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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO OÖ 1875 §9 idF 1958/027;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde
1. der GG und 2. des Ing. HG, beide in H, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oö Landesregierung vom 18. November 1992, Zl. BauR-010877/1-1992 Ki/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. JH, 2. HH, beide in H, 3. Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12. 830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 19. November 1991 beantragten die Mitbeteiligten die Erteilung einer Baubewilligung für eine Gartenlaube auf ihrem Grundstück Nr. 220/34, EZ 215, KG H. Das bis zum Dachfirst 3 m hohe Gebäude aus Holz soll auf einem 11,91 m2 großen Betonfundament errichtet werden; vorgesehen sind Fenster auf drei Seiten und eine Eingangsöffnung ohne Türe.
Hinsichtlich der zu bebauenden Fläche gilt der mit Gemeinderatsbeschluß vom 7. Jänner 1969 erlassene Bebauungsplan. Der vorliegende Auszug aus dem Bebauungsplan "B-Gründe" erfaßt zwei hintereinanderliegende Streifen mit je 4 Parzellen; dieser in etwa quadratische Bereich wird von allen vier Seiten von Straßen eingeschlossen. Rundum an zwei gegenüberliegenden Seiten hineinragenden Stichstraßen sind die zur Bebauung vorgesehenen Flächen eingetragen; sämtliche Grundstücke weisen im übrigen eine grüne Färbelung auf. Die Legende erklärt die Färbelungen wie folgt:
"Lila: maximal zweigeschoßige Wohnbebauung
Rot: eingeschoßige Bauteile (Windfang, Garage, Pergola etc.)
Grün: private Grünfläche."
Festgelegt ist weiters, daß die kotierten Abstände zum öffentlichen Gut und zur Nachbargrenze auf der ganzen Länge des Bauwerkes eingehalten werden müssen; diese Koten sind bei jeder lila gefärbelten Fläche aber nur an jeweils zwei Seiten eingetragen. Eine weitere verbale Festlegung betrifft die Dächer und das geplante Kanalnetz.
Unter Bezugnahme auf diesen Bebauungsplan wendeten die beschwerdeführenden Nachbarn bei der Bauverhandlung vom 12. Dezember 1991 ein, durch die Festlegung "private Grünfläche" werde jegliche Bebauung ausgeschlossen. Eine Dachentwässerung sei nicht ausgewiesen, sodaß nicht ausgeschlossen werden könne, daß Dachwässer in das Grundwasser gelangten. Organe der Baubehörde erster Instanz seien befangen, weil sie hinsichtlich einer bereits konsenslos errichteten Gartenhütte nicht mit einem Beseitigungsauftrag vorgegangen seien.
Der bei der Verhandlung anwesende Sachverständige führte aus, daß die Bauwerber ihrer aus § 16 Abs. 4 Oö Bauverordnung entspringenden Verpflichtung (Versickerung der Dachwässer auf eigenem Grund) nachkommen würden.
Mit Bescheid vom 30. April 1992 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen wurden "gemäß § 50 Abs. 1, 2 und 3 Oö Bauordnung als unzulässig zurückgewiesen bzw. abgewiesen".
Der Gemeinderat gab mit Bescheid vom 9. Oktober 1992 der dagegen erstatteten Berufung keine Folge. Präzisierend wurde im Spruch angeführt, welche Einwendungen ab- und welche zurückgewiesen werden. In der Begründung wurde auf den von der Aufsichtsbehörde genehmigten Flächenwidmungsplan verwiesen, in dem das gegenständliche Gebiet als "Wohngebiet" aufscheine. Die Einzeichnungen im Bebauungsplan seien nicht zwingenden Baufluchtlinien gleichzusetzen, sondern lediglich schematisch zu verstehen. Für Nebengebäude werde weder die Ausführung, noch die Situierung durch den Bebauungsplan eingeschränkt. Schon weil die im Bebauungsplan vorgesehenen Abstände nur an je zwei Seiten eingetragen seien, könnte die private "Grünfläche" sogar mit Hauptgebäuden verbaut werden.
Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die Darstellung "private Grünfläche" bewirke nicht schlechthin ein Verbot der Errichtung von Baulichkeiten; dies hätte nur durch Baufluchtlinien oder verbale Anordnungen festgelegt werden können. Unter Beachtung der Grundsätze der Baufreiheit wäre somit das Vorhaben nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 Oö Bauordnung zulässig.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Nichterteilung einer den Nachbarrechten widersprechenden Baubewilligung und auf Durchführung eines gesetzeskonformen Verfahrens sowie auf Behebung eines rechtswidrigen Bescheides verletzt erachten. Es wird Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 45 Abs. 1 Oö Bauordnung 1976 (in der zuletzt durch die Novelle LGBl. Nr. 33/1988 geänderten Fassung; im folgenden: BO) sind Bauansuchen von der Baubehörde auf ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften der Bauordnung zu prüfen; gemäß Abs. 6 ist das Ansuchen ohne Verhandlung abzuweisen, wenn das Vorhaben zwingenden Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes widerspricht. Gemäß § 49 Abs. 2 BO ist die beantragte Bewilligung zu erteilen, wenn das Bauvorhaben in allen seinen Teilen den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes entspricht.
