TE Vfgh Erkenntnis 1992/10/7 B614/92, B615/92, B616/92, B617/92, B618/92, B620/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.1992
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
Oö L-VG 1991 Art9
Oö BauO §23 Abs2
Oö BauO §46 Abs1

Leitsatz

Gleichheitswidrige Auslegung einer Bestimmung der Oö BauO betreffs Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen bei Errichtung baulicher Anlagen; Unzulässigkeit der Errichtung von Baulichkeiten auch bei Gefährdung zukünftiger Nachbarn durch schädliche Emissionen eines bestehenden Betriebes; Verletzung der beschwerdeführenden Betreiberin eines Industriebetriebes im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch unrechtmäßige Zurückweisung der Vorstellungen gegen Baubewilligungen zur Errichtung von Wohnhäusern in der Nachbarschaft; Parteistellung im Bauverfahren durch die Möglichkeit weiterer Vorschreibungen und Auflagen begründet

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit insgesamt S 90.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt in Ansfelden (Oberösterreich) einen Industriebetrieb zur Herstellung von Stahlbetonwehrungen. Dieser Betrieb liegt an der Bahnlinie Linz-Selzthal. Jenseits der Bahnlinie - noch durch einen weiteren Grundstreifen getrennt - wurden (nach erfolgter Umwidmung von Grünland in Wohngebiet und entsprechenden Parzellierungen) von der Gemeindebehörde Baubewilligungen zur Errichtung von Wohnhäusern erteilt.

Mit den sechs mittels der vorliegenden Beschwerden angefochtenen Bescheiden der Oberösterreichischen Landesregierung wurden - nach Erschöpfung des innergemeindlichen Instanzenzuges - von der beschwerdeführenden Gesellschaft eingebrachte Vorstellungen gegen sechs dieser Baubewilligungen zurückgewiesen. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich durch diese Vorstellungsbescheide in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt und beantragt die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.

2. In den Beschwerden wird im wesentlichen - unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10703/1985 und vom 28. September 1990 B1368/1987 - geltend gemacht, die Baubehörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe nur auf vom Baugrundstück ausgehende Emissionen, nicht jedoch auf von einem Betrieb in der Nachbarschaft auf das Baugrundstück einwirkende Beeinträchtigungen Bedacht zu nehmen und habe sich daher - unrichtigerweise - mit den Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht auseinandergesetzt. Weiters wird die Gesetzwidrigkeit der Umwidmung der Baugrundstücke von Grünland in Wohngebiet behauptet.

3. Die Oberösterreichische Landesregierung hat in Gegenschriften (s. unten unter II.2.b) die Abweisung der Beschwerden begehrt.

Einige der mitbeteiligten Bauwerber haben Äußerungen erstattet, die jedoch nicht die hier entscheidungsrelevante Rechtsfrage (s. unten unter II.3.) betreffen.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).

2. Im bereits erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1990 B1368/87 hat der Gerichtshof die Bestimmung des §6 Abs8 der Bauordnung für Wien ausgelegt, welche folgenden Wortlaut hat:

"(8) In gemischten Baugebieten dürfen keine Gebäude oder Anlagen errichtet werden, die geeignet sind, durch Rauch, Ruß, Staub, schädliche oder üble Dünste, Niederschläge aus Dämpfen oder Abgasen, Geräusche, Wärme, Erschütterungen oder sonstige Einwirkungen, Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen."

Der Verfassungsgerichtshof führte hiezu aus:

"Anscheinend im Gegensatz zur Baubehörde erster Instanz nahm die Berufungsbehörde an, daß die wiedergegebene Bestimmung ausschließlich die Emissionswirkungen des Bauvorhabens, nicht aber Immissionen auf das Projekt zum Gegenstand hat, die von einem in der Nachbarschaft bestehenden Betrieb ausgehen. Dieses strikt am Wortlaut haftende Gesetzesverständnis kann der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht billigen. Es ist nicht zweifelhaft, daß die in Rede stehende Vorschrift einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck bringt, der insbesondere die Qualität der Wohnverhältnisse sicherstellen will. Erfaßt man die Regelung nach diesem evidenten Zweck, so fehlte es an der sachlichen Rechtfertigung für die Annahme, daß eine vom Gesetz verpönte schwerwiegende Beeinträchtigung ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, daß sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann. Diese Erwägungen gebieten es, §6 Abs8 der BauO f. Wien ausdehnend dahin auszulegen, daß er überdies ein Verbot im eben dargelegten Sinn enthält. Eine in diese Richtung zielende Einwendung kann (auch) vom Inhaber eines Industriebetriebes als Nachbar i.S. des §134 Abs3 der BauO f. Wien erhoben werden, weil er mit Auflagen der Gewerbebehörde (gegebenenfalls mit weiteren Auflagen gemäß §79 Abs2 der Gewerbeordnung) zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen muß (vgl. dazu das schon zitierte Erk. VfSlg. 10703/1985)."

