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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1297;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/08/0100Betreff
Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Schidlof, über die Beschwerden der S in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen die jeweils auf Grund eines Beschlusses des zuständigen Unterausschusses ausgefertigten Bescheide des LAA Stmk vom 21. November 1991 und vom 26. März 1992, jeweils mit der Zl. IVc 7022 B - Dr.J/S, VSNr.: 1717 26 01 62, betreffend Einstellung der Notstandshilfe und Rückforderung unberechtigt empfangener Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 21. November 1991 (Einstellung der Notstandshilfe) wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Der angefochtene Bescheid vom 26. März 1992 (Rückforderung unberechtigt empfangener Notstandshilfe) wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 14. Juni 1991 sprach das Arbeitsamt Knittelfeld aus, daß die der Beschwerdeführerin gewährte Notstandshilfe mangels Notlage ab 1. Mai 1991 eingestellt werde. Begründet wurde dieser Bescheid im wesentlichen damit, daß eine Lebensgemeinschaft mit Konrad S. bestehe und dessen anrechenbares Einkommen die Notstandshilfe überschreite.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes bestätigt. Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin ursprünglich beim Arbeitsamt Graz im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestanden. Nach ihrem Umzug nach P, dem Wohnsitz von Konrad S., gegen Ende 1988 habe die Beschwerdeführerin am 12. Oktober 1988 beim Arbeitsamt Knittelfeld einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt. Dabei wurde (neben den im gemeinsamen Haushalt lebenden Töchtern Nina und Sarah) Konrad S. als "Lebensgefährte" angeführt. Aus einem Beschluß des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 17. Februar 1989 in der Vormundschaftssache der Tochter Sarah gehe hervor, daß auch das Gericht von einer Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und Konrad S. ausgegangen sei. Am 26. Juli 1989 habe die Beschwerdeführerin dem Arbeitsamt gegenüber erklärt, nur mehr so lange in P zu wohnen, bis sie eine andere Wohnung gefunden hätte. In ihrem Antrag auf Notstandshilfe vom 9. April 1990 habe die Beschwerdeführerin Konrad S. als "Mitbewohner" bezeichnet. Am 10. April 1990 habe die Beschwerdeführerin u.a. niederschriftlich erklärt, noch so lange in der Wohnung von Konrad S. zu wohnen, bis sie eine neue Wohnung gefunden hätte. Auch am 10. Jänner 1991 habe sie angegeben, nur vorübergehend in der Wohnung von Konrad S. zu wohnen, bis sie eine neue Wohnung gefunden hätte, die sie sich finanziell leisten könnte. Bei einer Erhebung an Ort und Stelle am 6. März 1991 sei festgestellt worden, daß die Wohnung in P nicht nach "Art einer Wohngemeinschaft" eingerichtet sei. Die Beschwerdeführerin habe dabei niederschriftlich erklärt, daß eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft mit Konrad S. zum Zwecke der Verminderung der Lebenskosten, jedoch keine getrennte Wirtschaftsführung bestehe. Sie würde für diesen kochen und waschen, wobei keine getrennten Lebensmittel- und Waschpulvervorräte bestünden. Sie erhalte dafür kein Geld, brauche für die Wohnung allerdings auch nichts zu bezahlen. Sie würde sich selbst seit Jahren um eine Wohnung bemühen, hätte aber keine schriftlichen Bewerbungen gestellt. Gegenleistung für die Benützung der Wohnung und der Einrichtung samt Geschirr sei, daß sie die Wohnung sauberzuhalten habe. Am 7. Juni 1991 habe sie dem Arbeitsamt gegenüber erklärt, daß sie sich bei der Gemeinde Spielberg mündlich um eine Wohnung beworben habe. Von 1985 bis zu ihrer Übersiedlung nach Spielberg sei sie in Graz als Wohnungssuchende gemeldet gewesen. Sie habe geglaubt, daß sie weiterhin dort als wohnungssuchend gemeldet sei. Vor ca. zwei Jahren habe sie jedoch erfahren, daß durch ihre Übersiedlung nach Spielberg ihre Bewerbung in Graz verfallen sei. Bei der neuerlichen Bewerbung würde sie auf der Warteliste wieder unten angereiht. Beim Arbeitsamt sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin bei der Marktgemeinde Spielberg nie als Wohnungssuchende aufscheine, da diesbezüglich ein schriftlicher Antrag mittels Formulars erforderlich wäre. Auf ein Ansuchen der Beschwerdeführerin um eine Gemeindewohnung in Graz sei ihr vom Magistrat mit Schreiben vom 5. Dezember 1985 mitgeteilt worden, daß sie zwar die geforderte Punktezahl erreiche, aber nicht vor dem entsprechenden Stichtag um die Zuteilung einer Wohnung angesucht habe. Im Schreiben eines Gemeinderates der Stadtgemeinde Graz vom 9. Juli 1987 sei von diesem die Hoffnung zum Ausdruck gebracht worden, daß die neu gefaßten Vergaberichtlinien auch für die Beschwerdeführerin eine Möglichkeit brächten, in nächster Zeit eine Gemeindewohnung zu bekommen. Daß sich die Beschwerdeführerin in der Folge bei einer Gemeinde, einer Wohnungsgenossenschaft oder einem privaten Quartiergeber tatsächlich und ernsthaft um eine Wohnung bemüht habe, sei nicht festgestellt worden.
Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes ging die belangte Behörde von einem Bestehen einer Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und Konrad S. aus. Sie habe diesen in ihrem Antrag vom 12. Oktober 1988 als Lebensgefährten bezeichnet. Dies erkläre auch, warum sie ihren Wohnsitz von Graz nach P verlegt habe. Obwohl sie in der Folge gegenüber dem Arbeitsamt erklärt habe, daß Konrad S. für sie in Zeiten der Not nicht aufkommen werde, und dieser dies auch bestätigt habe, sei das Bezirksgericht Knittelfeld im Februar 1989 vom Bestehen einer Lebensgemeinschaft ausgegangen. Seither habe die Beschwerdeführerin erklärt, die Anwesenheit in der Wohnung von Konrad S. sei nur ein vorübergehender Zustand, bis sie eine andere Wohnung finde. Sie habe jedoch im Verlauf von zwei Jahren seit ihrer erstmaligen diesbezüglichen Erklärung keine nachvollziehbare bzw. nachweisbare Anstrengung hinsichtlich der Erlangung einer eigenen Wohnung unternommen. Daß zum Vater ihrer erstgeborenen Tochter Sarah, Werner R., eine lose Verbindung bestehe, hindere die Annahme einer Lebensgemeinschaft mit Konrad S. ebensowenig wie der Umstand, daß dieser beruflich viel unterwegs sei. Für eine Lebensgemeinschaft spreche auch der Umstand, daß sie trotz behaupteter gefühlsmäßiger Endigung der Beziehung die Wohnung weiterhin gemeinsam auf unbestimmte Zeit nutze. Auf Grund der Anrechnung des Einkommens von Konrad S. bestünde kein Anspruch auf die Gewährung von Notstandshilfe.
Mit einem weiteren Bescheid des Arbeitsamtes Knittelfeld vom 7. Jänner 1992 wurde von der Beschwerdeführerin ein Betrag in der Höhe von S 153.172,-- an unberechtigt empfangenen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 12. Oktober 1988 bis 30. April 1991 mit der Begründung zurückgefordert, daß das anrechenbare Einkommen von Konrad S. die der Beschwerdeführerin zustehende Notstandshilfe übersteige. Dabei sei der 12. Oktober 1988 als Beginn der Lebensgemeinschaft anzunehmen gewesen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes bestätigt. In der Begründung ging die belangte Behörde - unter Zugrundelegung des bereits im erstangefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes - von einer Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit Konrad S. aus. Ferner wurde darauf hingewiesen, daß Werner R. niederschriftlich angegeben habe, weder im Zeitpunkt der Beschlußfassung durch das Bezirksgericht Knittelfeld vom 17. Februar 1989 noch heute eine Lebensgemeinschaft mit der Beschwerdeführerin zu führen. Er unterhalte hingegen seit 1984 freundschaftliche Beziehungen zu einer anderen Frau. Der Kontakt mit der Beschwerdeführerin ergebe sich lediglich auf Grund seiner Besuche bei der gemeinsamen Tochter Sarah. Seiner Ansicht nach sei die Beschwerdeführerin wegen ihrer Verbindung zu Konrad S. von Graz nach Spielberg verzogen. Die Beschwerdeführerin habe zu diesen Angaben im Rahmen des Parteiengehörs keine Äußerung abgegeben. Die Einrechnung des Einkommens von Konrad S. sei auf Grund unwahrer Angaben der Beschwerdeführerin unterblieben. Da die Gewährung der Notstandshilfe im Falle der Beschwerdeführerin gesetzlich nicht begründet sei, habe die Zuerkennung widerrufen und die Rückforderung ausgesprochen werden müssen.
Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 33 Abs. 2 lit. c AlVG ist eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe das Vorliegen von Notlage.
Nach § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des (der) Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des (der) Arbeitslosen nicht ausreicht.
Gemäß § 2 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen.
Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es nach § 24 Abs. 1 AlVG einzustellen.
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgeblicher Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Die §§ 24 und 25 sind Bestimmungen des Abschnittes 1 des AlVG.