Dem gegenständlichen Vorhaben lag ein Bebauungsplan aus 1969 zu Grunde; Rechtsgrundlage dieses Bebauungsplanes war die Bestimmung des § 9 der Bauordnung für Oberösterreich, GuVBl. Nr. 15/1875 (im folgenden: BO 1875) i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 27/1958, deren erster Satz lautete:
"Wenn und insoweit es das öffentliche Interesse erfordert, ist zur Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung durch Flächenwidmungspläne zu regeln, welche Gebiete für die Bebauung bestimmt sind und welche Gebiete von jeder oder von einer bestimmten Bebauung frei zu halten sind. Durch Bebauungspläne ist die Aufschließung von Gebieten für die Bebauung sowie die Art der Bebauung zu regeln."
"Die Art der Bebauung" wurde im vorliegenden Fall in der Weise geregelt, daß um die Stichstraßen in einer Art Gruppenbauweise (vgl. § 20 Abs. 3 Z. 4 Oö ROG 1972) die Hauptgebäude der jeweils vier Parzellen zurückgesetzt, die eingeschoßigen Bauteile aber unmittelbar an der Straße angeordnet werden sollen. Alle übrigen Flächen sollen Grünflächen sein.
Das vorliegende Projekt ist unzweifelhaft als Nebengebäude im Sinne des § 29 Abs. 1 BO anzusehen; diese Bestimmung zählt beispielhaft Flugdächer, Schuppen, Garagen und ähnliche Gebäude auf. Abs. 3 dieser Bestimmung bezeichnet Garten- und Gerätehütten als Nebengebäude.
Schon die Anführung von Garagen im Bebauungsplan als Beispiele eingeschoßiger Bauteile erlaubt nicht mehr den Schluß, Nebengebäude seien vom Bebauungsplan nicht erfaßt und daher nach den Grundsätzen der Baufreiheit überall zulässig. Vielmehr regelt der Bebauungsplan durch die Einteilung in zweigeschoßige Wohngebäude, eingeschoßige Bauteile und private Grünflächen umfassend die Art der Bebauung (vgl. § 19 Abs. 1 Oö ROG 1972). Insbesondere wird in eindeutiger Weise festgelegt, welche Fläche von der Bebauung grundsätzlich frei zu halten ist. Daß das Fehlen von Fluchtlinien die Grünfläche offenbar an beliebiger Stelle und nur durch § 29 Abs. 2 BO beschränkt (100 m2 bzw. ein Zehntel des Bauplatzes) verbaubar machen soll, kann mit der aus dem Bebauungsplan hervorleuchtenden Absicht des Verordnungsgebers nicht in Einklang gebracht werden. Vielmehr hätte die Baubehörde von der Bestimmung des § 29 Abs. 3 BO ausgehen müssen: Danach können, soweit sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt, Garten- und Gerätehütten sowie ähnliche Nebengebäude mit einer verbauten Grundfläche bis zu 8 m2 auch auf den nach der festgelegten Bauweise (bzw. gemäß § 32 Abs. 2 BO) von einer Bebauung frei zu haltenden Grundfläche, nicht jedoch im Vorgarten errichtet werden. Daraus folgt aber, daß eine Gartenlaube mit einer 8 m2 übersteigenden Grundfläche aufgrund der im Bebauungsplan festgelegten Bauweise nicht bewilligungsfähig ist.
Mit dem Hinweis nur auf die Bestimmung des § 29 Abs. 2 BO durch die Vorstellungsbehörde wird der normativen Bedeutung der Festlegung "Grünfläche" nicht Rechnung getragen. Es darf nicht übersehen werden, daß der Verordnungsgeber eben nicht nur die Anordnung der Hauptgebäude sowie der eingeschoßigen Bauteile und die Gebäudehöhen festgelegt hat, sondern auch Flächen begrünt, also unbebaut sehen wollte.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß der Bescheid - ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Vorbringen bedarf - , gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, daß gemäß § 25 Abs. 2 Z. 11 der am 1. Jänner 1995 in Kraft getretenen - hier nicht anwendbaren - Oö Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66, andere ebenerdige Gebäude mit einer bebauten Grundfläche bis 12 m2, soferne sie in einer geschlossenen Ortschaft oder in einem Gebiet ausgeführt werden sollen, für das ein rechtswirksamer Bebauungsplan vorhanden ist und sie nicht Wohnzwecken dienen, von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992050339.X00Im RIS seit
03.05.2001