TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/30 94/09/0176

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Veröffentlicht am 30.01.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers

Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der X-GmbH in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 10. Mai 1994, Zl. 6703 B, betreffend Nichtausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei betreibt seit 1984 in Wien ein chinesisches Restaurant. Mit dem an das Arbeitsamt Persönliche Dienste - Gastgewerbe gerichteten Schreiben vom 14. Oktober 1993 wies die beschwerdeführende Partei auf die sich wegen der Konkurrenzsituation (ca. 350 Chinarestaurants in W.) verschlechterten Verhältnisse für ihren Betrieb hin und kündigte die Absicht an, als Alternative chinesische Imbisse (diese würden in W. erst in vier Lokalen angeboten) zu verkaufen. Hiefür wolle sie einen Kochmeister für diese Spezialität, und zwar den sich derzeit in China aufhaltenden L. als neue Arbeitskraft bestellen.

Mit Schreiben vom 15. November 1993 stellte die beschwerdeführende Partei beim genannten Arbeitsamt den Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach § 11 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für L. Als spezielles Bildungserfordernis wurde angegeben: "Zeugnis f. die Ausbildung des Imbisses". Gleichzeitig wurden zwei Bestätigungen (mit beglaubigter Übersetzung) vorgelegt: Danach hat L. von 1985 bis 1988 in "Nan Ning Stadt" im Restaurant "Ali Mountain" die Ausbildung "für Kochkunst und Herstellung der Imbisse mit Fleiß gemacht und absolviert und (wurde) als Meister für Kochen und Imbisse qualifiziert ...". Das Y Hotel bestätigte, daß L. in seinem Betrieb vom Oktober 1991 bis Juni 1993 in der Küche "den Beruf für Imbisse und das Kochen" ausgeübt habe.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 1993 lehnte das Arbeitsamt diesen Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Es begründete dies damit, eine Sicherungsbescheinigung könne unter anderem nach Überschreitung der Landeshöchstzahl nur erteilt werden, wenn der Vermittlungsausschuß einhellig seine Zustimmung erklärt habe. Der Vermittlungsausschuß habe jedoch diesen Antrag nicht befürwortet.

In ihrer Berufung brachte die beschwerdeführende Partei vor, sie wolle ihren Geschäftsbetrieb durch das Anbieten der "Dim-Sam" - kantonesische Imbisse beleben. Der gewünschte Ausländer sei hiefür geeignet und spreche auch die Sprache des Betriebsinhabers. Außerdem sei eine Arbeitskraft ausgestiegen, weshalb das Personal überlastet sei. Sollte jedoch die Berufung abgelehnt werden, werde ersucht, eine Person, die die "Dim-Sam"-Küche gut beherrsche, zu schicken.

In den Akten findet sich folgender Computerausdruck vom 14. Jänner 1994:

"Lt. Rücksprache mit der Kammer (Herrn F) handelte es sich um ein chin. Restaurant, welches seine Speisekarte mit Dim-Sam-Küche erweitern möchte. Beim Dim Sam handelt es sich um kantonesische Imbisse (kleine Mehlspeisenhäppchen), die aber auch von einem chin. Koch zubereitet werden können."

