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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des RechtsanwaltstarifG idF der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 bezüglich der Begrenzung des Tarifs für Mahnklagen; Zumutbarkeit der Beschreitung des ZivilrechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1.1. Gestützt auf Art140 B-VG begehrt der Antragsteller, §23 Abs7 des Rechtsanwaltstarifgesetzes (RATG) idF des ArtXXIX der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl. Nr. 343/1989, als verfassungswidrig aufzuheben und ihm gemäß §27 iVm §65a VerfGG den Ersatz der Kosten zuzusprechen.
1.1.2. Die angefochtene Bestimmung lautet:
"(7) In Rechtsstreitigkeiten, in denen die Zahlung eines 5.000 S nicht übersteigenden Geldbetrags begehrt wird und ein bedingter Zahlungsbefehl (§448 der Zivilprozeßordnung) zu erlassen ist, gebührt für die in der Tarifpost 2 genannten Klagen der Einheitssatz nach Abs3. Wird gegen den Zahlungsbefehl Einspruch erhoben und findet keine erste Tagsatzung statt, so ist stattdessen für die Klage der doppelte Einheitssatz zuzusprechen."
1.2.1. Der Antragsteller führt zu seiner Antragslegitimation im wesentlichen aus, daß er als Rechtsanwalt Normadressat des RATG sei und dieses in zivilrechtlichen Angelegenheiten sowohl im Innenverhältnis zwischen der von ihm vertretenen Partei und ihm selbst als auch bei der Bestimmung der Kosten, deren Ersatz dem Prozeßgegner obliege, anzuwenden habe. Das RATG berühre ihn daher unmittelbar in seinen subjektiven Rechten, in welchen er durch den seiner Ansicht nach verfassungswidrigen §23 Abs7 RATG verletzt werde. Außerdem sei er auch konkret beschwert, da er eine Reihe von Mahnklagen mit einem unter S 5.000,-- liegenden Streitwert nach Tarifpost 2, auf welche der §23 Abs7 RATG Anwendung finde, beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebracht habe, wobei in allen diesen Causen bereits ein mittlerweile rechtskräftig und vollstreckbar gewordener Zahlungsbefehl erlassen worden sei.
1.2.2. Die Geltendmachung seiner Bedenken gegen die Bestimmung des §23 Abs7 RATG im Rahmen eines Zivilprozesses sei ihm auf Grund der Tatsache verwehrt, daß Klagen, in denen die Zahlung eines S 5.000,-- nicht übersteigenden Geldbetrages begehrt werde und ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen sei, zwingend in Form einer ADV-Mahnklage einzubringen seien. Bei einer solchen könnten aber nur Normalkosten begehrt werden. Die Verzeichnung von 120 % Einheitssatz sei hingegen aufgrund des Formularcharakters der Klage unmöglich. Gegen einen Zuspruch von begehrten Normalkosten bei Mahnklagen nach Tarifpost 2 bis zu einem Streitwert von S 5.000,-- könnte zwar ein Kostenrekurs erhoben werden. Dieser wäre aber nicht nur inhaltlich völlig aussichtslos, sondern auch infolge Zuspruchs des Begehrten unzulässig, weil die Rechtsmittellegitimation mangels Beschwer fehle.
1.2.3. Was die behauptete Verfassungswidrigkeit des §23 Abs7 RATG betrifft, so bringt der Antragsteller mit näherer Begründung vor, warum er diese Bestimmung für gleichheitswidrig hält.
2.1. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich sowohl mit der Zulässigkeit des Antrages beschäftigt als auch mit den Bedenken des Antragstellers auseinandersetzt und den Antrag stellt, den Individualantrag als unzulässig zurückzuweisen bzw. in eventu auszusprechen, daß §23 Abs7 RATG nicht verfassungswidrig sei.
2.2. Zur Frage der Zulässigkeit des Individualantrages führt die Bundesregierung in ihrer Äußerung insbesondere aus:
"Hingegen trifft die weitere für die Antragslegitimation maßgebliche Voraussetzung, daß ein zumutbarer Umweg zur Klärung der Frage der Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Bestimmung nicht gegeben ist, offenbar nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist nämlich der Umweg über einen Zivilprozeß grundsätzlich zumutbar (VfSlg. 11759/1988 ua). In diesem Sinne könnte der Antragsteller von den von ihm vertretenen Parteien ungeachtet des Fehlens einer von §23 Abs7 RATG abweichenden Vereinbarung denjenigen Betrag verlangen und klagsweise einfordern, der ohne die angefochtene Bestimmung maßgeblich wäre. Im Zivilprozeß könnte er seine Bedenken gegen §23 Abs7 RATG vortragen und die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anregen.
