TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/21 92/05/0245

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Veröffentlicht am 21.02.1995
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Index

L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Kärnten;
L80002 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Kärnten;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82002 Bauordnung Kärnten;

Norm

BauO Krnt 1992 §11 Abs2;
BauO Krnt 1992 §15 Abs2;
BauO Krnt 1992 §15;
BauO Krnt 1992 §4 litc;
BauRallg;
GdPlanungsG Krnt 1982 §2 Abs4;
ROG Tir 1972 §12;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 7. August 1992, Zl. 8 BauR1-262/2/1992, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Stadtgemeinde F in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 30. Oktober 1990 beantragte die Beschwerdeführerin die "baupolizeiliche Bewilligung" zur "Veränderung" des bestehenden Barbetriebes im Keller des Hauses F, A-Straße 1, in ein Bordell. Der Bauanwalt bei der Bezirkshauptmannschaft F erklärte, daß dem Bauvorhaben ein Versagungsgrund im Sinne des § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung nicht entgegenstehe.

Nach der im Bauakt erliegenden Anrainerliste sind - abgesehen vom öffentlichen Gut - RM, JM und WM (offenbar ident mit dem zustimmenden Hauseigentümer) Anrainer. Im Schreiben vom 27. Jänner 1992 erklärte J.M., daß das Objekt L-Straße 16 (offenbar ident mit A-Straße 1; ein Lageplan befindet sich nicht im Akt) in einer Wohnsiedlung zwischen Stadtrand und einer vorwiegend von Bauern und vom Fremdenverkehr genutzten Landschaft liege. Der Standort sei äußerst ungeeignet für ein Bordell, weil dessen negative Ausstrahlung für die Nachbarschaft mit Eigentumsentwertung, Erniedrigung des Sozialstatus und Erhöhung des kriminellen Risikos weder durch die Anonymität einer Großstadtatmosphäre noch durch einen unbesiedelten Freiraum als Pufferzone gedämpft werde. Er selbst grenze mit seinem Haus sowie mit ca. 8.000 m2 Grund unmittelbar an das beantragte Bordell heran und sehe sich als Hauptgeschädigter bedroht. In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 29. Jänner 1992 wird darauf hingewiesen, daß sich das gegenständliche Gebäude nahe der T-Bundesstraße befände und die nächstgelegenen Wohnhäuser etwa 100 m davon entfernt seien. Aus ärztlicher Sicht bestünde gegen die beantragte "Konzession" kein Bedenken, wenn im einzelnen vorgeschlagene Auflagen - auch baulicher Art - erfüllt würden.

Bei der Bauverhandlung am 30. Jänner 1992 wendete die als Anrainerin bezeichnete R.B. ein, sie fühle sich in ihrer Existenz als Religionslehrerin gefährdet; sie besitze zwei Baugründe in der L-Straße 18 und sei hierdurch eine Wertminderung dieser Gründe gegeben. Sie befürchte, daß durch diesen Betrieb auch Zuhälter kommen und sich das "Verbrecherwesen" mehren werde. Unzumutbar sei die Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr und der Umstand, daß auf ihrem Grundstück L-Straße 18 geparkt werde. An der Verhandlung nahm weiters eine Vielzahl von Personen teil, die als "Anrainer im Einflußbereich" bezeichnet wurden. Von mehreren dieser Personen wurden Einwendungen protokolliert; der Niederschrift über die Bauverhandlung wurde eine Liste mit rund 130 Unterschriften von Personen angeschlossen, die erklärten, gegen die Errichtung eines Bordells zu sein.

Die Beschwerdeführerin erklärte bei dieser Verhandlung, gegenüber dem bisher geführten Barbetrieb würden durch einen Bordellbetrieb keine zusätzlichen Belästigungen entstehen. Der Betrieb sei nicht in einen Ort mit dörflichem Charakter eingebunden, sondern befinde sich in unmittelbarer Nähe der Bundesstraße B 94 und übe somit auf das Ortsbild und den Charakter des Ortes keinen Einfluß aus. Die Besucherfrequenz erfolge zu 90 % direkt von der Bundesstraße und auch die Abfahrt erfolge direkt zur Bundesstraße, sodaß keine Beanspruchung der A-Straße und der L-Straße in einem unzumutbaren Ausmaß zu erwarten sei. Im Hause selbst wohnten keine Personen, die die Prostitution ausübten; diese Personen würden zwischen 20:00 Uhr und 20:30 Uhr mit einem Bus von Klagenfurt zugeführt und spätestens um 4:30 Uhr mit dem Bus nach Klagenfurt weggeführt werden.

