TE Vfgh Beschluss 1992/10/12 V199/90

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Veröffentlicht am 12.10.1992
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Wr BauO 1930 §53

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines Bebauungsplanes hinsichtlich der Verpflichtung der Anlieger zur Herstellung und Erhaltung einer Straße mangels Legitimation; Verpflichtung zu konkreten Anliegerleistungen erst durch Bescheid

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der unter der Überschrift "Verpflichtung der Anlieger zur Herstellung und Erhaltung von Straßen" stehende (idF der Novelle LGBl. 18/1976 geltende) §53 der BauO f Wien hat folgenden Wortlaut:

"§53. (1) Dienen neue Verkehrsflächen, die auf Antrag eines Eigentümers (aller Miteigentümer) einer Liegenschaft im Bebauungsplan festgesetzt werden sollen, lediglich der besseren Aufschließung seiner (ihrer) Grundfläche, kann anläßlich der Festsetzung des Bebauungsplanes angeordnet werden, daß diese Verkehrsflächen von den Eigentümern (Miteigentümern) der anliegenden Bauplätze oder Baulose nach den Anordnungen der Gemeinde hergestellt, erhalten, gereinigt, beleuchtet und ebenso die notwendigen Einbauten hergestellt und erhalten werden.

(2) Kommen die Eigentümer diesen Verpflichtungen nicht nach und wird die Leistung nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt, so werden die Kosten der Ersatzvornahme unbeschadet des Rückgriffsrechtes der Eigentümer untereinander auf die einzelnen Eigentümer nach den Frontlängen der Baulinien aufgeteilt.

(3) Übernimmt die Gemeinde diese Verpflichtungen, haben die Eigentümer (Miteigentümer) die zur Verkehrsfläche entfallenden Grundflächen ohne Anspruch auf Entschädigung vorher an die Gemeinde abzutreten."

Mit Beziehung auf die eben wiedergegebene Gesetzesvorschrift stellt der Einschreiter den (näher begründeten) Antrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG, das Plandokument 5709 (in einem noch zu erwähnenden Umfang) wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben. Er bringt - sinngemäß auf das Wesentliche zusammengefaßt - vor, daß er als Eigentümer der Liegenschaft EZ 555 der KG Hadersdorf mit dem Grundstück 335/14 (Adresse: Kampfstraße 24, 1140 Wien) durch die Verordnung, welche die Kampfstraße gesetzwidrig als Straße im Sinne des §53 festlege, zu Anliegerleistungen verpflichtet werde. Von der Verordnung sei er unmittelbar betroffen; die Erwirkung eines notwendigerweise abweisenden Bescheides in einem von vornherein aussichtslosen Verwaltungsverfahren sei nicht zumutbar. Der Individualantrag enthält das Begehren,

"den Beschluß des Wiener Gemeinderates PrZ 440/83 vom 18.2.1983, womit der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für den 'Augustinerwald' erlassen wurde, bezüglich der Festlegung der '§53-Straßen' für die im 14. Wiener Gemeindebezirk gelegene Kampfstraße im Bereich ON 24 als gesetzwidrig aufzuheben."

2. Der Gemeinderat der Stadt Wien erstattete eine Äußerung mit dem Begehren, den Antrag mangels Legitimation des Einschreiters zurückzuweisen. Aus §53 Abs2 (arg. "im Wege der Ersatzvornahme") ergebe sich, daß die im §53 Abs1 vorgesehenen "Anordnungen der Gemeinde" in Bescheidform zu ergehen haben. Da die Verpflichtung zu besonderen Anliegerleistungen einer bescheidmäßigen Konkretisierung bedürfe, werde die angefochtene Verordnung für den Antragsteller nicht ohne Erlassung eines Bescheides wirksam.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (zB VfSlg. 11919/1988 mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die demnach hier ausschließlich zu betrachtende Verpflichtung zu Anliegerleistungen läßt sich - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht unmittelbar aus der angefochtenen Verordnung ableiten. Sie ist weder dort im einzelnen festgelegt noch ergibt sie sich in der Weise aus der Verordnung, daß diese eine im Gesetz zureichend umschriebene Verpflichtung auslöst. Der Verfassungsgerichtshof teilt die aus dem Zusammenhalt der Absätze 1 und 2 im §53 abgeleitete Ansicht des Gemeinderates, daß die konkreten (im §53 Abs1 nur allgemein umschriebenen) Maßnahmen bezüglich der Herstellung und Erhaltung der Straße einer Vorschreibung durch Bescheid bedürfen; es setzt nämlich die nach Abs2 mögliche Ersatzvornahme begrifflich einen Titelbescheid voraus, und es können die im Abs1 vorgesehenen "Anordnungen der Gemeinde", da sie nicht schon im Bebauungsplan selbst genau zu umschreiben sind, gegenüber dem einzelnen Eigentümer (Miteigentümer) des anliegenden Bauplatzes oder Bauloses, also gegenüber individuell bestimmten Personen, hoheitlich nur durch Bescheid getroffen werden. Folgt die Verpflichtung zu konkreten Anliegerleistungen aber erst aus einem aufgrund des §53 der BauO f Wien sowie des maßgeblichen Bebauungsplanes zu erlassenden Bescheides, so kann von einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre nicht gesprochen werden.

Der vorliegende Individualantrag ist daher mangels Legitimation des Antragstellers zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden konnte.

Bei diesem Ergebnis ist eine weitergehende Beurteilung des Antrages in der Richtung entbehrlich, ob dessen materieller Erledigung etwa auch unter anderen Aspekten Verfahrenshindernisse entgegenstünden; so etwa unter dem Blickwinkel, ob die bloße Anführung "§53" bezüglich der in der Planbeilage dargestellten Kampfgasse allein (nämlich ohne weitere Erläuterung in der einen integrierenden Bestandteil der Verordnung einschließlich ihrer Planbeilage bildenden Zeichenerklärung) hinreicht, die vom Gemeinderat beabsichtigte Unterstellung der Verkehrsfläche unter den §53 der BauO f Wien normativ zu bewirken, sowie von den Erfordernissen her gesehen, die aufgrund des VerfGG an das Aufhebungsbegehren hinsichtlich des in einem Verordnungsprüfungsverfahren zu beurteilenden Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes zu stellen sind (s. zB VfSlg. 11807/1988).

Schlagworte

Baurecht, Anliegerrechte u -pflichten, Bebauungsplan, VfGH / Individualantrag, Straßenbau (Kosten)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:V199.1990

Dokumentnummer

JFT_10078988_90V00199_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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