In der Folge wurde auf Grund eines Vermittlungsauftrages eine Ersatzkraftstellung (für die Tätigkeit: Koch/Köchin, abgeschlossene Berufsausbildung) durchgeführt. Nach der Aktenlage wurde die Einstellung von zwei chinesischen Köchen am 28. Jänner 1994 mit dem Hinweis abgelehnt, es würde jemand benötigt, der "spezielle Speisen zubereiten kann".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Mai 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 und 6 AuslBG ab. Nach Wiedergabe des § 11 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 AuslBG und allgemeinen Ausführungen zur Einstellung ausländischer Arbeitskräfte stellte die belangte Behörde fest, die beschwerdeführende Partei habe L. als "Dim-Sam"-Koch beantragt, habe aber kein offizielles Zeugnis vorlegen können. Im Zuge der Ersatzkraftstellung habe sie einer dem Arbeitsamt namentlich bekannten Person erklärt, sie benötige keine Arbeitskraft. Durch ihr Desinteresse an der angebotenen Ersatzkraftstellung habe sie sich die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offene Stelle mit einer begünstigt zu vermittelnden Arbeitskraft hätte besetzt werden können. Die Ersatzkraftstellung erfülle dabei den Zweck herauszufinden, ob sich unter den beim Arbeitsamt Vorgemerkten im Leistungsbezug stehenden und deshalb bevorzugt zu behandelnden Ersatzkräften eine befinde, die bereit und fähig sei, die konkret beantragte Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Dazu sei es erforderlich, dem Arbeitgeber objektiv geeignete Bewerber zu vermitteln. Nur dann, wenn kein derart qualifizierter Arbeitnehmer gestellt werden könne, erlaube die Arbeitsmarktlage die Beschäftigung des beantragten Ausländers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Ausländer für eine Beschäftigung im Bundesgebiet im Ausland anzuwerben, so ist ihm auf Antrag eine Sicherungsbescheinigung auszustellen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AuslBG).

Die Sicherungsbescheinigung darf nach Abs. 2 dieser Bestimmung nur ausgestellt werden, wenn

1. die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1, 2 oder 6 und Abs. 3 Z. 1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind und

2. auf Grund der Angaben des Antragstellers angenommen werden kann, daß für den Ausländer eine ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 5 zur Verfügung stehen wird.

Nach § 4 Abs. 1 ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Die belangte Behörde hat die Versagung der Sicherungsbescheinigung nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 4 Abs. 1 und 6 AuslBG gestützt. In Verbindung mit der Begründung geht aber unmißverständlich hervor, daß die Versagung der beantragten Sicherungsbescheinigung ausschließlich auf § 4 Abs. 1 leg. cit. gestützt wird.

Die beschwerdeführende Partei bringt im wesentlichen vor, die "Dim-Sam"-Küche sei eine spezielle chinesische Imbißküche, die eines Koches bedürfe, der eine Spezialausbildung genossen habe. Köche, die in einer der anderen manigfaltigen chinesischen Küchen ausgebildet seien, seien nicht in der Lage, für eine "Dim-Sam"-Küche zu kochen. Die vom Arbeitsamt vermittelten Ersatzarbeitskräfte hätten eine dementsprechende Befähigung nicht nachgewiesen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß am österreichischen Arbeitsmarkt keine Ersatzkräfte zu finden seien, die fähig seien, den konkreten Ansprüchen der beschwerdeführenden Partei zu entsprechen. Die belangte Behörde habe auch den Sachverhalt aktenwidrig angenommen, wenn sie davon ausgehe, die beschwerdeführende Partei habe kein offizielles Zeugnis betreffend L. vorgelegt.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG, die im gegenständlichen Zusammenhang nur im Hinblick auf die mit der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 erfolgte Einfügung des § 4b bezüglich der bevorzugt zu vermittelnden Personen zu modifizieren ist, muß auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt sein, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes - unter Beachtung der Regelung des § 4b AuslBG - diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens eine der bevorzugt zu vermittelnden Personen entsprechend der in § 4b AuslBG enthaltenen Reihenfolge zur Verfügung steht, die bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0090, sowie vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0072).

Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die bei einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrundezulegen sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0096 und die dort weiters angegebene Vorjudikatur).

