TE Vwgh Beschluss 1995/1/31 93/05/0066

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Veröffentlicht am 31.01.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
B-VG Art129a Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;
VStG §51 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 3. Februar 1993, Zl. 3-3632-93, betreffend Verwaltungsübertretung nach der Nö Bauordnung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 11. Juni 1992 wurde ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin "es als Grundeigentümerin der Liegenschaft F-L-Gasse 34, Parzelle 197/23 EZ. 2572, KG B, sowie als Inhaberin der rechtsgültigen Baubewilligung für ein Zweifamilienhaus auf oben genannter Liegenschaft zu verantworten" habe, "daß die bereits errichtete Baulichkeit seit März 1991 bis zum heutigen Tag durch Personen (Sie selbst, Ihren Ehemann sowie Ihre beiden Kinder) laufend genutzt wird, ohne daß sie im Besitz einer Benützungsbewilligung gemäß § 111 Abs. 3 Nö Bauordnung" sei, die Beschwerdeführerin "somit die Baulichkeit F-L-Gasse 34 entgegen den Bestimmungen des § 111 Abs. 3 Nö Bauordnung" benütze und benützen lasse und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 115 Abs. 1 Z. 5 Nö Bauordnung begangen habe. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- verhängt, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe von 34 Stunden.

Aus Anlaß der Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid stellte der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich den Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, da diese Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 ohne die erforderliche Zustimmung der Länder zur Kundmachung dieser bundesgesetzlichen Bestimmung gemäß Art. 129a Abs. 2 B-VG erfolgt sei (Gesetzesprüfungsverfahren G 160/92). Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1992, G 103-107/92-6, G 123-124/92-7, G 125-127/92-6, G 131, 160, 177/92-6, wurde § 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung trat gemäß dem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes mit Ablauf des 30. September 1993 in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nach diesem Erkenntnis wieder in Wirksamkeit. Im Verwaltungsstrafverfahren vertrat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich die Auffassung, daß im Verwaltungsverfahren der Beschwerdeführerin als Anlaßfall auch die "alte" wieder in Wirksamkeit tretende Rechtslage, nämlich § 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1950, anzuwenden sei. Die Berufung wurde daher an die Bezirkshauptmannschaft Mödling weitergeleitet, die als die im Instanzenzug sachlich übergeordnete Behörde in der vorliegenden Verwaltungsstrafangelegenheit qualifiziert wurde.

Der Berufung wurde in der Folge von der Bezirkshauptmannschaft Mödling mit Bescheid vom 3. Februar 1993 teilweise stattgegeben, indem folgendes ausgesprochen wurde:

"Sie haben es als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 197/23, KG B, F-L-Gasse 34, sowie als Inhaberin einer Baubewilligung für ein Zweifamilienhaus auf dieser Liegenschaft zu verantworten, daß das bereits errichtete Wohngebäude im Dachgeschoß vom 21. Februar 1992 bis 12. Juni 1992 durch Sie selbst, Ihren Ehemann sowie Ihre beiden Kinder laufend benützt wird, ohne daß sie im Besitz einer baubehördlichen Benützungsbewilligung sind und sie somit ihre Baulichkeit teilweise vor Erteilung einer Benützungsbewilligung in Verwendung genommen haben.

Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 111 Abs. 3 der Nö Bauordnung 1976 zu verantworten, welche gemäß § 115 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. strafbar ist.

Gemäß § 115 Abs. 2 der Nö Bauordnung wird gegen sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- verhängt."

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 27 Stunden verhängt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht verletzt, nicht bestraft oder zumindest nicht mit der ausgesprochenen Strafe bestraft zu werden. Insbesondere sei sie in ihrem Recht verletzt, daß die Strafnorm im Spruch richtig bezeichnet werde (§ 44a lit. b VStG) und die Beschwerdeführerin im Falle der unrichtigen Bezeichnung der Strafnorm nicht zu bestrafen sei.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1992, G 103-107/92 u.a., § 51 Abs. 1 VStG 1991, BGBl. Nr. 52, als verfassungswidrig auf und sprach darin u.a. aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. September 1993 in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen wieder in Wirksamkeit treten. Die vorliegende Verwaltungsstrafsache war einer jener Anlaßfälle, die zu diesem Gesetzesprüfungsverfahren geführt haben. Im Verfahren wurde zutreffend die Auffassung vertreten (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1994, B 1286/93-6, und den hg. Beschluß vom 21. September 1994, Zl. 93/03/0157) daß, da im Anlaßfall die Aufhebung sofort wirksam werde, auch das vom Verfassungsgerichtshof angeordnete Wiederinkrafttreten der früheren Bestimmungen für den Anlaßfall mit diesem Zeitpunkt erfolge. In ihrem Zusammenhalt ergäben nämlich die Abs. 6 und 7 des Art. 140 B-VG, daß die frühere Regelung unmittelbar an das Außerkrafttreten der aufgehobenen Norm anschließen soll (vgl. die in dem zitierten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes angeführte Judikatur).

Die Behörde hatte also im vorliegenden Fall nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof so vorzugehen, als hätte im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides § 51 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990, das ist jene des BGBl. Nr. 172/1950, gegolten.

Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 VStG 1950 steht dem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren das Recht der Berufung an die im Instanzenzug sachlich übergeordnete Behörde zu. Entscheidungen solcher Behörden sind in allen Fällen endgültig. Die im vorliegenden Fall in diesem Sinne sachlich übergeordnete Behörde ergibt sich aus § 116 Abs. 7

Nö Bauordnung 1976, wonach Strafbehörde zweiter Instanz die Bezirkshauptmannschaft ist, es sei denn, es hat in einer Stadt mit eigenem Statut der Magistrat entschieden.

Die Erschöpfung des Instanzenzuges ergibt sich im vorliegenden Fall aber erst unter Beachtung der Beschwerdemöglichkeit gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG an die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, die mit der angeführten Verfassungsbestimmung nach Erschöpfung des ADMINISTRATIVEN Instanzenzuges eingeräumt wird. Danach erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt.

Nach dieser Rechtslage ist gegen die Entscheidung der Berufungsbehörde ein Rechtsmittel an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig (vgl. den zitierten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes). Dem steht auch nicht der zweite Satz des § 51 Abs. 1 VStG 1950 entgegen, weil dieser nur vom administrativen Instanzenzug handelt und daher weder die Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts noch jene der unabhängigen Verwaltungssenate ausschließt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1993, B 349/93). Von Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann erst gesprochen werden (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 29. März 1994, Zl. 93/05/0061, und die dort zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes), wenn gegen den angefochtenen Bescheid kein Rechtsmittel mehr zulässig ist.

Daraus ergibt sich aber, daß der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling kein letztinstanzlicher im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist, weil gegen diesen Bescheid noch eine Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates zulässig wäre.

Die Beschwerde war daher mangels Erschöpfug des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Dem Beschwerdeführer wird es freistehen, eine - mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene - Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere dessen Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Instanzenzug Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993050066.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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