TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/31 94/05/0243

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Veröffentlicht am 31.01.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Marktgemeinde M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 5. Juli 1994, Zl. X-K-118-94, betreffend eine Angelegenheit nach dem Bgld. Kanalanschlußgesetz 1989 (mitbeteiligte Partei: E in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Marktgemeinde hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 28. November 1991 beim Gemeindeamt der beschwerdeführenden Marktgemeinde eingelangten Schreiben vom 25. November 1991 zeigte die Mitbeteiligte dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Berufung auf § 13 Abs. 3 des Bgld. Kanalanschlußgesetzes 1989 die Ausnahme von der Anschlußverpflichtung hinsichtlich mehrerer auf dem Grundstück Nr. 27, EZ. 18 des Grundbuches über die Kat. Gem. N, gelegener Bauten, welche zu einem landwirtschaftlichen Gehöft gehören, an.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 5. Mai 1992 wurde diese Anzeige unter Berufung auf die §§ 2 Abs. 2 Z. 3 und 13 Abs. 2 und 3 leg. cit. "als nicht gerechtfertigt zurückgewiesen", weil Bauten, mit solchen, bei denen auch Schmutzwässer anfallen, nicht in Verbindung stehen dürfen oder die Möglichkeit bestehen müsse, daß sie im Falle des Abbruches der anderen Bauten für sich alleine bestehen können. Nach dem Gutachten des Amtssachverständigen der Gemeinde müßten im Falle eines Abbruches des Wohngebäudes auch die dazugehörigen Feuermauern abgetragen werden, womit die Wirtschaftsgebäude ohne eigene Abschlußmauer bestehen blieben. Daraus ergebe sich, daß "das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude als eine Gebäudeeinheit anzusehen sind". Obwohl der von der Mitbeteiligten zugezogene private Sachverständige anderer Meinung war, folgte der Bürgermeister in seinem Bescheid ohne nähere Begründung dem Gutachten des amtlichen Bausachverständigen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 16. September 1992 wurde die dagegen eingebrachte Berufung der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Auch die Berufungsbehörde ging auf die widersprüchlichen Gutachten der Sachverständigen nicht ein.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 5. Juli 1994 wurde dieser Berufungsbescheid auf Grund der dagegen eingebrachten Vorstellung der Mitbeteiligten gemäß §§ 77 und 79 der Bgld. Gemeindeordnung aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung damit, daß sich der Berufungsbescheid auf zwei Gutachten stütze, ohne zu berücksichtigen, daß diese zu entgegengesetzten Schlüssen gekommen seien. Die Berufungsbehörde habe es unterlassen, diese widersprechenden Gutachten auf den inneren Wahrheitswert zu untersuchen und einen begründeten Schluß aus dieser Prüfung zu ziehen. Die Aufsichtsbehörde habe eine gutachtliche Äußerung eines Amtssachverständigen eingeholt, welche zu dem Ergebnis gekommen sei, daß beim Abbruch die Wohngebäude mit Hilfe technischer Maßnahmen bestehen bleiben könnten.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Bgld. Kanalanschlußgesetzes 1989, LGBl. Nr. 27/1990, haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 2

Anschlußpflicht

(1) Die Eigentümer von Anschlußgrundflächen sind verpflichtet, die Abwässer (Schmutzwässer oder Niederschlagswässer) in die bewilligte öffentliche Kanalisationsanlage (§ 32 des Wasserrechtsgesetzes 1959) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes einzuleiten. Sind Eigentümer der Anschlußgrundfläche und Eigentümer eines auf dieser Grundfläche befindlichen Baues oder sonstigen Anlage verschiedene Personen, trifft diese Verpflichtung den Eigentümer des Baues oder der sonstigen Anlage.

(2) Diese Verpflichtung besteht nicht

...

3. für Bauten, bei denen nur Niederschlagswässer anfallen, die ohne nachteilige Auswirkungen zur Gänze versickern oder verrieseln können. Bauten im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die mit Bauten, bei denen auch Schmutzwässer anfallen, nicht in Verbindung stehen oder im Falle des Abbruches der anderen Bauten für sich allein bestehen könnten,

...

§ 13

Übergangsbestimmungen

(1) Anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu Ende zu führen.

(2) § 2 Abs. 2 und 3 sowie § 4 Abs. 1 Z. 2 sind auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits mit rechtskräftigem Bescheid über die Anschlußverpflichtung (Anschlußfrist) entschieden, die Anschlußbewilligung erteilt, der Anschluß bereits durchgeführt wurde oder die Anschlußfrist abgelaufen ist.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 2 sowie für bereits bestehende Anschlußgrundflächen, Bauten oder sonstige Anlagen hat der Eigentümer derselben der Behörde in den Fällen des § 2 Abs. 2 die Inanspruchnahme der Ausnahme von der Anschlußverpflichtung anzuzeigen, im Fall des § 2 Abs. 3 sowie des § 4 Abs. 1 Z. 2 einen entsprechenden Antrag zu stellen.