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0448, und die dort angegebene Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall geht die belangte Behörde offenbar im Hinblick auf eine (angebliche) Erklärung der beschwerdeführenden Partei im Zuge des Ersatzkraftstellungsverfahrens gegenüber einer dem Arbeitsamt namentlich bekannten Person, sie benötige keine Arbeitskraft, davon aus, sie lehne die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein ab. Abgesehen davon, daß diese Feststellung in den vorgelegten Verwaltungsakten keine Deckung findet, völlig ungeklärt ist, ob eine derartige Erklärung von einer Person abgegeben wurde, deren Verhalten der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen ist; auch wurde der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben wurde, dazu in Wahrung des Parteiengehörs Stellung zu nehmen. Im übrigen steht eine solche Annahme im auffälligen Widerspruch zur Erklärung der beschwerdeführenden Partei in ihrer Berufung und zu der im vorgelegten Verwaltungsakt dokumentierten Vermittlung von jedenfalls zwei Ersatzkräften.

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertritt, die beschwerdeführende Partei habe keinen Nachweis für das geforderte Anforderungsprofil durch offizielle Zeugnisse für L. erbracht, weshalb offenbar in der chinesischen Küche ausgebildete Köche taugliche Ersatzkräfte seien und daher die angebotenen Ersatzkräfte (die diese Ausbildung aufwiesen) zu Unrecht von der beschwerdeführenden Partei abgelehnt worden seien, beruht dies auf Annahmen, die nicht in einem mängelfreien Verfahren gewonnen wurden. Da die beschwerdeführende Partei unbestritten Nachweise für das Zutreffen der von ihr behaupteten Qualifikationen des beantragten Ausländers vorgelegt hat, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren mitzuteilen, warum die vorgelegten Urkunden ihrer Auffassung nach kein taugliches Beweismittel darstellen, und der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die im Beschwerdefall tätig gewesenen Verwaltungsbehörden haben nach der Aktenlage die beschwerdeführende Partei auch niemals aufgefordert, die behauptete Qualifikation des L. durch "offizielle Zeugnisse" glaubhaft zu machen. Konnte die belangte Behörde aber demnach nicht (ohne Durchführung eines weiteren Verfahrens) davon ausgehen, daß kein Nachweis für die behauptete Qualifikation des L. erbracht worden sei, sind die offenkundig darauf aufbauenden Schlußfolgerungen hinfällig.

Die belangte Behörde beruft sich in ihrer Gegenschrift auch auf die von der Wirtschaftskammer Wien von F. (telefonisch) eingeholten Auskünfte über die Merkmale der "Dim-Sam"-Küche (die im Verwaltungsakt auch dokumentiert wurden) und leitet daraus ab, daß jeder allgemein ausgebildete chinesische Koch (und daher auch die beiden vermittelten Ersatzkräfte) geeignet sei, diese Spezialitäten anzubieten. Diese Argumentation zielt darauf ab, das von der beschwerdeführenden Partei aufgestellte Anforderungsprofil sei überzogen, weil es nicht in den objektiven Notwendigkeiten des Betriebes der beschwerdeführenden Partei eine Grundlage finde, weshalb taugliche Ersatzkräfte vorhanden seien, die aus von der beschwerdeführenden Partei zu vertretenden Gründen abgelehnt worden seien. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde diese Überlegungen erstmals in der Gegenschrift, die nicht geeignet ist, eine unterlassene Begründung nachzuholen, vorgetragen hat, wäre es erforderlich gewesen, der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren diese Äußerung bekanntzugeben und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

Da im Beschwerdefall die rechtserheblichen Fragen, ob das von der beschwerdeführenden Partei aufgestellte Anforderungsprofil objektiv berechtigt ist, ob L. (bei objektiver Berechtigung des Anforderungsprofils) die geforderten Voraussetzungen erfüllt und es überhaupt taugliche Ersatzkräfte gibt (was von der Klärung der vorangestellten Fragen abhängt) und ob deren Einstellung allenfalls aus von der beschwerdeführenden Partei zu vertretenden Gründen unterblieben ist, nicht geklärt wurden, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, soweit sie das in der obgenannten Verordnung festgesetzte Pauschale für den Schriftsatzaufwand übersteigt, da neben diesem Pauschale keine Umsatzsteuer zuzuerkennen ist.

Schlagworte

Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090176.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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