TE Vfgh Erkenntnis 1992/10/7 B1161/91

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Veröffentlicht am 07.10.1992
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Oö GVG 1975 §4 Abs3

Leitsatz

Keine denkunmögliche oder willkürliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs wegen übermäßigem Entzug von land- und forstwirtschaftlichem Grund und Boden durch geplante Bautätigkeit gemäß §4 Abs3 Oö GVG 1975; keine Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer erwarb von einem Landwirteehepaar aus dem zum Gutsbestand der Liegenschaft in EZ 13, KG Hof, gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Grundstück Nr. 1062/5 die neugebildeten Grundstücke Nr. 1062/9 (nunmehr: Nr. 1060/3) im Ausmaß von 827 m2 und Nr. 1062/10 (nunmehr: Nr. 1060/4) im Ausmaß von 1.100 m2 um den Preis von 420.000,-- S.

Die Bezirksgrundverkehrskommission Mondsee versagte der vorgesehenen Übertragung des Eigentums die Genehmigung.

2. Der gegen diesen Bescheid (nur) vom Käufer (dem Beschwerdeführer) eingebrachten Berufung gab die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung nicht Folge.

3. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten, ausschließlich vom Käufer erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

4. Die Landesgrundverkehrskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach §1 Abs1 erster Satz des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1975 - Oö. GVG 1975, LGBl. 53, bedarf ua. die Übertragung des Eigentums an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Gemäß §4 Abs1 Oö. GVG 1975 müssen Rechtsgeschäfte den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen. Nach §4 Abs3 Oö. GVG 1975 dürfen ua. Rechtsgeschäfte, von denen anzunehmen ist, daß sie für Zwecke der Baulandbeschaffung abgeschlossen wurden, der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr Grund und Boden als notwendig entziehen und die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung der verbleibenden Grundstücke nicht erheblich erschweren oder unmöglich machen. Rechtsgeschäfte, die den Voraussetzungen gemäß §4 Abs1, 2 oder 3 Oö. GVG 1975 nicht entsprechen, dürfen nicht genehmigt werden (§4 Abs4 Oö. GVG 1975). Nach §6 Oö. GVG 1975 sind die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes ua. dann nicht gegeben, wenn zu besorgen ist, daß der Erwerber das Grundstück zu dem Zweck erwirbt, um es als Ganzes oder geteilt mit Gewinn weiter zu veräußern (lita), sonst Grundstücke ohne zureichenden Grund der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden (litd) oder die Gegenleistung den wahren Wert erheblich übersteigt (litf).

2. Während die Behörde erster Instanz die Versagung der Genehmigung auf die §§1 und 4 Oö. GVG 1975 unter Bedachtnahme auf §6 lita, d und f dieses Gesetzes stützte, berief sich die belangte Behörde bei ihrer gleichfalls die Genehmigung versagenden Entscheidung (zwar nicht im Spruch, aber) in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich auf §4 Abs3 Oö. GVG 1975.

Sie legte - nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde durch einen unter Beiziehung des Beschwerdeführers vorgenommenen Augenschein - ihrer Entscheidung im wesentlichen folgenden, vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Sachverhalt zugrunde:

Bei den beiden im Baugebiet der Gemeinde Tiefgraben gelegenen Kaufgrundstücken mit einem Ausmaß von 827 m2 bzw. 1.100 m2 handelt es sich um zwei vernäßte Wiesengrundstücke, die von den Verkäufern im Rahmen ihres landwirtschaftlichen Betriebes genutzt wurden. Sie bilden eine zusammenhängende, nahezu rechteckige Fläche, an die im Norden und Osten landwirtschaftlich genutzte Flächen, im Süden und Westen aber Baugrundstücke angrenzen, auf denen sich zum Teil Wohnhäuser befinden. Zugunsten der Kaufgrundstücke besteht ein im Grundbuch eingetragenes Fahrrecht, doch ist eine befestigte Zufahrtsstraße noch nicht vorhanden.

Der Käufer - der Beschwerdeführer - beabsichtigt nach seinen Angaben auf einem der Grundstücke ein Einfamilienhaus zu errichten und seinen Wohnsitz von Bad Ischl nach Tiefgraben zu verlegen, um seinen Arbeitsplatz in Thalgau leichter erreichen zu können. Er gab an, nicht die Absicht zu haben, das zweite Grundstück wieder zu veräußern, sondern durch dessen Kauf für den künftigen Wohnbedarf eines seiner beiden Kinder (im Alter von sechs bzw. vier Jahren) vorzusorgen.

Von diesen Tatsachenfeststellungen ausgehend kam die belangte Behörde zu der Auffassung, daß selbst unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer bekundeten Absicht der Errichtung eines den (gegenwärtigen) Wohnbedürfnissen seiner Familie dienenden Einfamilienhauses, also unter der Annahme, daß der Kauf für Zwecke der Baulandbeschaffung abgeschlossen wurde, angesichts des Kaufes zweier (je für sich bebaubarer) Grundstücke der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung mehr Grund und Boden als notwendig entzogen werde, zumal angesichts des jugendlichen Alters der Kinder des Beschwerdeführers überhaupt noch nicht abzusehen sei, ob deren (künftiger) Wohnbedarf auf die vorgesehene Weise befriedigt werden könne.

