TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/21 94/05/0142

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Veröffentlicht am 21.02.1995
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1976 §45 Abs6 lita;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;
ROG OÖ 1972 §18 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde

1) des JM und 2) der TM, beide in W, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. September 1993, Zl. BauR-010920/8-1993 Ki/Vi, betreffend Abweisung eines Bauansuchens (mitbeteiligte Partei: Stadt W, vertreten durch den Bürgermeister),

Spruch

I) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

II) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadt vom 30. November 1992 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführer um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung "für die Errichtung eines Einfamilienhauses (Auszugshaus)" auf dem Grundstück Nr. 826/1, EZ 123 des Grundbuches über die Kat. Gem. P, unter Berufung auf § 45 Abs. 6 lit. a der OÖ Bauordnung sowie § 18 Abs. 5 des OÖ Raumordnungsgesetzes 1972 im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß dieses Auszugshaus keinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet werden könne und daher mit der Grünlandwidmung nicht vereinbar sei.

Der dagegen von den Beschwerdeführern eingebrachten Vorstellung wurde mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom 29. September 1993 mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführer durch diesen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt seien. Auch die Aufsichtsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides unter Berufung auf ein von ihr eingeholtes Amtssachverständigengutachten u.a. davon aus, daß im Beschwerdefall nicht von einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der zitierten raumordnungsrechtlichen Vorschrift die Rede sein könne.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

Zu I): Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, ist der Erstbeschwerdeführer am 27. Jänner 1993, und sohin vor der Zustellung des angefochtenen Bescheides, verstorben, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit zurückzuweisen war.

Zu II): Die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmung des § 18 des OÖ Raumordnungsgesetzes 1972 hat nachstehenden Wortlaut:

"Grünland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen sind als Grünland auszuweisen.

(2) Flächen des Grünlandes, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt sind und nicht zum Ödland gehören, sind im Flächenwidmungsplan gesondert auszuweisen.

(3) Im Grünland sind insbesondere - je nach Erfordernis - folgende Widmungen auszuweisen:

1.

größere Erholungsflächen, das sind Flächen, die für Einrichtungen und Anlagen der allgemeinen Erholung und des Sports bestimmt sind, wie Parkanlagen, Spiel- und Liegewiesen, Sport- und Spielflächen, Freibäder, Campingplätze, Wintersportanlagen einschließlich der Schipisten; Fremdenverkehrsbetriebe;

2.

Dauerkleingärten;

3.

Erwerbsgärtnereien;

4.

Friedhöfe.

(4) Je nach Erfordernis sind überdies sonstige Flächen im Grünland, wie Aufschüttungsgebiete, Abgrabungsgebiete, Gebiete mit Vorkommen mineralischer Rohstoffe oder mit sonstigen Bodenvorkommen, Bruchgebiete, Ablagerungsplätze (für Müll, Altmaterial, Fahrzeugwracks und dergleichen), Schießstätten und Sprengstofflager, gesondert auszuweisen.

(5) Im Grünland dürfen nur solche Bauten und Anlagen errichtet werden, die einer bestimmungsgemäßen Nutzung (Abs. 2 bis 4) dienen. Hiezu gehören im besonderen auch Bauten und Anlagen für den Nebenerwerb der Land- und Forstwirtschaft."

Wenngleich in der wiedergegebenen raumordnungsrechtlichen Vorschrift nicht ausdrücklich von den Wohnbedürfnissen der Übergeber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe die Rede ist, sind die diesen Zwecken dienenden Gebäude dennoch der "bestimmungsgemäßen Nutzung" im Sinne dieser Regelung zuzurechnen, weil das Ausgedinge eine historisch gewachsene Form der spezifischen Altersversorgung innerhalb des Bauernstandes darstellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1989, Slg. Nr. 13.025/A). Ein Ausgedingehaus ist daher grundsätzlich mit der Grünlandwidmung vereinbar, sofern zumindest ein land- und forstwirtschaftlicher Nebenerwerb im Sinne der wiedergegebenen Norm vorliegt. Von einem derartigen nebenberuflichen landwirtschaftlichen Betrieb kann aber nur dann die Rede sein, wenn ein maßgeblicher Beitrag zur Einkommensschöpfung erzielt wird, der Betrieb also nicht bloß als Hobby zu betrachten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. April 1993, Zl. 92/05/0301).

Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige hat in seiner, diesem Thema gewidmeten gutächtlichen Äußerung nachstehenden Befund erstellt:

"Frau TM (geb. 1923), ....., ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 123 KG. P. Dazu gehören 1,373 ha Grund, wovon

4.526 m2 auf den Hausobstgarten mit Zwetschken-, Kirschen-, Most- und Tafelobstbäumen entfallen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche Parzelle 826/1 ist eine Ackerfläche mit ca. 1 ha, die derzeit mit Weizen bebaut ist. Auf Grund einer Neuvermessung bzw. Neuordnung der Grundstücke wird sich das Gesamtgrundausmaß etwas verringern. ... An Geräten bzw. Maschinen sind ein 15 PS-Traktor, Egge und verschiedene Kleingeräte vorhanden. Die Nutzung der Gründe erfolgt auf eigene Rechnung, die Bearbeitung teilweise selber, teilweise, wie Anbau und Ernte der Ackerfläche, von anderen Landwirten gegen Bezahlung. Viehhaltung wird derzeit nicht betrieben, bis Februar 1993 wurde laut Angabe Hausgeflügel in Form von ca. 20 Hühnern und 10 - 20 Gänsen gehalten. Zur Gartengrünlandverwertung ist Schafhaltung geplant."

