TE Vfgh Beschluss 1992/10/12 V32/92

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Veröffentlicht am 12.10.1992
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Oö BauO §46 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Änderung eines Flächenwidmungsplanes mangels Legitimation der antragstellenden Nachbarn; neuerliche Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges nach Aufhebung der eine Verfahrensfrage betreffenden Vorstellungsbescheide durch den Verfassungsgerichtshof zumutbar

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.a) Die antragstellende Gesellschaft betreibt in Ansfelden (Oberösterreich) einen Industriebetrieb zur Herstellung von Stahlbetonbewehrungen. Dieser Betrieb liegt an der Bahnlinie Linz-Selzthal. Jenseits der Bahnlinie wurden (nach erfolgter Umwidmung von Grünland in Wohngebiet und entsprechenden Parzellierungen) von der Gemeindebehörde Baubewilligungen zur Errichtung von Wohnhäusern erteilt.

b) Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt die einschreitende Gesellschaft, "den Änderungsplan Nr. 3.51 zum Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Stadtgemeinde Ansfelden, 'Obermayr-Birkensiedlung', Beschluß des Gemeinderates zu TOP X 1 b vom 5.7.1990, genehmigt zu Bau R-9-019067/2-1990 mit Bescheid der OÖ. Landesregierung vom 7.1.1991 und kundgemacht am 14.1.1991, insoweit er das östlich der Bahnlinie an das Trenngrün anschließende Wohngebiet 'W' betrifft, als gesetzwidrig aufzuheben".

Zur Antragsvoraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit verweist die Antragstellerin auf zahlreiche durch das neue Wohngebiet ausgelöste Bauverfahren. Die antragstellende Gesellschaft würde "demnächst in 28 Fällen gezwungen sein, begründete Einwendungen gegen Bauansuchen" auf diesem Wohngebiet zu erheben. Von acht bereits erteilten Baubewilligungen habe die Antragstellerin gegen sechs Vorstellungsbescheide der Oberösterreichischen Landesregierung Verfassungsgerichtshofbeschwerden einbringen müssen (diese Beschwerden seien zu B614/92, B615/92, B616/92, B617/92, B618/92 und B620/92 beim Verfassungsgerichtshof anhängig).

Die antragstellende Gesellschaft habe bereits Verfahrenskosten, Kosten für Gutachten und Anwaltskosten in Höhe von mehreren hunderttausend Schilling zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen, die somit bereits jetzt beeinträchtigt würden, bezahlen müssen. Die bekämpfte Widmung greife auch deshalb bereits jetzt unmittelbar in die Rechte der Antragstellerin ein, weil die Bauwerber in den neuen Wohngebieten "bereits jetzt Immissionsschutz geltend machen werden und können". Die Möglichkeit, in 28 Bauverfahren Einwendungen zu erheben, an den Verhandlungen teilzunehmen und die erforderlichen Rechtsmittel zu ergreifen, sei "kein zumutbarer und auch kein verwaltungsökonomischer Weg", um die Überprüfung des rechtswidrigen Flächenwidmungsplanes zu erreichen.

Der vorliegende Individualantrag sei daher in diesem besonders gelagerten Fall der einzig zumutbare Weg zur Bekämpfung der Planänderung.

2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat in einer Äußerung die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.

3. Der Antrag ist nicht zulässig.

a) Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Eine für Nachbargrundstücke geltende Flächenwidmungsplanänderung greift nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht unmittelbar in die Rechtssphäre ein, weil ein solcher unmittelbarer Eingriff erst durch einen für das Nachbargrundstück erteilten Baubewilligungsbescheid bewirkt wird (vgl. z.B. VfGH 26.2.1991 V474/90 mwH); daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß bereits Bauführungen vorgenommen wurden (s. VfGH 9.10.1991 V554/90).

Nach §46 Abs1 OÖ Bauordnung sind Nachbarn nicht nur die Eigentümer von Anrainergrundstücken, sondern auch jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Falls sich die Antragstellerin durch den bekämpften Flächenwidmungsplan tatsächlich in ihren Nachbarrechten verletzt erachtet, steht es ihr frei, aufgrund der ihr im Bauverfahren zukommenden Parteistellung unter Ausschöpfung des Rechtsmittelzuges an den Verfassungsgerichtshof ihre Bedenken gegen die zugrundeliegende generelle Norm an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 10703/1985).

b) Der Verfassungsgerichtshof sieht im vorliegenden Fall keinen Anlaß, von dieser (auch) auf die Rechtslage in Oberösterreich abgestellten Rechtsprechung abzurücken.

Zwar konnte der bekämpfte Flächenwidmungsplan anläßlich der Entscheidung über die mit den oben erwähnten sechs Verfassungsgerichtshofbeschwerden bekämpften - nicht die Sache, sondern ausschließlich eine Verfahrensfrage betreffenden - Vorstellungsbescheide wegen mangelnder Präjudizialität auf seine Gesetzmäßigkeit nicht überprüft werden (s. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1992, B614/92 ua. Zlen.). Der Antragstellerin steht es - nach der mit dem genannten Erkenntnis erfolgten Aufhebung der sechs Vorstellungsbescheide - im fortgesetzten Bauverfahren frei, aufgrund der ihr (nunmehr) zukommenden Parteistellung gegebenenfalls (neuerlich) ihre Bedenken gegen den Flächenwidmungsplan an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Ein solcher Weg ist - auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Falles - für die antragstellende Gesellschaft schon deswegen nicht unzumutbar, weil sie bei Aufrechterhaltung ihrer Bedenken gegen die Bauvorhaben im neuen Wohngebiet im fortgesetzten Verfahren ohnehin gezwungen wäre, den Rechtszug auszuschöpfen.

4. Der Antrag ist daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Flächenwidmungsplan, Nachbarrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:V32.1992

Dokumentnummer

JFT_10078988_92V00032_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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