Entsprechend § 38 AlVG sind, soweit in diesem Abschnitt (3) nichts anderes bestimmt ist, auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wird in beiden Beschwerden im wesentlichen das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und Konrad S. verneint, da eine sexuelle Beziehung gänzlich fehle. Unter Berücksichtigung des Alters der Beschwerdeführerin und von Konrad S. wäre dies das einzig untrügliche Merkmal für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft. Bei älteren, zum Teil nicht mehr aktiven Geschlechtspartnern könne der Wegfall der Geschlechtsgemeinschaft dazu führen, daß die Qualifikation einer Lebensgemeinschaft bestehen bleibe.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide darzutun.
Was als Lebensgemeinschaft zu betrachten ist, wird weder vom Arbeitslosenversicherungsgesetz noch in der Notstandshilfeverordnung näher bestimmt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt oder ganz fehlen kann. Es kommt hiebei regelmäßig auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an, wobei der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtsprechung überragende Bedeutung zukommt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 24. April 1990, Zlen. 89/08/0318, 0319, 0320, und vom 17. Mai 1990, Zl. 90/08/0031, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Die Existenz sexueller Beziehungen kann daher nicht als einziges Merkmal einer Lebensgemeinschaft angesehen werden.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften wird (im Verfahren zur Zl. 92/08/0013) gerügt, daß die belangte Behörde Werner R., den Vater der erstgeborenen Tochter der Beschwerdeführerin, nicht vernommen habe. Dabei hätte sich herausgestellt, daß zwischen diesem und der Beschwerdeführerin nach wie vor ein sexuell dauerhaftes Verhältnis bestehe. Ferner habe die belangte Behörde ihre Feststellung, wonach eine Lebensgemeinschaft mit Konrad S. vorliege, unzureichend begründet.
Auch diese Ausführungen, mit denen die Beschwerdeführerin im wesentlichen die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2) bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie u.a. den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, VwSlg. Nr. 8619/A). Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. das Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0071, mit weiteren Hinweisen). Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, einer Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, mit der Begründung entgegenzutreten, daß auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 92/08/0175). Die Beschwerdeführerin vermag jedoch eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde mit ihrem Vorbringen nicht aufzuzeigen:
Die belangte Behörde hat das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und Konrad S. zumindest seit 12. Oktober 1988 damit begründet, daß die Beschwerdeführerin selbst in ihrem Antrag auf Notstandshilfe beim Arbeitsamt Knittelfeld am 12. Oktober 1988 Konrad S. als Lebensgefährten bezeichnet hat. Wenn die belangte Behörde daher zunächst vom Bestand einer Lebensgemeinschaft ab Oktober 1988 ausgegangen ist, so kann dies nicht als unschlüssig erkannt werden, kommt doch auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Erklärung eines Anspruchswerbers, mit einer bestimmten Person eine "Lebensgemeinschaft zu führen" bzw. die Bezeichnung einer bestimmten Person als "Lebensgefährte", im Regelfall ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zu (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 24. April 1990). Dazu kommt, daß auch das Bezirksgericht Knittelfeld in der Vormundschaftssache der erstgeborenen Tochter der Beschwerdeführerin von einer Lebensgemeinschaft mit Konrad S. ausgegangen ist. In der Niederschrift vor dem Arbeitsamt am 26. Juli 1989 hat die Beschwerdeführerin angegeben, ihre "Beziehung" zu Konrad S. "abgebrochen" zu haben und damit implizit eingestanden, daß mit diesem einmal eine Beziehung bestanden hat. Auch der Zeuge Werner R. hat die Übersiedlung der Beschwerdeführerin von Graz nach Spielberg, dem Wohnort von Konrad S., mit der Verbindung der Beschwerdeführerin zu diesem begründet. Daß die belangte Behörde demgegenüber den Angaben der Beschwerdeführerin, Konrad S. sei nicht bereit, für sie und ihre beiden außerehelichen Kinder in Zeiten der Not aufzukommen, was Konrad S. im übrigen auch bestätigt hat, nicht als gegen eine Lebensgemeinschaft sprechend angesehen hat, kann auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Den Weiterbestand einer Lebensgemeinschaft hat die belangte Behörde im wesentlichen damit begründet, daß die Beschwerdeführerin trotz ihrer Erklärung gegenüber der Behörde, ihre Beziehung zu Konrad S. abgebrochen zu haben und bei ihm nur so lange zu wohnen, bis sie eine andere Wohnung gefunden habe, keinerlei Anstrengungen unternommen hat, eine solche Wohnung zu finden. Wenn die belangte Behörde daraus den Schluß gezogen hat, ein solches Verhalten widerspreche der Behauptung der Beschwerdeführerin, daß eine gefühlsmäßige Endigung der Beziehung zu Konrad S. vorliege, so kann dem nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Angaben der Beschwerdeführerin in der Niederschrift vom 9. März 1991 zu verweisen, wonach zwischen ihr und Konrad S. eine "wirtschaftliche Interessensgemeinschaft" zum Zwecke der Verminderung der Lebenskosten bestehe. "Getrennte Wirtschaftsführung" bestehe nicht.