Mit Bescheid vom 15. April 1992 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde das Bauansuchen ab. Das Gebäude werde derzeit im Untergeschoß als Bar, im Erdgeschoß als Gastwirtschaftsbetrieb und im ersten Obergeschoß zu Wohnzwecken genützt. In der unmittelbaren Umgebung des Gebäudes (Luftlinie ca. 30 m) befände sich eine Kapelle sowie (rund 200 m Luftlinie) ein Kinderspielplatz. "Bauland-Wohngebiet" habe primär dem Wohnen zu dienen; die weiteren Einrichtungen, die in dieser Widmungskategorie noch vertretbar sind, dienten den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes. Das Gemeindeplanungsgesetz zähle verschiedene Einrichtungen auf, welche auch in § 7 lit. b des Kärntner Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 58/1990, genannt seien, wobei der Nahbereich dieser Einrichtungen gleichsam als Ausschlußzone für die Erteilung einer Bordellbewilligung nicht in Frage komme. Das Bordell sei kein Gebäude, welches überwiegenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes diene. Allein die Existenz eines Bordells mit seinen milieubedingten Randerscheinungen bedinge eine Verletzung des Nachbarschutzes, besitze doch der Nachbar bei der Widmungskategorie "Wohngebiet" ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung derselben laut Flächenwidmungsplan. Wenn von der Bauwerberin selbst ausgeführt werde, daß die Besucherfrequenz zu 90 % direkt von der Bundesstraße erfolge, so bestätige dies nur, daß das beabsichtigte Bordell keinesfalls überwiegenden Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes diene, sondern allenfalls auswärtigen, nicht im Wohngebiet lebenden Personen. Der beantragte Verwendungszweck sei innerhalb der vorliegenden Widmungskategorie unzulässig.

Der Stadtrat der mitbeteiligten Gemeinde gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 24. Juni 1992 keine Folge. Unabhängig von der Auffassung des Bauanwaltes sei es Sache der Baubehörde erster Instanz gewesen, die Frage, ob das Bauvorhaben mit der vorgeschriebenen Flächenwidmung vereinbar sei, selbständig zu prüfen. Die Unvereinbarkeit mit der gegebenen Widmung wurde von der Baubehörde zweiter Instanz bestätigt.

Die dagegen erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Ein Bordellbetrieb sei nicht geeignet, den wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes zu dienen, sodaß die im § 2 Abs. 4 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 normierten Merkmale nicht erfüllt werden.

In der dagegen erhobene Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin erkennbar in ihrem Recht auf Erteilung einer Baubewilligung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 lit. c der Kärntner Bauordnung (in der Fassung der Wiederverlautbarung 1992, LGBl. Nr. 64, im folgenden: BO) ist die Änderung der Verwendung von Gebäuden oder Gebäudeteilen baubewilligungspflichtig. Eine derartige Baubewilligung darf gemäß § 15 Abs. 2 BO nur erteilt werden, wenn ihr kein Grund nach § 11 Abs. 2 BO - im besonderen Falle gemäß § 11 Abs. 2 lit. b BO nicht der Flächenwidmungsplan - entgegensteht. Ein für den Bauwerber positiver Ausgang des Vorprüfungsverfahrens entbindet die Baubehörde nicht von der Verpflichtung, im weiteren Baubewilligungsverfahren auch die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan neu zu prüfen (siehe das hg. Erkenntnis vom 11. September 1986, Slg. Nr. 12213/A).

