Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASchG 1972 §31 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 5. Juli 1994, Zl. 11/90-4/1994, betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften (mitbeteiligte Partei: Ing. H in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 10. März 1994 wurde die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher angeführten Kommanditgesellschaft für schuldig befunden, nicht ausreichend dafür Vorsorge getroffen zu haben, daß die Bestimmungen der AAV eingehalten werden, da bei der am 25. August 1993 um cirka 13.30 Uhr an einer örtlich umschriebenen Baustelle durchgeführten Kontrolle durch einen Vertreter des Arbeitsinspektorates festgestellt worden sei, daß (in näher angeführter Weise) gegen die Vorschriften des § 46 Abs. 6 und des § 46 Abs. 9 AAV verstoßen worden sei. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Der dagegen vor der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. Juli 1994 Folge, behob das erwähnte Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das in Rede stehende Bauunternehmen habe zum Tatzeitpunkt zwei Oberbauleiter sowie elf oder zwölf Bauleiter beschäftigt. Wöchentlich finde unter der Leitung eines der beiden Geschäftsführer in Anwesenheit dieser Personen eine Bauleitersitzung statt. Für die tatgegenständliche Baustelle sei Ing. H. mit der Bauaufsicht beauftragt worden. Im Rahmen der Bauaufsicht sei dieser anordnungsbefugt gewesen, das heißt, er habe selbständig Entscheidungen über Personalanforderungen und Materialanforderungen treffen und allfällige Subunternehmen beauftragen können. Mit der Vergabe der Bauaufsicht über die fragliche Baustelle sei Ing. H. auch damit beauftragt worden, für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu sorgen. Als erwiesen sei anzusehen, daß die mitbeteiligte Partei die einzelnen Baustellen des Unternehmens selbst fallweise aufsuche und kontrolliere, wobei kleinere Baustellen etwa dreimal, größere öfters aufgesucht würden.
Auf den vorliegenden Fall sei - so die belangte Behörde weiter - das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1993, Zl. 93/02/0104, "anzuwenden". Auszuschließen sei, daß die beiden verfahrensgegenständlichen Übertretungen mit Wissen der mitbeteiligten Partei begangen worden seien und daß sie es bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung des bevollmächtigten Ing. H. an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen. Ing. H. sei vor dem Anlaßfall bereits als Bauleiter im Unternehmen beschäftigt gewesen und habe für diese Tätigkeit als Bauingenieur die fachliche Befähigung. Es könne der mitbeteiligten Partei auch nicht mangelnde Beaufsichtigung des Betriebes vorgeworfen werden, da von ihm für jede der von seinem Unternehmen betriebenen Baustelle ein Bauleiter mit Anordnungsbefugnissen und Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften bestellt worden sei, auf größeren Baustellen ein ständig anwesender Baupolier eingesetzt werde und die Bauleiter unter der Aufsicht von zwei Oberbauleitern stünden. Schließlich werde im Beisein der mitbeteiligten Partei oder des zweiten Geschäftsführers eine wöchentliche Bauleiterbesprechung abgehalten, bei der die einzelnen, gerade betriebenen Baustellen zur Sprache kämen. Bei dieser Sachlage könne von einem strafbaren Verhalten der mitbeteiligten Partei neben dem bevollmächtigten Ing. H. im Sinne des § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz (im folgenden: ANSchG) nicht ausgegangen werden, weshalb der Berufung Folge zu geben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes u.a. vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht das Strafverfahren gegen die mitbeteiligte Partei eingestellt, zumal insbesondere die fehlende Kontrolltätigkeit nicht durch Stichproben ersetzt werden könne. Er ist damit im Recht:
Was zunächst den Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1993, Zl. 93/02/0104, anlangt, so wurde dort zu § 31 Abs. 3 ANSchG darauf verwiesen, daß diese Vorschrift das Verschulden regle, das dem Arbeitgeber im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten treffen müsse, um diesen strafbar zu machen. Enthalte eine Verwaltungsvorschrift aber besondere Bestimmungen über das für die Begehung einer Verwaltungsübertretung erforderliche Verschulden, dann komme die für Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG angeordnete Umkehr der Beweislast nicht zur Anwendung. In diesem Fall habe somit nicht der Täter den Entlastungsbeweis, sondern die Behörde den Nachweis des Verschuldens zu erbringen. Die - damals - belangte Behörde habe dadurch, daß sie davon ausgegangen sei, es sei im vorliegenden Fall das für die Bestrafung des dortigen Beschwerdeführers erforderliche Verschulden im Hinblick auf die Bestimmung des § 5 Abs. 1 VStG ohne weiteres anzunehmen und es wäre Sache des (dortigen) Beschwerdeführers gewesen, das Gegenteil zu beweisen, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Dazu ist zunächst festzustellen, daß die - weitere - Beschwerde des damaligen Beschwerdeführers im zweiten Rechtsgang mit dem hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1994, Zl. 94/02/0235, als unbegründet abgewiesen und unter anderem auf die Pflicht zur Beaufsichtigung des Bevollmächtigten verwiesen wurde.
Es entspricht weiters der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zlen. 93/02/0220-0224), daß ein Arbeitgeber im Hinblick auf die Bestimmung des § 31 Abs. 5 ANSchG von seiner Verantwortlichkeit befreit ist, wenn er es - unter anderem - bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten nicht an der erforderlichen Sorgfalt fehlen ließ, wobei die ihm obliegende Mitwirkungspflicht die Erstattung eines entsprechenden Vorbringens im Verwaltungsstrafverfahren erfordert. Eine "stichprobenartige" Überwachung des Bevollmächtigten wird ebenso nicht als ausreichend erachtet, wie die bloße Erteilung von Weisungen; entscheidend ist deren wirksame Kontrolle, wobei das Kontrollsystem darzulegen ist (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993).
Von einem solchen wirksamen Kontrollsystem kann allerdings weder durch die Schaffung der Aufsicht durch zwei "Oberbauleiter" noch durch die wöchentliche Bauleiterbesprechung und allfällige Stichproben durch die mitbeteiligte Partei gesprochen werden. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage das Verwaltungsstrafverfahren gegen die mitbeteiligte Partei eingestellt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verantwortung für Handeln anderer Personen Allgemein Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994020381.X00Im RIS seit
01.06.2001