In der Unterlassung der Einvernahme von Werner R. im Verfahren zur Zl. 92/08/0013 kann auch kein wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden, da auch eine lose Verbindung zu diesem der Annahme einer Lebensgemeinschaft zu Konrad S. nicht entgegensteht. Im übrigen hat Werner R. im Verfahren zur Zl. 92/08/0100 erklärt, zur Beschwerdeführerin keine Beziehungen zu unterhalten. Dem hat die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde widersprochen.
Für das unter der Zahl 92/08/0013 protokollierte Beschwerdeverfahren ergibt sich daher, daß die Annahme einer Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit Konrad S. im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde erster Instanz nicht als rechtswidrig erkannt werden kann. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 21. November 1991 war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Für das unter der Zahl 92/08/0100 protokollierte Beschwerdeverfahren, in dem mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. März 1992 von der Beschwerdeführerin ein Betrag in der Höhe von S 153.172,-- an unberechtigt empfangenen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 12. Oktober 1988 bis 30. April 1991 zurückgefordert worden ist, ist jedoch darauf zu verweisen, daß die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom 12. Oktober 1988 Konrad S. als "Lebensgefährten" bezeichnet und sein monatliches Einkommen mit "ca. S 18.000,--" angegeben hat. Daß die Beschwerdeführerin den Bezug des Arbeitslosengeldes durch unwahre Angaben im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG herbeigeführt hat, kann daher nicht gesagt werden. Vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen werden der Beschwerdeführerin unwahre Angaben erst im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe beim Arbeitsamt Knittelfeld vom 11. Juli 1989 vorzuwerfen sein, da sie in einer Niederschrift vom 26. Juli 1989 ausdrücklich erklärt hat, ihre Beziehungen zu Konrad S. abgebrochen zu haben.
Für die Zeit vom 12. Oktober 1988 bis 11. Juli 1989 stellt sich allerdings noch die Frage, ob die Beschwerdeführerin i.S. des § 25 Abs. 1 AlVG hätte erkennen müssen, daß ihr die Notstandshilfe nicht gebührte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0243, mit weiteren Judikaturhinweisen) ist der dritte Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG schon nach dem isolierten Wortlaut der Wendung "wenn er erkennen mußte, daß ..." nicht erst dann erfüllt, wenn der Leistungsempfänger die Ungebührlichkeit der Leistung an sich oder ihrer Höhe nach erkannt hat; das Gesetz stellt vielmehr auf das bloße Erkennenmüssen ab und statuiert dadurch eine (freilich zunächst nicht näher bestimmte) Diligenzpflicht. Aus der Gegenüberstellung mit den zwei anderen im § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG genannten Rückforderungstatbeständen (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen) wird jedoch deutlich, daß für die Anwendung des dritten Rückforderungstatbestandes eine gegenüber den beiden anderen Tatbeständen abgeschwächte Verschuldensform, nämlich Fahrlässigkeit, genügt. Fahrlässige Unkenntnis davon, daß die Geldleistung nicht oder nicht in der konkreten Höhe gebührte, setzt voraus, daß die Ungebühr bei Gebrauch der (im Sinne des § 1297 ABGB zu vermutenden) gewöhnlichen Fähigkeiten erkennbar gewesen ist. Ob dies zutrifft, ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei jedoch der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit weder überspannt noch überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden dürfen. Insbesondere ist im gegebenen Zusammenhang die (allgemeine) Vermutung von der Gesetzeskenntnis (§ 2 ABGB) nicht ohne weiteres heranzuziehen, weil dies der im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers, nicht schon die Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung allein auch für die Rückforderung genügen zu lassen, zuwiderliefe.
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall nicht gesagt werden, daß die Beschwerdeführerin, die zunächst die Lebensgemeinschaft mit Konrad S. und dessen monatliches Einkommen dem Arbeitsamt gegenüber angegeben hat, hätte erkennen müssen, daß ihr keinerlei Notstandshilfe zusteht. Dies hätte nur unter Anwendung der entsprechenden Anrechnungsbestimmungen der Notstandshilfeverordnung festgestellt werden können, deren Kenntnis der Beschwerdeführerin jedoch nach den obigen Ausführungen im gegebenen Zusammenhang nicht zuzumuten ist.
Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Rückforderung der Notstandshilfe für die Zeit vom 12. Oktober 1988 bis 11. Juli 1989 als rechtswidrig. Da mit dem angefochtenen Bescheid ohne nähere Differenzierung für die Zeit vom 12. Oktober 1988 bis 30. April 1991 ein Gesamtbetrag von unberechtigt empfangener Notstandshilfe zurückgefordert worden ist, war der angefochtene Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992080013.X00Im RIS seit
18.10.2001