Die Bauoberbehörde für Wien sei somit - heißt es in dem angeführten Erkenntnis abschließend - von einem verfehlten, nämlich sachlich nicht begründbaren und daher gleichheitswidrigen Verständnis des §6 Abs8 der Bauordnung für Wien ausgegangen.

3.a) Die Oberösterreichische Landesregierung geht in den angefochtenen Vorstellungsbescheiden davon aus, der hier maßgebliche §23 Abs2 der Oberösterreichischen Bauordnung in der Fassung LGBl. 82/1983 (OÖ BauO) gewähre keinen "negativen Immissionsschutz".

Die genannte Bestimmung lautet:

"(2) Im besonderen müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen so geplant und errichtet werden, daß schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benützer der Bauten und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung (Änderung der natürlichen Zusammensetzung der freien Luft, zum Beispiel durch Rauch, Ruß, Staub und andere Schwebstoffe, Dämpfe, Gase und Geruchsstoffe), Lärm oder Erschütterungen."

Sowohl eine Wortinterpretation als auch eine systematische Interpretation dieser Vorschrift ergäbe - wird in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt -, daß kein "subjektiv öffentliches Nachbarrecht auf Beibehaltung der bisherigen Emissions- bzw. Immissionslage" bestehe. Da die beschwerdeführende Gesellschaft, welche nicht Anrainerin im Sinne des ersten Halbsatzes des §46 Abs1 OÖ BauO sei, durch die Bauvorhaben somit auch nicht in subjektiv öffentlichen Rechten im Sinne des zweiten Halbsatzes des §46 Abs1 leg.cit. beeinträchtigt werden könne, seien die Vorstellungen zurückzuweisen.

Zum oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1990, B1368/87 wird in den Bescheiden folgendes ausgeführt:

"Im übrigen sei zu dem dem Vorstellungsschriftsatz beigelegten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes noch angemerkt, daß die Kernaussage dieses Urteiles so nicht akzeptiert werden kann. Der Verfassungsgerichtshof ging nämlich in diesem Urteil trotz der Wortwahl im §6 Abs8 der Bauordnung für Wien ('..., Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen") nicht vom klaren Wortsinn dieser Bestimmung aus, sondern interpretierte diese Bestimmung unter Ignorierung der eindeutigen Ergebnisse der Wortinterpretation nach dem (angeblichen) Zweck dieser Norm. Mit dieser Vorgehensweise verwarf der Verfassungsgerichtshof ohne nähere Begründung die tragenden Interpretationsregeln der österreichischen Rechtsordnung, wonach eine Zweckinterpretation (ob nun subjektiv-historisch oder objektiv-teleologisch) erst dann vorzunehmen ist, wenn eine Wort- bzw. systematische Interpretation zu keinem Ergebnis führt. Solange der Verfassungsgerichtshof keine klare Begründung dazu liefert, weshalb die bisher angewendeten Interpretationsregeln nicht mehr anwendbar sein sollen, folgt die Vorstellungsbehörde der in diesem Fall entscheidungsrelevanten Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, daß bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens nur die Widmung der Grundfläche entscheidend ist, auf der die geplante bauliche Anlage errichtet werden soll (siehe hiezu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.11.1989, Zl. 89/05/0139)."

b) In den Gegenschriften führt die Landesregierung zur Verteidigung ihrer Rechtsauffassung folgendes aus:

Schon die Wortfolge "geplant und errichtet" in §23 Abs2 OÖ BauO lasse nur den Schluß zu, daß aufgrund dieser Bestimmung nur diejenigen schädlichen Umwelteinwirkungen vermieden werden sollten, die vom geplanten Bauwerk ausgehen und nicht jene, welche durch bereits bestehende Bauwerke verursacht werden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bringe auch das Wort "Änderung" im Klammerausdruck des §23 Abs2 leg.cit. klar zum Ausdruck, daß diese Bestimmung nur auf zu errichtende Bauten Bezug nimmt, da durch bereits bewilligungskonform errichtete und sohin schon existierende Bauten keine Änderung der bereits gegebenen örtlichen Luftzusammensetzung zu erwarten sei.