Die Fläche, auf der das gegenständliche Haus errichtet ist, weist die Widmung Bauland - Wohngebiet auf. Die dafür maßgeblichen Absätze des § 2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982, LGBl. Nr. 51, lauten:

"(2) Das Bauland ist entspechend den örtlichen Erfordernissen in Baugebiete zu gliedern. Als Baugebiete kommen in Betracht: Dorfgebiete, Wohngebiete, Kurgebiete, gemischte Baugebiete, Geschäftsgebiete, Leichtindustriegebiete und Schwerindustriegebiete.

(4) Als Wohngebiete sind jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Wohngebäude, im übrigen aber für Gebäude bestimmt sind, die überwiegend den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes dienen, wie Geschäftshäuser, Sammelgaragen für Personenkraftwagen, Sanatorien, Kirchen, Schulgebäude, Kindergärten, und die unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Wohngebiet keine örtlich unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen."

Vorrangig sieht das Gesetz somit die Errichtung von Wohngebäuden in derartigen Gebieten vor. Der Verweis in § 4 lit. c BO auf "Gebäudeteile" macht deutlich, daß auch Gebäudeteile den Voraussetzungen gemäß § 15 BO und somit dem Flächenwidmungsplan entsprechen müssen.

Die Aufzählung der weiteren Gebäude, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch im Wohngebiet erlaubt sind, ist nicht taxativ, sodaß allein daraus über die Zulässigkeit eines Bordells keine Aussage getroffen werden kann. Errichtet werden dürfen Gebäude, die bestimmt sind, den "sozialen Bedürfnissen" der Einwohner des Wohngebietes zu dienen. Das Kriterium "soziale Bedürfnisse" enthält keinerlei Wertung in moralischer Hinsicht; der Verwaltungsgerichtshof hat aber die Frage, ob die Errichtung eines Bordells "sozialen Bedürfnissen" entspricht, nicht zu beantworten, weil eine weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung hier jedenfalls fehlt: Im Gegensatz etwa zum gemischten Baugebiet (§ 2 Abs. 6 Gemeindeplanungsgesetz), zum Geschäftsgebiet (Abs. 7) oder zu den Industriegebieten (Abs. 8 und 9) ist in § 2 Abs. 4 Gemeindeplanungsgesetz die weitere Einschränkung enthalten, daß das Gebäude den Bedürfnissen "der Einwohner des Wohngebietes" dienen muß.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0140, mit der Bedeutung des insoferne gleichlautenden § 12 Tiroler Raumordnungsgesetz 1972, LGBl. Nr. 10, auseinandergesetzt, wonach (in Wohngebieten) die Errichtung von Bauten und Betrieben zulässig ist, die u.a. "den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes" dienen. In diesem Erkenntnis wurde hervorgehoben, daß "Bedürfnisse der Bevölkerung" nicht mit den "Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes" gleichzusetzen seien; im letzteren Falle komme es allein auf die Bedürfnisse DES BETROFFENEN GEBIETES an.

Auch im vorliegenden Fall brachte die Beschwerdeführerin klar zum Ausdruck, daß die von ihr geplante Einrichtung überörtlichen Bedürfnissen dienen soll, wenn sie betont, daß 90 % der Kunden "über die Bundesstraße" das Lokal frequentieren werden. Steht also fest, daß das geplante Bordell nicht den Bedürfnissen der betreffenden Wohnbevölkerung dienen soll, dann ist das Projekt mit der hier vorgegebenen Widmung unvereinbar.

Allein aus diesem Grunde - auf die von den Gemeindebehörden herangezogenen Bestimmungen des Kärntner Prostitutionsgesetzes ist anläßlich der Baubewilligung nicht einzugehen - erwies sich das Vorhaben als nicht bewilligungsfähig. Auch die in der Beschwerde herangezogene 10 jährige - konsenswidrige - Verwendung als Bordell bietet keine Rechtsgrundlage für die begehrte Bewilligung.

Damit ist die Beschwerde zur Gänze unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. Juni 1994, BGBl. Nr. 416, insbesondere deren Art. III Abs. 2, im Rahmen des Kostenbegehrens der mitbeteiligten Partei.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992050245.X00

Im RIS seit

19.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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