprochen werden" könne, sodaß die beabsichtigte Eigentumsübertragung den öffentlichen Interessen des §4 Abs1 GVG 1983 zuwiderlaufe und im speziellen der Versagungstatbestand des §6 Abs1 litc leg. cit. erfüllt sei.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie auf Freiheit der Erwerbsausübung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. Der Beschwerdeführer verstarb am 10. August 1991. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hall vom 2. Juli 1992 wurde sein Nachlaß seinem Sohn R P jun. als Alleinerben eingeantwortet; dieser erklärte, als Rechtsnachfolger seines Vaters das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren fortsetzen zu wollen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Unbestritten ist in diesem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren, daß sich der Rechtserwerb auf ein landwirtschaftliches Grundstück iSd. §1 Abs1 Z1 GVG 1983 bezieht und daß der von den Vertragsparteien vereinbarte Eigentumserwerb der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf.

2. Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter begründet der Beschwerdeführer damit, daß die Grundverkehrsbehörde, die in I. Instanz über seinen Rechtserwerb entschieden hatte, nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei: Entgegen der gemäß §13 GVG 1983 heranzuziehenden Bestimmung des §9 des Tiroler Höfegesetzes, Gesetz- und Verordnungsblatt für Tirol und Vorarlberg 47/1900, sei das von der nach der Lage des Grundstückes zuständigen Gemeinde zu entsendende Mitglied kein Berufsangehöriger der Land- und Forstwirtschaft, sondern Verwaltungsdirektor des Landesnervenkrankenhauses Hall. Dazu wird ausgeführt:

"Diesem ist zwar eine Landwirtschaft angeschlossen, kann ihm als Verwaltungsdirektor aber wohl nicht die Qualifikation 'Berufsangehöriger der Land- und Forstwirtschaft' zugebilligt werden. Das von der Gemeinde zu entsendende Kommissionsmitglied ist das einzige Mitglied, das jene Voraussetzungen erfüllen muß, die zum Erwerb land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gefordert sind (siehe auch §2 Tir. Landwirtschaftsgesetz). Wenn aber Bürgermeister RR H G die Voraussetzungen zum Erwerb landwirtschaftlichen Grundes erfüllt, dann erfüllt sie der Beschwerdeführer wohl noch in weit höherem Maße.

Die unrichtige Zusammensetzung der Grundverkehrsbehörde I. Instanz hat bereits zur für den Beschwerdeführer nachteiligen Entscheidung geführt. Ein unvoreingenommenes bäuerliches Kommissionsmitglied, das die Haflinger Zucht als gleichwertigen Zweig in der Landwirtschaft ansieht, das auch unvoreingenommen den landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb in Tirol als Garant der im öffentlichen Interesse gelegenen Bewirtschaftung der Grünflächen ansieht, hätte eine derartige negative Entscheidung nie zugelassen. Durch die unrichtige Zusammensetzung der Erstbehörde wurde sohin der Beschwerdeführer im Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt."

3.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 8731/1980, 10022/1984, 11350/1987).

Da der administrative Instanzenzug als Einheit aufzufassen ist, wird das Recht auf den gesetzlichen Richter auch dann verletzt, wenn in unterer Instanz eine unrichtig zusammengesetzte Kollegialbehörde eingeschritten ist und dies von der belangten Behörde nicht wahrgenommen wurde (vgl. zB VfSlg. 5700/1968, 7605/1975, 9599/1983, 11677/1988, VfGH 14.12.1991, B257/91)

3.2. Das trifft hier zu:

Gemäß §13 Abs1 lita GVG 1983 ist bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken Grundverkehrsbehörde I. Instanz "die auf Grund des §9 des Tiroler HöfeG, LGBl. 47/1900, in der jeweils geltenden Fassung eingerichtete Höfekommission". Der bezogene §9 des Tiroler Höfegesetzes, LGBl. für Tirol 47/1900, idF des LG LGBl. für Tirol 35/1970, ordnet an, daß Höfebehörde erster Instanz für jede Gemeinde eine Höfekommission mit dem Sitz bei der Bezirksverwaltungsbehörde ist. Die Höfekommission besteht aus dem Vorstand der Bezirksverwaltungsbehörde oder einem von diesem zu bestellenden rechtskundigen Beamten der Bezirksverwaltungsbehörde als Vorsitzendem, einem von der zuständigen Bezirkslandwirtschaftskammer sowie einem von der nach der Lage des Hofes zuständigen Gemeinde jeweils für die Dauer von drei Jahren zu entsendenden Mitglied. Für jedes dieser Mitglieder ist für den Fall der Verhinderung ein Ersatzmitglied zu entsenden. Das von der Gemeinde zu entsendende Mitglied (Ersatzmitglied) muß Berufsangehöriger der Land- oder Forstwirtschaft und in den Gemeinderat wählbar sein.

Zwar regeln die genannten Vorschriften nicht näher, was unter einem Berufsangehörigen der Land- oder Forstwirtschaft zu verstehen ist. Gewiß kann es dabei - entgegen dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen - nicht darauf ankommen, daß dieses Mitglied jene Voraussetzungen erfüllen muß, die "zum Erwerb land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gefordert sind", da das GVG 1983 für die Erteilung bzw. Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung im allgemeinen keine spezifischen persönlichen Voraussetzungen fordert. Eine solche Betrachtungsweise liefe auf die Schaffung einer bevorrechteten Klasse von Landwirten hinaus, was aber von Verfassungs wegen verpönt ist (vgl. VfSlg. 11411/1987, 11516/1987)

Doch ist die Beschwerde mit ihrer konkreten Behauptung im Recht, daß der Verwaltungsdirektor des Landes-Nervenkrankenhauses, mag diesem auch ein Landwirtschaftsbetrieb angeschlossen sein, nicht als Berufsangehöriger der Land- oder Forstwirtschaft im Sinne der genannten Rechtsvorschrift angesehen werden kann. Die Grundverkehrsbehörde I. Instanz war deshalb nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt.

Da die belangte Behörde diesen Mangel nicht aufgegriffen hat, verletzt der bekämpfte Bescheid den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; er war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; in den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B596.1991

Dokumentnummer

JFT_10078993_91B00596_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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