Eine unmittelbare Vergleichbarkeit des §6 Abs8 der Bauordnung für Wien mit §23 Abs2 OÖ BauO "hinke" daran, daß die Wiener Vorschrift der Systematik nach der Raumordnung zuzurechnen sei; es seien daher bei der Ermittlung des Schutzzweckes dieser Norm die Belange der Raumordnung in verstärktem Maße heranzuziehen. Der dagegen dem Hochbaurecht zuzurechnende §23 Abs2 OÖ BauO bezwecke ausschließlich die Hintanhaltung der von einer konkreten baulichen Anlage ausgehenden Beeinträchtigung.

Die vom Verfassungsgerichtshof vorgenommene Auslegung des §6 Abs8 der Bauordnung für Wien sei "schwer vertretbar". Die Heranziehung teleologischer Argumente trotz eines eindeutigen Gesetzeswortlautes sei aus methodischer Sicht problematisch, der Verfassungsgerichtshof habe mit dieser Vorgangsweise ohne nähere Begründung die tragenden Interpretationsregeln der österreichischen Rechtsordnung verworfen. Auch der Verfassungsgerichtshof sei bisher bei der Auslegung grundsätzlich vom "Vorrang der klaren Wortbedeutung" ausgegangen. Würde man der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. September 1990 vertretenen Auffassung folgen, würde man zu einer Auslegung des §23 Abs2 OÖ BauO contra legem gelangen.

4. Die Rechtsauffassung der Oberösterreichischen Landesregierung ist verfehlt:

Die von der belangten Landesregierung zur Stützung ihrer Argumentation herangezogene Formulierung "geplant und errichtet" in §23 Abs2 OÖ BauO läßt ihrem Wortlaut nach (im übrigen noch deutlicher wie die sehr ähnliche Wortfolge "errichtet werden" im §6 Abs8 der Bauordnung für Wien) offen, ob die zu vermeidende schädliche Umwelteinwirkung vom neuen Bauwerk ausgeht oder ob durch dieses Bauwerk ein neues Objekt für schädliche Emissionen entstehen könnte. Die Landesregierung bleibt eine Erklärung dafür schuldig, aus welchen sprachlichen oder sonstigen logischen Gründen der Gesetzestext ("... müssen bauliche Anlagen ... so geplant und errichtet werden, daß schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden.") nicht auch jene Fälle erfaßt, bei denen die Planung und Errichtung eines Bauwerkes so zu erfolgen hat, daß schädliche Umwelteinwirkungen auf dieses möglichst vermieden werden. Der Umstand, daß die Worte "auf dieses" im Gesetz nicht enthalten sind, steht dieser Interpretation schon deshalb nicht entgegen, weil der Gesetzestext auch nicht davon spricht, daß die schädlichen Einwirkungen vom zu errichtenden Bauwerk ausgehen müssen.

Den Klammerausdruck "Änderung" im genannten zweiten Satz mißversteht die belangte Landesregierung schon im Ansatz: Damit wird lediglich definiert, was der Gesetzgeber unter einer Luftverunreinigung als solcher versteht, und zwar unabhängig davon, wann eine Luftverunreinigung tatsächlich eintritt. Ebenso verfehlt sind die von der Oberösterreichischen Landesregierung angestellten "systematischen Überlegungen": Die Landesregierung übersieht nicht nur, daß es vom Schutzzweck der hier zu beurteilenden Norm her belanglos ist, ob sie einen raumordnungsrechtlichen Inhalt hat oder nicht, sie läßt auch ein weiteres - im Vergleich zur genannten Wiener Regelung noch viel deutlicheres - Indiz für die Zulässigkeit dieser Wortinterpretation unerwähnt: Im zweiten Satz des §23 Abs 2 OÖ Bau werden unter den zu vermeidenden schädlichen Umwelteinwirkungen auch Belästigungen "für die Benützer der Bauten" angeführt.

