TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/27 94/02/0502

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Veröffentlicht am 27.01.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/02/0507 94/02/0508 94/02/0509

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 25. Oktober 1994, Zl. UVS-03/31/04122/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheiten des Kraftwahrwesens und der Straßenpolizei (hg. Zlen. 94/02/0502, 0507), und vom 25. Oktober 1994, Zl. UVS-03/31/02316/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung (hg. Zlen. 94/02/0508, 0509), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den ihr angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 30. April 1993 insgesamt fünf Verwaltungsübertretungen begangen, und zwar zwei Übertretungen nach dem KFG 1967 und drei Übertretungen nach der StVO 1960. Dieses Straferkenntnis wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 14. Juli 1993 beim zuständigen Postamt hinterlegt und lag von diesem Zeitpunkt an zur Abholung bereit. Der Beschwerdeführer behob die hinterlegte Sendung am 19. Juli 1993. Er brachte - vertreten durch die nunmehrigen Beschwerdevertreter - eine Berufung ein; diese wurde am 29. Juli 1993 zur Post gegeben.

Über Vorhalt der Verspätung der Berufung durch die belangte Behörde brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist ein.

Mit zwei in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefaßten Bescheiden wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ab, und zwar hinsichtlich jener beiden Verwaltungsübertretungen, für deren Begehung über den Beschwerdeführer S 10.000,-- übersteigende Geldstrafen verhängt wurden (nach § 64 Abs. 1 KFG 1967 und nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960), durch eine Kammer, hinsichtlich der restlichen drei Verwaltungsübertretungen (nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG 1967 sowie nach § 4 Abs. 5 und nach § 23 Abs. 2 StVO 1960) durch ein einzelnes Mitglied. Mit zwei weiteren, ebenfalls in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefaßten Bescheiden wies die belangte Behörde - wiederum in der geschilderten nach den Strafhöhen differenzierten Zusammensetzung - die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 8. Juli 1993 als verspätet zurück.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hatte seinen Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, daß die Kanzleileiterin des Beschwerdevertreters die Berechnung des Endes der Berufungsfrist und die entsprechende Vormerkung auf der Grundlages des Datums vorgenommen habe, zu welchem der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge das Straferkenntnis übernommen habe. Der im übrigen äußerst verläßlichen und sorgfältigen Angestellten sei ein derartiger Fehler noch nie unterlaufen. Es liege "sicherlich eine culpa levissima" vor.

Der Beschwerdeführer tut nicht dar, daß er die Vormerkung der Fristen durch seine als Kanzleileiterin tätige Angestellte in irgend einer Weise kontrolliert oder überwacht habe. Dazu wäre er aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, weil es an sich Sache des Rechtsanwaltes selbst ist, Vorsorge für die Rechtzeitigkeit der einzubringenden Rechtsmittel zu treffen (vgl. das Erkenntnis vom 16. September 1983, Slg. Nr. 11140/A). Der Beschwerdevertreter hat nach dem Beschwerdevorbringen vielmehr die Fristenvormerkungen zur Gänze der Angestellten überlassen.

Dazu kommt, daß auch das Verschulden der betreffenden Angestellten an der unrichtigen Vormerkung nicht als minderer Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG angesehen werden kann. Der Zeitpunkt der Zustellung einer behördlichen Erledigung kann von einer Person ohne juristische Ausbildung wie dem Beschwerdeführer nicht ohne weiteres mit der Frage erkundet werden, wann die Erledigung übernommen wurde. Gerade auch eine erfahrene und vom Rechtsanwalt entsprechend geschulte Kanzleiangestellte müßte wissen, daß es im Falle einer hinterlegten Sendung eben nicht auf deren Übernahme durch die Partei ankommt, zumal Hinterlegungen keineswegs bloß ausnahmsweise vorkommen, sondern - vor allem in Ansehung Berufstätiger - sehr häufig vorgenommen werden. Die belangte Behörde ist daher im Recht, wenn sie in diesem Zusammenhang von einer "undifferenzierten Fragestellung" spricht und darin ein dem Rechtsanwalt und damit auch der Partei selbst zuzurechnendes Verschulden, das nicht nur einen minderen Grad des Versehens darstellt, angenommen hat.

Soweit der Beschwerdeführer gegen die rechtspolitische Sinnhaftigkeit der Rechtslage (Wirkung der Zustellung mit der Hinterlegung - richtig: dem Bereithalten zur Abholung) polemisiert und einen Widerspruch "zum gesunden Menschenverstand" feststellt, ist im gegebenen Zusammenhang nur zu erwidern, daß dieser Umstand jedem, der mit behördlichen Zustellungen zu tun hat, bekannt sein muß; dies hat jedenfalls für Rechtsanwälte und deren verhältnismäßig selbständig handelnde Angestellte mit verantwortungsvollen Tätigkeitsbereichen zu gelten. Gerade solchen Personen muß es auch bewußt sein, daß sich Personen ohne diese Erfahrungen leicht im Irrtum über die Rechtslage befinden können. Es erübrigt sich auch eine Replik auf die Beschwerdeausführungen in der Richtung, daß die Regelung über die Hinterlegung im Zustellrecht, wie sie seit langer Zeit fester Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung ist, sehr wohl gewichtige rechtspolitische Argumente für sich hat.

Es kann weder die Rede davon sein, daß durch die Vorgangsweise der belangten Behörde das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "abgeschafft" werde, noch daß die Behörde "überspitzte Vorstellungen" habe.

Der Beschwerdeführer unterläßt es, in der Beschwerde auszuführen, was er und die in Rede stehende Angestellte im Fall der von ihm vermißten Einvernahme durch die belangte Behörde ausgesagt hätten, das zu einer Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages hätte führen können. Schon aus diesem Grunde kann die gerügte Mangelhaftigkeit nicht als wesentlich erkannt werden und infolge dessen auch nicht zur Aufhebung der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages führen.

Soweit der Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des Zustellvorganges geltend macht, geht dies am Inhalt der angefochtenen Bescheide vorbei.

Im Lichte der Rechtmäßigkeit der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages entspricht auch die Zurückweisung der Berufung wegen der - unbestrittenermaßen gegebenen - Verspätung dem Gesetz.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994020502.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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