Zum Vorbringen des Antragstellers, wonach die Gestaltung der für Mahnklagen zu verwendenden Formulare der Verzeichnung eines höheren als des nach der angefochtenen Bestimmung zulässigen Einheitssatzes hinderlich ist, ist zu bemerken, daß ein derartiges Hindernis sich nur in der Rechtssphäre der vertretenen Partei, nicht jedoch in der des Rechtsanwalts auswirken würde. Insofern fehlt dem Antragsteller die unmittelbare Betroffenheit. Die Behauptung des Antragstellers, im Rahmen einer ADV-Mahnklage (damit meint der Antragsteller offensichtlich - mit Rücksicht auf die zwischenweilige allgemeine Umstellung der Bezirksgerichte - die Anlage B der Mahnform-Verordnung, BGBl. Nr. 467/1985) könnten nur 'Normalkosten' begehrt (verzeichnet) werden, ist aber überdies unrichtig. Vielmehr stünde es dem Antragsteller sehr wohl frei, in der Feldgruppe 8 des Formulars die Kästchen nicht anzukreuzen (sohin keine Normalkosten zu verzeichnen), in dem Kästchen mit der Überschrift 'sonstige Auslagen/Kosten' etwa den Vermerk aufzunehmen: 'siehe das weitere Vorbringen' (Feldgruppe 15), im Kästchen 'Betrag in ÖS' (der Feldgruppe 8) den Gesamtbetrag seiner Kostenforderung (einschließlich des doppelten Einheitssatzes) einzutragen und in die Felgruppe 15 ('Weiteres Vorbringen') ein Kostenverzeichnis aufzunehmen, in dem auch der angestrebte doppelte Einheitssatz verzeichnet ist. All das gilt auch für den Fall, daß die Klage elektronisch eingebracht wird. Gegen eine dem Kostenbegehren nicht zur Gänze stattgebende Entscheidung könnte in der Folge Rekurs erhoben und angeregt werden, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Der Antrag erscheint somit als unzulässig."
3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Individualantrages erwogen:
3.2. Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten kommt aber die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist vielmehr erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein solcher, die Antragslegitimation begründende Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen. Ein "unmittelbarer" Eingriff ist aber dann nicht gegeben, wenn dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Gesetzes zugefügten - Rechtsverletzung zur Verfügung steht (VfSlg. 10251/1984, 10511/1985, 10606/1985, 11823/1988).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das den Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (VfSlg. 8312/1978, 9939/1984, 10857/1986, 11045/1986, 11823/1988). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, daß ein gerichtliches (oder verwaltungsbehördliches) Verfahren anhängig war, in welchem der Antragsteller über die Möglichkeit verfügte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (VfSlg. 8890/1980 und VfGH 30.9.1991 G111/90). In so einem Fall wäre ein Individualantrag nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (VfSlg. 8312/1978, 11344/1987, 11823/1988).
3.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht der Bundesregierung, daß dem Antragsteller ein zumutbarer Umweg über einen Zivilprozeß zur Geltendmachung seiner Bedenken offensteht. Dieser hat - wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung im Detail ausführt - die Möglichkeit, bei Mahnklagen nach Tarifpost 2 bis zu einem Streitwert von S 5.000,-- auf dem für Mahnklagen zu verwendenden Formular den begehrten doppelten Einheitssatz zu verzeichnen und im Falle, daß ihm dieser nicht zugesprochen wird, gegen die Kostenentscheidung Rekurs zu erheben. Die mangelnden Erfolgsaussichten dieses Rechtsmittels stellen keinen besonderen, außergewöhnlichen Umstand dar, der die Zulässigkeit eines Individualantrages begründen könnte. Denn es kommt nicht auf die materiellen Erfolgschancen des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges an, sondern allein darauf, daß im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit besteht, die vom Antragsteller angenommenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (VfSlg. 10592/1985).
3.4. Der Individualantrag war daher schon aus diesem Grund mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Rechtsanwaltstarif, Wertgrenzen (Rechtsanwaltstarif)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G63.1992Dokumentnummer
JFT_10078993_92G00063_00