Es zeigt sich also, daß beide Interpretationen des §23 Abs2 OÖ BauO in dessen möglichen Wortsinn, der im Normzusammenhang die Grenzen der Interpretation absteckt (vgl. Korinek, "Zur Interpretation von Verfassungsrecht" in FS Walter, Wien 1991, S. 365ff), ihre Deckung finden. Das Gesetz ist - wie auch die entsprechende Bestimmung der Bauordnung für Wien im zitierten Vorerkenntnis vom 28. September 1990 - im Rahmen des möglichen Wortsinnes in systematischer Interpretation verfassungskonform - und nicht wie die Landesregierung meint teleologisch - auszulegen, damit es mit ihm übergeordneten Normen (hier: dem Gleichheitsgebot) nicht in Widerspruch gerät.

Im hier gegebenen Zusammenhang ist auch die zwar als Deklaration formulierte ("Das Land Oberösterreich schützt im Rahmen seines selbständigen Wirkungsbereiches die natürliche Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen."), aber dessen ungeachtet als Staatszielbestimmung verbindliche - und der OÖ BauO übergeordnete - Norm des Art9 des OÖ Landes-Verfassungsgesetzes 1991 zu beachten. Wenn die natürliche Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen von Verfassungs wegen zu schützen ist, muß auch im Hinblick darauf §23 Abs2 OÖ BauO dahin ausgelegt werden, daß die Errichtung von Baulichkeiten dann unzulässig ist, wenn dadurch Menschen einschließlich der zukünftigen Nachbarn eines rechtmäßig bestehenden Gewerbe- oder Industriebetriebes in ihren Lebensgrundlagen durch davon ausgehende mögliche schädliche Einwirkungen gefährdet sind.

Abschließend bleibt festzuhalten, daß §23 Abs2 OÖ BauO (ebenso wie §6 Abs8 der Bauordnung für Wien) einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck bringt, der insbesondere die Qualität der Wohnverhältnisse sicherstellen will. Der Verfassungsgerichtshof hält an der Auffassung fest, daß es an einer sachlichen Rechtfertigung für die Annahme fehlt, daß eine vom Gesetz verpönte schwerwiegende Beeinträchtigung ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, daß sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann.

Hiebei genügt zur Begründung der Parteistellung nach §46 Abs1 zweiter Halbsatz OÖ BauO ("... voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können.") die Möglichkeit weiterer Vorschreibungen und Auflagen durch die Gewerbebehörde. Eine solche Möglichkeit kann - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - bei der hier gegebenen Konstellation (Errichtung einer Reihe weiterer Wohnhäuser im Immissionsbereich eines besonders lärmintensiven Betriebes, somit auch Entstehen neuer, weiterer Schallreflektionsflächen, Beeinträchtigungen auf konkreten Baugrundstücken durch bestimmte Immissionsquellen auf dem Betriebsareal der beschwerdeführenden Gesellschaft) keineswegs von vorneherein völlig ausgeschlossen werden. Ob und allenfalls welche Auflagen nach der GewO vorzusehen sind (oder auch nicht vorgeschrieben werden müssen), ist im einzelnen Sache der Gewerbebehörde und kann nicht - wie es hier von der belangten Behörde in ihren Gegenschriften darzutun versucht wird - von der Baubehörde vorweggenommen werden.

5. Da die belangte Landesregierung von einem - wie oben dargelegt - sachlich nicht begründbaren und daher auch gleichheitswidrigen Verständnis der zitierten Gesetzesstelle ausging, hat sie die Vorstellungen der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Unrecht zurückgewiesen. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde durch die angefochtenen Bescheide somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (s. hiezu die bereits oben zitierte ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) verletzt. Die Bescheide sind daher aufzuheben.

Auf die vorgebrachten Bedenken der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den Flächenwidmungsplan ist nicht einzugehen, weil für die - hier allein maßgebliche - Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Vorstellungen die Widmung der Baugrundstücke ohne rechtlichen Belang ist; der Flächenwidmungsplan ist daher im vorliegenden Verfahren nicht präjudiziell.

6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von insgesamt

S 15.000,-- enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Nachbarrechte, Umweltschutz, Parteistellung Baurecht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B614.1992

Dokumentnummer

JFT_10078993_92B00614_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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