3.a) Mit Rücksicht auf die - auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogene - verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (vgl. zu §4 Abs3 Oö. GVG 1975 etwa VfSlg. 8095/1977, 8766/1980, 9180/1981, 10520/1985, 10878/1986) und da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat - was auch in der Beschwerde nicht behauptet wird -, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte (s. etwa VfSlg. 8428/1978, 9127/1981). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt Willkür etwa auch dann vor, wenn sich die Behörde bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen oder von anderen unsachlichen Erwägungen leiten läßt (zB VfSlg. 10247/1984; vgl. etwa auch VfSlg. 9293/1981, 9604/1983).

b) Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, dadurch Willkür geübt zu haben, daß sie ihn als "Auswärtigen" aus unsachlichen Gründen, nämlich deshalb benachteiligt habe, um angesichts der Beschränktheit des in der Gemeinde Tiefgraben verfügbaren Baulandes einheimischen Kaufinteressenten den Erwerb der Grundstücke zu ermöglichen. So sei für die Übertragung des Eigentums an den in unmittelbarer Nähe der Kaufgrundstücke gelegenen, bereits bebauten Grundstücken die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt worden und es bestehe kein sachlicher Grund, den Beschwerdeführer schlechter zu behandeln und vom Erwerb der Kaufgrundstücke auszuschließen.

c) Die belangte Behörde hat, wie bereits erwähnt (II.2.) zum Unterschied von der Behörde erster Instanz die Versagung der Genehmigung der Sache nach allein darauf gegründet, daß durch das - unbestrittenermaßen für Zwecke der Baulandbeschaffung abgeschlossene - auf den Erwerb zweier Baugrundstücke gerichtete Rechtsgeschäft entgegen der Vorschrift des §4 Abs3 Oö. GVG 1975 der landwirtschaftlichen Nutzung mehr Grund und Boden als notwendig entzogen werde. Diese Auffassung ist bei dem von der belangten Behörde festgestellten - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - Sachverhalt immerhin vertretbar. Den Umstand, daß (nach Auskunft des Bürgermeisters) in der Gemeinde Tiefgraben die Baulandreserve knapp sei und auch einheimische Kaufinteressenten vorhanden seien, die die Grundstücke zur Begründung eines dauernden Wohnsitzes erwerben wollen, hat die belangte Behörde lediglich im Zuge der Darstellung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes angeführt, nicht aber als Argument für die Versagung der Genehmigung herangezogen.

d) Mit dem Vorbringen, daß in dem Beschwerdefall vergleichbaren Fällen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt worden sei, wird ein willkürliches Vorgehen im Beschwerdefall nicht dargetan. Abgesehen davon, daß es sich um unterschiedliche Verfahrensgegenstände handelt, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 7836/1976, 8779/1980, 10925/1986, 11123/1986) noch kein Indiz für eine willkürliche Vorgangsweise der Behörde, wenn sie in einem anderen Fall zu einer anderen Beurteilung gelangt.

e) Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat somit nicht stattgefunden.

4. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid auch in dem durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen, nicht verletzt worden.

Dem diesbezüglichen Beschwerdevorwurf ist entgegenzuhalten, daß sich dieses Grundrecht, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. etwa VfSlg. 7539/1975 mwH, 9541/1982, 10745/1986, 10896/1986), nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Kreise bestanden haben. Art6 StGG verbietet es auch, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen - ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern - nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (VfSlg. 5683/1968, 7927/1976, 9070/1981, 10797/1986, 10822/1986, 11411/1987, 11516/1987). Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa VfSlg. 9682/1983, 10896/1986, 10902/1986).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht versagt, um den Erwerb der betreffenden Grundstücke durch den Beschwerdeführer zugunsten eines Landwirtes, der diese Grundstücke zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern. Vielmehr wurde diese Entscheidung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsrechtlicher Interessen deshalb getroffen (s. dazu VfSlg. 8309/1978, 320; 8766/1980, 142; 9454/1982, 562; 9456/1982, 571; 10566/1985, 166), weil nach Ansicht der belangten Behörde die Übertragung des Eigentums den in §4 Abs3 Oö. GVG 1975 umschriebenen Voraussetzungen nicht entsprach, die Genehmigung daher gemäß §4 Abs4 Oö. GVG 1975 nicht erteilt werden durfte.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

6. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 6877/1972, 8309/1978, 8317/1978, 9454/1982, 9456/1982, 10565/1985, 10659/1985, 11754/1988).

7. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu oben unter II.3.a) ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

8. Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war ebenfalls abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid von einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG erlassen wurde und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht durch Gesetz ausdrücklich für zulässig erklärt ist.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B1161.1991

Dokumentnummer

JFT_10078993_91B01161_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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