Index
L34006 Abgabenordnung Steiermark;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde 1) des E und 2) des F, beide in G und vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 27. Oktober 1994, Zl. A 8 - K 577/1993 - 3, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Aufschließungsbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Oktober 1994 gab der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz dem Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz hinsichtlich des Bescheides vom 5. November 1993 gemäß § 229 Abs. 1 der Stmk. Landesabgabenordnung - LAO keine Folge.
Nach der Begründung dieses Bescheides habe nach dem Vorbringen nicht der Rechtsanwalt selbst die Berechnung der Rechtsmittelfrist vorgenommen, sondern diese Berechnung der Kanzleiangestellten überlassen. Wie im Schriftsatz vom 16. Dezember 1993 ausgeführt werde, habe der Vertreter der Beschwerdeführer den Akt am 18. November 1993 samt Bescheid wieder in die Kanzlei mit dem Bemerken gegeben, es solle der Akt für die Frist der Stellung des Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz terminisiert werden. Dabei wäre - sicherlich auf Grund eines flüchtigen Hinsehens - das auf den 8. November 1993 lautende Datum irrtümlich als 18. November 1993 gelesen und der Akt auf Termin 18. Dezember 1993 gelegt worden. Dem Schreiben vom 21. Juli 1994 sei zu entnehmen, daß die Rechtsmittelfristen in der anwaltlichen Kanzlei von der (namentlich genannten) Mitarbeiterin kontrolliert und eingetragen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 229 Abs. 1 LAO - i.d.F. LGBl. Nr. 41/1988 - ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 86 bis 88) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Diese Bestimmung entspricht § 308 Abs. 1 BAO i.d.F. BGBl. Nr. 312/1987. Sie entspricht auch den Regelungen des § 46 Abs. 1 VwGG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 564/1985, des § 71 Abs. 1 lit. a AVG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 357/1990, sowie des § 167 Abs. 1 Finanzstrafgesetz i.d.F. des zweiten AbgÄG 1987, BGBl. Nr. 312.
Im Hinblick auf die teils wörtliche Identität - so ist § 229 Abs. 1 letzter Satz LAO wortgleich dem § 46 Abs. 1 letzter Satz VwGG - vermag der Gerichtshof dem Beschwerdeargument, "dem ganzen Verfahrensmechanismus des Abgabenverfahrens ist eine großzügigere Handhabung von Fristen und Fristverlängerungen abzuleiten, als dies bei sonstigen Bescheiden nach dem AVG oder Urteilen von Gerichten der Fall ist", nicht zu folgen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof aber etwa zur Regelung des § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen hat, darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig der Kanzleileiterin überlassen und sich lediglich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich, denn er selbst hat die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen ist nicht ausreichend. Es muß nämlich durch entsprechende Kontrollen vorgesorgt werden, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Kommt der Rechtsanwalt einer solchen Aufsichtspflicht und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 14. Mai 1991, Zl. 91/14/0061). Nichts anderes hat aber im Anwendungsbereich des § 229 Abs. 1 LAO zu gelten.
Soweit aber in der Beschwerde vorgebracht wird, das Wort "Versehen" sei mit "Verschulden" nicht gleichzusetzen, so ist darauf zu verweisen, daß der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen ist. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die in Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 24. November 1989, Zl. 89/17/0116).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994170486.X00Im RIS seit
20.11.2000