..."

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß die den Gegenstand der Anzeige der Mitbeteiligten bildenden Bauten die im ersten Halbsatz des eben wiedergegebenen § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. genannten Voraussetzungen erfüllen; es bestehen aber unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Frage, ob diese Bauten auch "im Falle des Abbruches der anderen Bauten für sich allein bestehen könnten", also die von der Anschlußverpflichtung ausgenommenen Bauten auch dann für sich allein bestehen könnten, wenn die "anderen", also die von der Anschlußverpflichtung nicht ausgenommenen Bauten abgebrochen werden. Der im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens von der Baubehörde herangezogene Bausachverständige hat dazu erklärt, daß "das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude als eine Gebäudeeinheit anzusehen sind", ist also offenbar der Auffassung, daß die von der Anschlußverpflichtung befreiten Bauten im Falle des Abbruches der anderen Bauten nicht für sich allein bestehen könnten, während der von der Mitbeteiligten zugezogene private Sachverständige im wesentlichen sowohl in seinem schriftlichen Gutachten vom 23. November 1991 als auch anläßlich der im Gegenstande am 16. April 1992 stattgefundenen mündlichen Verhandlung gegenteiliger Meinung war. Die Behörde erster Instanz hat zu diesem Widerspruch aber lediglich bemerkt, daß "sich die Behörde dem Gutachten des Bausachverständigen angeschlossen hat", weshalb "spruchgemäß zu entscheiden" war, also nicht jene Überlegungen aufgezeigt, die dafür maßgebend waren, daß sie der Auffassung des Amtssachverständigen den Vorzug gegeben hat (vgl. dazu u.a. das bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., auf S. 320 unter Z. 134 zitierte hg. Erkenntnis vom 15. April 1988, Zl. 85/17/0086). Auch im Berufungsbescheid wurden keine derartigen Erwägungen angestellt, da sich dessen Begründung im wesentlichen auf die Feststellung beschränkt hat, daß "der Gesetzgeber im § 2 Abs. 2 Z. 3 zweiter Satz leg. cit. mit "ANDEREN BAUTEN", auf den vorliegenden Fall angewandt, das Wohnhaus mit den dazugehörigen 4 Wänden (somit auch mit der Feuermauer) gemeint hat. In diesem Fall würden dann die Wirtschaftsgebäude ohne Anschlußmauern verbleiben, was wiederum der Bauordnung widersprechen würde".

Unter diesen Umständen hat die belangte Behörde diesen Berufungsbescheid der beschwerdeführenden Marktgemeinde zu Recht mit der Begründung aufgehoben, daß es die Berufungsbehörde unterlassen habe, "diese widersprechenden Gutachten auf den inneren Wahrheitswert zu untersuchen und einen begründeten Schluß aus dieser Prüfung zu ziehen". An der Rechtmäßigkeit dieser Aufhebung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde selbst eine gutächtliche Äußerung eines Amtssachverständigen eingeholt hat, welcher der Auffassung war, "daß die von der Anschlußpflicht ausgenommenen Bauten beim Abbruch der Wohngebäude mit Hilfe technischer Maßnahmen allein bestehen bleiben können", weil die Berufungsbehörde im fortgesetzten Verfahren nicht an diese Ansicht des Sachverständigen gebunden ist, sondern verpflichtet sein wird, im Hinblick auf den während des baubehördlichen Verfahrens aufgetretenen Widerspruch zwischen den geschilderten Auffassungen der Sachverständigen Überlegungen anzustellen und in der Bescheidbegründung aufzuzeigen, warum sie sich der Meinung eines der beiden Sachverständigen anschließt. Die belangte Behörde hat also im Hinblick auf die bloße Wiedergabe der Auffassung des von ihr befaßten Sachverständigen in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht in einer die beschwerdeführende Marktgemeinde im fortgesetzten Verfahren bindenden Weise ausgesprochen, daß zu den Bauten, die im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. "im Falle des Abbruches der anderen Bauten für sich allein bestehen könnten", auch jene gehören, die im Sinne der erwähnten Ansicht des Sachverständigen "mit Hilfe technischer Maßnahmen allein bestehen bleiben können". Ob die Auffassung der beschwerdeführenden Marktgemeinde zutrifft, daß die in Rede stehende Tatbestandsvoraussetzung von Bauten - nur - dann erfüllt ist, wenn sie "ganz ohne Durchführung baulicher Änderungen welcher Art auch immer" bestehen bleiben könnten, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.

Mit Rücksicht auf die vorstehenden Erwägungen hat die belangte Behörde den Berufungsbescheid der beschwerdeführenden Marktgemeinde sohin zu Recht aufgehoben, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994050243.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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