TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/21 94/20/0550

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Veröffentlicht am 21.02.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. März 1994, Zl. 4.343.224/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. März 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 24. Juni 1993 in das Bundesgebiet eingereist war und am 2. Juli 1993 einen Asylantrag gestellt hatte - gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. August 1993 abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Das Bundesasylamt hat seinen abweislichen Bescheid ausschließlich damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen war. Sie stützte sich auf die Angaben des Beschwerdeführers in seinem schriftlichen Asylantrag und bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung am 27. Juli 1993, wonach dieser über Griechenland in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und folgerte schließlich daraus, daß der Beschwerdeführer bereits in Griechenland und in Rumänien vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb die Asylgewährung ausgeschlossen sei.

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er bereits in Griechenland und in Rumänien vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu vor, die belangte Behörde habe sich damit, daß er "unter Zuhilfenahme eines LKW"s" nach Österreich gereist sei und dieses Fahrzeug nicht habe verlassen können, nicht auseinandergesetzt. Aufgrund seiner "Festhaltung in diesem LKW" habe er (in den Durchreiseländern) nicht um Asyl ansuchen können. Der angefochtene Bescheid leide aber auch an Begründungsmängeln, zumal die belangte Behörde zur Frage seiner "Verfolgungssicherheit" lediglich allgemein Stellung bezogen, aber ihre Annahme hinsichtlich der Geltung des Rückschiebungsschutzes in Griechenland und in Rumänien nicht begründet habe.

Der Rüge des Beschwerdeführers, er sei durch die Zuhilfenahme eines LKW"s bzw. seine "Festhaltung" in diesem Fahrzeug objektiv gehindert gewesen, in den Ländern seiner Durchreise um Asyl anzusuchen, vermag der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf seine bisher zu dieser Fragestellung ergangene Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1083, vom 27. April 1994, Zl. 94/01/0230, und vom 30. Juni 1993, Zl. 94/01/0303) schon aus rechtlichen Gründen keine Berechtigung zuzuerkennen. Daß die Durchreise des Beschwerdeführers durch Griechenland und Rumänien seinem Willen nicht entsprochen hätte, er im Verlauf seines "Fluchtweges" Opfer einer strafrechtlich zu qualifizierenden Handlung im Sinne der §§ 99 bis 110 StGB gewesen sei und mithin für ihn die Möglichkeit, seine Durchreise vor Erreichen des österreichischen Bundesgebietes abzubrechen, gänzlich ausgeschaltet gewesen wäre, ist seinen Beschwerdeausführungen jedenfalls nicht (hinreichend) zu entnehmen. Des weiteren ist der Beschwerdeführer aber auch daran zu erinnern, daß er bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung am 27. Juli 1993 - entgegen den nunmehr erstatteten Beschwerdeausführungen - selbst ausgesagt hat, er sei von Griechenland bis Ungarn mit einem PKW, nämlich mit einem "roten Fiat", gefahren.

Dem Beschwerdeführer ist aber darin zuzustimmen, daß in dem seiner Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um annehmen zu können, Griechenland und Rumänien hätten ihm aufgrund ihrer jeweils "im großen und ganzen effektiv geltenden Rechtsordnung" als Zufluchtsstaat bereits einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention - insbesondere hinsichtlich des Rückschiebungsschutzes - entsprechenden Schutz geboten.

Die Beschwerdeausführungen sind nach Maßgabe der einen Asylwerber im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht soweit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß den §§ 11, 16 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit den §§ 39, 45 und 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht entsprechend der durch § 60 in Verbindung mit § 67 AVG gebotenen Begründung dargelegt, aufgrund welcher Ermittlungen und Überlegungen sie zu der Feststellung gelangte, der Beschwerdeführer habe nicht darzutun vermocht, daß er keinen Rückschiebungsschutz (in Griechenland und in Rumänien) genossen habe.

Des weiteren verstößt aber auch das erstmals in der Beschwerde gegen die Annahme von "Verfolgungssicherheit" in Griechenland und Rumänien erstattete Vorbringen deshalb nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG), weil der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 erstmals im angefochtenen Bescheid in das Verfahren gebracht wurde und die belangte Behörde ihre insoweit zugrundegelegten Annahmen dem Beschwerdeführer vor der Bescheiderlassung nie im Verfahren zur Kenntnis gebracht und ihm daher entgegen dem § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör zu dieser Frage nicht gewährte.

Die aufgezeigten Verletzungen von Verfahrensvorschriften sind auch wesentlich, weil unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und des nach der Aktenlage hinsichtlich des gebrauchten Ausschließungsgrundes fehlenden Ermittlungsverfahrens nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200550.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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