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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des V in Wien, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Februar 1994, Zl. SD 65/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Februar 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes - FrG. BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 6. September 1993 von Beamten des Landesarbeitsamtes Wien auf einer Baustelle in Wien 2 arbeitend angetroffen worden sei, ohne im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung gewesen zu sein. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG verwirklicht; auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer halte sich erst seit Jänner 1992 in Österreich auf und sei hier keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Es könne daher nicht von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers gesprochen werden. Doch selbst wenn man von einem derartigen Eingriff ausgehe - im Bundesgebiet lebten Cousins des Beschwerdeführers, der zudem eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen sei -, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen (hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie im Interesse einer geordneten Fremden- und Beschäftigungspolitik) dringend geboten und daher zulässig (§ 19 FrG). Der Berufung sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer immer wieder Schwarzarbeit ausgeübt habe - er sei darüber hinaus am 3. November 1993 neuerlich auf einer Baustelle, und zwar in Wien 21, von Organen des Landesarbeitsamtes bei einer Beschäftigung angetroffen worden, die den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuwiderlaufe -, sodaß eine Zukunftsprognose nicht zu seinen Gunsten ausfallen könne. Schwer ins Gewicht falle auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer bestraft worden sei, weil er sich von Juni bis Oktober 1992 unerlaubt in Österreich aufgehalten habe, zeige doch auch dieses Verhalten, daß er keinerlei Bedenken habe, sich über für ihn wesentliche Bestimmungen hinwegzusetzen. Angesichts des gegebenen Sachverhaltes müsse den öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes der Vorrang gegenüber den mit dieser Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers eingeräumt werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung hat die belangte Behörde sachverhaltsbezogen den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z.8 FrG zu Recht als erfüllt angesehen. Ob es zu einer Bestrafung wegen Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz kam/kommt, ist im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerheblich. Die Auffassung, daß die Bestimmungen des AuslBG auf den Beschwerdeführer als "bosnischer Flüchtling" nicht anzuwenden seien, findet im Gesetz keine Deckung. Daß dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen sei, daß er ohne entsprechende Bewilligung in Österreich keiner Beschäftigung nachgehen dürfe, hinderte nicht die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG. Im übrigen wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, sich über die insoweit einschlägige Rechtslage vor Aufnahme einer Beschäftigung zu in informieren, ganz abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer sich durch den Vorfall vom 6. September 1993 nicht davon abhalten ließ, weiter der Schwarzarbeit nachzugehen (neuerliches Betreten durch Organe des Landesarbeitsamtes Wien am 3. November 1993).
Auch die auf der Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG gründende Annahme der belangten Behörde, es sei die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt, stößt auf keine Bedenken (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0153, und vom 1. Juni 1994, Zl. 93/18/0401). Dazu kommt, daß die belangte Behörde insoweit auch - wie geschehen - auf einen mehrmonatigen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich Bedacht nehmen durfte.
2. Die belangte Behörde hat - unter der Annahme, es liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor - die Verhängung dieser Maßnahme als im Grunde des § 19 FrG zulässig, da zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten, erachtet. Auch diese Beurteilung ist angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Schwarzarbeit zutreffend (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/0153).
3.1. Die Beschwerde hält die von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs.1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig, weil hiebei keine Rücksicht darauf genommen worden sei, daß der Beschwerdeführer mit Claudia E. eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei, bei ihr wohne, für sie sorge und sie "rund um die Uhr" pflege. Aufgrund der schweren Krankheit der Claudia E. sei deren ständige Betreuung unbedingt erforderlich, da sie ansonsten ständig im Krankenhaus leben müßte, was ärztlicherseits bestätigt werde. Der Beschwerdeführer sei für diese Betreuung eingeschult worden. Hätte die belangte Behörde diese besonders berücksichtigungswürdigen Umstände festgestellt, so hätte sie von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer Abstand nehmen müssen.
3.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Die belangte Behörde hat dem von ihr gewonnenen Ergebnis, daß den öffentlichen Interessen, die an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestünden, der Vorrang gegenüber den mit dieser Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers einzuräumen sei, als für den Beschwerdeführer bzw. seinen (weiteren) Aufenthalt in Österreich sprechende Umstände den Aufenthalt von Cousins im Bundesgebiet und seine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin zugrunde gelegt. Sie hat jedoch in bezug auf die zuletzt genannte Tatsache mit keinem Wort auf die ihr nach Ausweis der Akten bekannten besonderen Begleitumstände dieser Lebensgemeinschaft Bedacht genommen.
Bereits in der Berufung hatte der Beschwerdeführer auf die seit vielen Jahren bestehende schwere (mitunter lebensbedrohende) Krankheit seiner Lebensgefährtin, deren Angewiesenheit auf fremde Hilfe und darauf hingewiesen, daß er diese wesentliche Obsorge übernommen habe. Aus dem der belangten Behörde vorgelegten Schreiben des Dr. G, Facharzt für Innere Medizin, vom 21. Dezember 1993 geht hervor, daß es sich bei Claudia E., die seit vielen Jahren in seiner ärztlichen Behandlung stehe, um einen "schwersten insulinpflichtigen Diabetes mellitus mit renaler Insuffizien, zweimaliger wenig erfolgreicher Nierentransplantation, Notwendigkeit einer Peritonealdialyse und vor allem um eine schwerste Retinopathie mit fast vollständiger Blindheit (handelt)", weiters, daß die Patientin "rund um die Uhr einer fürsorglichen Pflege (bedarf)", wofür sich schon vor längerer Zeit der Beschwerdeführer gefunden habe, "der diese Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit der Patientin erfüllt und der derzeit und in Zukunft völlig unersetzlich ist; ohne dessen Hilfe müßte die Patientin hospitalisiert werden".
Daß angesichts der solcherart beschriebenen besonderen Situation die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer auf die "Lebenssituation des Fremden und seiner Familie" sehr schwer wögen, bedarf keiner weiteren Erörterung.
4. Da - unbeschadet des Gewichtes der für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen - nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde, hätte sie die dargestellten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180201.X00Im RIS seit
20.11.2000