Im Anschluß an diesen Befund erklärte der Sachverständige, im vorliegenden Fall habe "die landwirtschaftliche Aktivität auf Grund der geringen Größe der landwirtschaftlichen Flächen und auch auf Grund der Bewirtschaftungsform ein Ausmaß, daß nicht von einem solchen landwirtschaftlichen Betrieb gesprochen werden kann, dem die bevorzugte Stellung gemäß

O.ö. Raumordnungsgesetz zugestanden werden kann, wie sie Landwirten mit einer maßgeblichen Wirtschaftskraft eigen ist".

Der von den Beschwerdeführern herangezogene Zivilingenieur für Forst- und Holzwirtschaft, Dipl.-Ing. Dr. N., hat in seinem Gutachten vom 7. September 1993 ausdrücklich erklärt, daß der Befund des Amtssachverständigen "zutreffend" sei, und auf diesen verwiesen, worauf die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten hat, "bei den in den Befunden der beiden Gutachten dargelegten Verhältnissen" seien "die Aussagen des Amtssachverständigen durchaus schlüssig und nicht mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen in Widerspruch", weshalb davon auszugehen sei, "daß die angesprochene Tätigkeit derzeit auch grundsätzlich nicht zur Erzielung von Einnahmen (als maßgeblichen Beitrag zur Einkommensschöpfung) geeignet" sei und daher von Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 18 Abs. 5 leg. cit. nicht die Rede sein könne.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Schlußfolgerung der belangten Behörde zutrifft, weil selbst unter der die Zweitbeschwerdeführerin begünstigenden Annahme, es läge zumindest ein nebenberuflicher landwirtschaftlicher Betrieb vor, nicht übersehen werden darf, daß sich die zulässige Art und der zulässige Umfang der im Grünland geplanten Anlagen und Bauten danach richtet, ob es sich um einen haupt- oder nebenberuflichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1985, Zl. 84/05/0211, BauSlg. Nr. 472). Zwar kommt es auf die "Notwendigkeit" dieser Bauten und Anlagen für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft - wie dies nach den Raumordnungsgesetzen anderer Länder (z.B. § 19 Abs. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976) der Fall ist - nach dem OÖ Raumordnungsgesetz nicht an, doch müssen die im "Grünland" vorgesehenen Bauten und Anlagen nicht nur der Zweckbestimmung "Land- und Forstwirtschaft" entsprechen, sondern auch der Betriebsfläche und Betriebsart des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes insofern angepaßt sein, als sie zu diesen Größen nicht in einem Mißverhältnis stehen dürfen (vgl. auch dazu das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1985 sowie das hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Slg. Nr. 13.062/A). Diesem Gesichtspunkt kommt aber im Beschwerdefall entscheidende Bedeutung zu, weil dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Bauplan sowie der Baubeschreibung zu entnehmen ist, daß die Zweitbeschwerdeführerin die Errichtung eines "Einfamilienhauses" mit einer bebauten Fläche von

ca. 130 m2 sowie einem Kellergeschoß, einem Erdgeschoß, einem Obergeschoß und einer "Doppelgarage" beabsichtigt. Bei einem Vorhaben dieser Größe kann aber selbst unter der - durchaus nicht gesicherten - Annahme eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbes nicht mehr von einem der Betriebsfläche und Betriebsart angepaßten Ausgedingehaus die Rede sein, weshalb die Zweitbeschwerdeführerin schon aus diesem Grunde durch die Abweisung des Bauansuchens nicht in ihren Rechten verletzt worden ist.

Daran vermag auch die Kritik der Zweitbeschwerdeführerin nichts zu ändern, daß "keine der mit der Rechtssache befaßten Behörden eine mündliche Bauverhandlung im Sinne des § 47 OÖ Bauordnung durchgeführt" habe, weil die Baubehörden auch im Falle der Durchführung einer Bauverhandlung zu keinem für die Zweitbeschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gekommen wären, zumal sich dabei keine Sachverhaltselemente ergeben hätten, die unter Bedachtnahme auf die vorstehenden rechtlichen Erwägungen eine anderslautende Beurteilung des Bauvorhabens zur Folge gehabt hätten (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1993, Zl. 92/05/0281).

Die Zweitbeschwerdeführerin ist daher durch die Abweisung ihrer Vorstellung nicht in ihren Rechten verletzt worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994050142.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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