TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/21 92/05/0304

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Veröffentlicht am 21.02.1995
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Index

L37129 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
93 Eisenbahn;

Norm

AVG §38;
AVG §56;
AVG §8;
B-VG Art10 Abs1 Z1;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art116 Abs2;
B-VG Art118 Abs3 Z3;
B-VG Art118 Abs3 Z4;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art15 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
EisenbahnG 1957 §10;
EisenbahnG 1957 §11;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1 Abs1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §17;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der B-GmbH in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 6. Oktober 1992, Zl. MA 64-B 56/91, betreffend eine Gebrauchserlaubnis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit drei Bescheiden vom 13. Dezember 1990 wurde der Beschwerdeführerin die Erlaubnis erteilt, den öffentlichen Grund und den darüber befindlichen Luftraum in Wien XIX, U-Bahn-Station Heiligenstadt,

1.) links nach dem Aufgang der Rolltreppe, 1 m vor der Fluchtlinie der 6. und 7. Säule ab der Stationsrückwand durch einen transportablen Verkaufsstand im Ausmaß von 3,00 x 4,00 m,

2.) 1 m vor der Fluchtlinie der 5. und 6. Säule ab der Stationsrückwand in Höhe der Rolltreppen durch einen transportablen Verkaufsstand im Ausmaß von 3,00 x 2,00 m und

3.) am Ende des Durchganges zu den Bahnsteigen U 4 und U 6 (links in der Nische) gegenüber der Rolltreppe durch (u.a.) einen transportablen Verkaufsstand im Ausmaß von 4,0 m x 1,20 m benützen zu dürfen.

Mit Schreiben vom 23. Mai 1991 erklärten die Österreichischen Bundesbahnen, Bundesbahndirektion Wien, daß die ÖBB Grundeigentümer des Bahnhofes Heiligenstadt sei; es handle sich nicht um öffentlichen Gemeindegrund, wie dies im § 1 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetz für die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis vorgesehen sei. Es werde ersucht, sämtliche Gebrauchserlaubnisse für die Beschwerdeführerin im Bahnhof Heiligenstadt zu widerrufen.

Am 8. Jänner 1992 stellte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, an das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr unter Bezugnahme auf die drei eingangs genannten Bescheide den Antrag, gemäß § 11 lit. d Eisenbahngesetz, BGBl. Nr. 60/1957 (im folgenden: EisbG), darüber zu entscheiden, ob die Bereiche, für die eine Gebrauchserlaubnis erteilt wurde, eine Anlage sind, die als Eisenbahnanlage gemäß § 10 EisbG zu gelten hat. Mit Bescheid vom 19. Februar 1992 stellte der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr fest, daß der Bereich der U-Bahn-Station Heiligenstadt und des ÖBB-Bahnhofes Heiligenstadt, somit auch die gegenständlichen Bereiche, als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG zu gelten habe. Nach entsprechendem Vorhalt sprach sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. März 1992 entschieden gegen die Aufhebung der Bescheide aus, aus welchen ihr konkrete Rechte erwachsen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde die drei eingangs genannten Bescheide gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG von Amts wegen für nichtig. Auf Eisenbahnanlagen bestehe keine Zuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien zur Erteilung einer Gebrauchserlaubnis.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher erkennbar ein Recht auf Weiterbestand der für nichtig erklärten Bescheide geltend gemacht wird.

In weiterer Folge legte die Beschwerdeführerin ein Übereinkommen zwischen den Österreichischen Bundesbahnen und der Stadt Wien, Verkehrsbetriebe, vor, aus welchem hervorgehe, daß der bestehende Stadtbahnzugangstunnel weiterhin in der Dienstbarkeit der Verkehrsbetriebe bleibe und daß die neu errichtete Stiegenanlage und das neu zu errichtende Betriebsgebäude im Kopfbereich der neuen Zungenbahnsteige ins Eigentum der Verkehrsbetriebe übergehe. Weiters legte sie eine Plankopie vor, aus der hervorgehe, daß die dort mit roter Linie umrandete Fläche ausschließlich in den Wirkungs- und Verwaltungsbereich der Stadt Wien und damit in den Kompetenzbereich der Magistratsabteilung 59 falle.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 (LGBl. Nr. 20) ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken. Gemäß § 17 leg. cit. hat die Gemeinde die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen; Behörde erster Instanz ist der Magistrat. Über einen Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist also mit Bescheid abzusprechen, die Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist ein Akt der Hoheitsverwaltung. Ein Bescheid, mit dem eine Gebrauchserlaubnis erteilt wird, verleiht die Befugnis zu einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung einer öffentlichen Verkehrsfläche der Gemeinde. Bestimmungen, die öffentlich-rechtliche Berechtigungen oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen schaffen und die Festsetzung und Feststellung des Inhaltes und des Umfanges bzw. die Sicherung des Gemeingebrauches an den Straßen sowie die Regelung der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung von Straßen zum Gegenstand haben, gehören zu den "Straßenangelegenheiten (ohne Straßenpolizei)", welche, soweit es sich nicht um Bundesstraßen handelt, gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG in die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit der Länder fallen (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1989, VfSlg. 12187).

Der Verfassungsgerichtshof hat im genannten Erkennntnis unter ausdrücklichem Hinweis auf die Kompetenzbestimmung des Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG eine Kompetenz der Länder für Regelungen einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung bei Bundesstraßen ausgeschlossen; nichts anderes kann aber für Eisenbahnanlagen gelten, zumal Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG auch das Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen erfaßt. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr hat gemäß § 11 EisbG verbindlich festgestellt, daß eine Eisenbahnanlage vorliegt.

In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Auswirkungen eines derartigen Feststellungsbescheides auf die Partei des in der Hauptsache anhängigen Verfahrens die grundsätzliche Berechtigung zu einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde schaffen (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1993), Zl. 92/03/0185).

Handelt es sich nun um eine Eisenbahnanlage gemäß § 10 EisbG, dann ist die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG zur Gesetzgebung und Vollziehung gegeben (Geuder, Die rechtliche Stellung der Eisenbahnanlage im gemeindlichen Planungs- und Baurecht, Österreichische Gemeindezeitung 1969, 2/36 f; Krzizek, System I, 158; Kühne-Hofmann-Nugent-Roth, Eisenbahnenteignungsgesetz und Eisenbahngesetz, Anm. 2 zu § 10 EisbG).

Ob eine Bundes- oder Landesbehörde (bzw. Gemeindebehörde) zuständig ist, richtet sich allein nach den entsprechenden Bestimmungen des B-VG und der Materiengesetze; keinesfalls kann eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Gebietskörperschaften dafür maßgeblich sein. Das vorgelegte Übereinkommen zwischen den österreichischen Bundesbahnen und der Stadt Wien - Wiener Verkehrsbetriebe - enthält auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß hoheitliche Aufgaben der Gebietskörperschaften von diesem Übereinkommen erfaßt wären.

Die belangte Behörde hat somit zu Recht die Unzuständigkeit des Magistrats unter Hinweis auf das Vorliegen einer Eisenbahnanlage wahrgenommen. Die von der unzuständigen Behörde erlassenen Bescheide waren daher gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG aufzuheben.

Völlig unerheblich ist der Umstand, daß der Magistrat früher derartige Befugnisse ausgeübt hat.

Somit erwies sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die vorgelegten Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ließen erkennen, daß durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war; insbesondere spielten behauptete Meinungen von Organwaltern für die zu beurteilende Zuständigkeitsfrage keine Rolle, sodaß von der Durchführung einer Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Sachverhalt Vorfrage öffentlicher Verkehr Eisenbahnen Seilbahnen Lifte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992050304.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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