Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des F in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. April 1994, Zl. SD 804/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. April 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Unter einem wurde der Ausspruch der Erstbehörde betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung bestätigt.
Der Beschwerdeführer habe erstmals am 19. Juli 1991 die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt. Er habe jedoch bereits im Februar 1991 unter einem anderen (bestimmten) Namen einen Asylantrag gestellt. Sein nunmehriger Versuch, dieses Fehlverhalten damit zu erklären, daß er anläßlich eines kurzen Besuches in Österreich von einem Freund ersucht worden sei, für ihn einen Termin bei der Behörde wahrzunehmen und ihm gar nicht bewußt gewesen sei, daß es sich um eine Vernehmung im Rahmen eines Asylverfahrens gehandelt habe, sei nicht glaubwürdig. Dem Beschwerdeführer seien Fingerabdrücke abgenommen worden, außerdem sei er als vermeintlicher Flüchtling auch über seinen Fluchtweg aus Nigeria befragt worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer seine unrichtigen Angaben über seine Person und seine persönlichen Verhältnisse gegenüber einer österreichischen Behörde gemacht habe, um sich eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu verschaffen. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers sowie sein seit 1. November 1993 unerlaubter Aufenthalt in Österreich - sein ihm zuletzt erteilter Sichtvermerk sei lediglich bis 31. Oktober 1993 gültig gewesen - rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahmen.
Hinsichtlich der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG sei festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1991 zu Studienzwecken eingereist sei, bis jetzt aber keine Studienerfolge nachzuweisen vermöge. Von einem hohen Grad an Integration könne nicht gesprochen werden, zumal der Beschwerdeführer auch keinerlei "familiäre Beziehungen zu Österreich" habe. Die Tatsache, daß er mit einer österreichischen Staatsbürgerin in Lebensgemeinschaft lebe, vermöge keinen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG zu bewirken. Abgesehen davon wäre selbst bei Vorliegen eines solchen Eingriffes die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der Ordnung sowie einer geordneten Fremdenpolitik - dringend geboten. Angesichts dieses Sachverhaltes und des Umstandes, daß auch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG zu Ungunsten des Beschwerdeführers auszufallen hätte, werde das Aufenthaltsverbot gegen ihn zu Recht erlassen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde ist mit ihrer Ansicht, daß der von der belangten Behörde als maßgeblich angenommene Sachverhalt nicht den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirkliche, schon deshalb im Recht, weil diese Norm zufolge § 86 Abs. 1 leg. cit. erst mit 1. Jänner 1993 in Kraft getreten ist, folglich vor diesem Zeitpunkt (hier: im Februar 1991) unrichtige Angaben eines Fremden einer österreichischen Behörde gegenüber, um sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 FrG (also nach dem mit 1. Juni 1992 in Kraft getretenen Asylgesetz 1991) zu verschaffen, rechtlich ausgeschlossen waren.
1.2. Gleichwohl ist damit für den Beschwerdeführer im Ergebnis nichts gewonnen. Die rechtlich verfehlte Subsumtion seines Verhaltens unter § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verletzte ihn nicht in subjektiven Rechten, weil das besagte, von ihm ausdrücklich als solches eingeräumte Fehlverhalten (siehe die Stellungnahme vom 16. Februar 1994 der belangten Behörde gegenüber) selbst bei Zutreffen seiner Behauptung, daß er durch das Stellen eines Asylantrages unter falschem Namen einem anderen Fremden (dieses Namens) eine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich nach dem Asylgesetz 1968 zu verschaffen trachtete, einen krassen Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellte, der in Anbetracht des hohen Stellenwertes, der einem geordneten Asylwesen zukommt, unmittelbar - ohne daß es der Verwirklichung einer der Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG bedürfte - die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung i.S. des § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gerechtfertigt erscheinen läßt (zur Stützung eines Aufenthaltsverbotes ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG - gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit. - vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 3. März 1994, Zl. 93/18/0340, und vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0599).
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer das in Rede stehende Verhalten schon vor etwas mehr als drei Jahren gesetzt hat. Wenngleich die Tatsache des seither verstrichenen Zeitraumes nicht zur Gänze zu vernachlässigen ist, ist das Erschleichen einer Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Asylwesens doch von solchem Gewicht, daß der angesprochene Zeitfaktor nicht von entscheidender Bedeutung ist. Dies umso weniger, als bei der Wertung des dem § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG zu subsumierenden Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers auch dessen bereits mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet zu berücksichtigen ist. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, daß sich der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen im Grunde des § 6 Abs. 3 AufG rechtzeitig gestellten Antrag nach wie vor rechtmäßig in Österreich aufhalte, läßt den letzten Satzteil ("längstens aber um sechs Wochen") des § 6 Abs. 3 zweiter Satz AufG außer acht.
2. Stößt somit die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, daß das verpönte Gesamtverhalten des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung) rechtfertige, auf keine Bedenken, so bleibt die Zulässigkeit des verhängten Aufenthaltsverbotes aus dem Blickwinkel der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG zu prüfen.
2.1. Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, daß mit dem Aufenthaltsverbot aufgrund seines über drei Jahre dauernden und zum überwiegenden Teil rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich sowie seiner Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen ein im Grunde des § 19 FrG relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sein würde. Der Gerichtshof ist indes mit der belangten Behörde der Ansicht, daß diese Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Asylwesens sowie des Fremdenwesens) und damit zur Erreichung eines im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles dringend geboten ist.
2.2. Das gewichtige öffentliche Interesse an der Hintanhaltung von Beeinträchtigungen dieser Ordnung durch ein Verhalten wie es dem Beschwerdeführer vorzuwerfen ist, führt aber auch zur Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 20 Abs. 1 FrG. Denn die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid berücksichtigten Umstände der (noch keineswegs langen) Dauer des Aufenthaltes, des Ausmaßes der Integration (wobei letzteres nicht zuletzt im Hinblick auf das aktenkundigew Fehlen schulischer Erfolge zutreffend als nicht allzu groß bewertet wurde) und der Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin sind in ihrer Gesamtheit nicht höher zu veranschlagen als jenes öffentliche Interesse, dem der Beschwerdeführer in grober Weise zuwider gehandelt hat.
3. Angesichts der vorstehenden Ausführungen fehlt es den Verfahrensrügen - Nichteinholung des Asylaktes, Nichteinvernahme des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin - jedenfalls an Relevanz.
4. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Aufrechterhaltung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung wendet, wird in der Beschwerde nicht dargetan und ist auch nicht erkennbar, inwiefern der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist, zumal er nicht behauptet, aufgrund des (durchsetzbaren) erstinstanzlichen Bescheides abgeschoben worden zu sein (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0145 mwN).
5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Umfang des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180231.X00Im RIS seit
20.11.2000