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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 92/17/0047 E 22. Februar 1995 92/17/0048 E 22. Februar 1995Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der Stadtgemeinde G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 21. November 1991, Zl. GA 5-2176/4/91, betreffend Festsetzung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme für die Kalenderjahre 1982 bis 1986 (mitbeteiligte Partei: D-Aktiengesellschaft in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem vom Bürgermeister gefertigten, an das Finanzamt für Körperschaften in Wien gerichteten Schriftsatz vom 3. April 1987 stellte das "Stadtamt G" gemäß § 29 des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 2/1954 (GewStG), den Antrag auf Festsetzung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme für den Zeitraum vom 1. Jänner 1982 bis 31. Dezember 1986 in der Weise, daß der Festsetzung jene Lohnsummen zu Grunde gelegt würden, die von der mitbeteiligten Partei an die im Organisationsbereich der Geschäftsstelle G zugeteilten und dort tätigen Personen zur Auszahlung gelangt seien. Auf Grund von Erhebungen sei festgestellt worden, daß dieser Geschäftsstelle sechs hauptberufliche Versicherungsvertreter und eine Bürokraft zuzurechnen seien. Es werde vermutet, daß die der beschwerdeführenden Stadtgemeinde erklärten Lohnsummen nicht jenen Lohnsummen entsprächen, die tatsächlich von der mitbeteiligten Partei an den angegebenen Personenkreis ausgezahlt worden seien.
1.2. Mit dem an die beschwerdeführende Gemeinde gerichteten Bescheid vom 2. September 1988 wies das Finanzamt für Körperschaften in Wien unter anderem den Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde auf Festsetzung des Lohnsummensteuermeßbetrages für die Jahre 1982 bis 1986 für die mitbeteiligte Partei ab. In der Begründung heißt es, zu dem Antrag werde "mitgeteilt", daß es zu keiner Änderung des vom Unternehmer erklärten Lohnsummensteuermeßbetrages komme, weil der Unternehmer in richtiger Anwendung des § 25 GewStG der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte die Löhne jener Dienstnehmer zugeordnet habe, die zu dieser Betriebsstätte organisatorisch gehörten. Hiezu verwies das Finanzamt auf die "Ablichtung des Firmenschreibens". In diesem Schreiben finden sich namentlich genannte Mitarbeiter des Außen- und Innendienstes.
Die beschwerdeführende Gemeinde erhob Berufung. Es werde vermutet, daß nicht für sämtliche Versicherungsvertreter, die der Geschäftsstelle G zuzurechnen seien, die Lohnsummensteuer an die Stadtgemeinde G abgeführt werde. Namentlich werden vier weitere Außendienstmitarbeiter genannt.
1.3. Mit der an die Gemeinde G gerichteten Berufungsvorentscheidung vom 22. September 1989 wies das Finanzamt für Körperschaften in Wien die Berufung als unbegründet ab.
Mit dem abermals vom Bürgermeister gezeichneten Schreiben des "Stadtamtes G" vom 10. Oktober 1989 wurde der Antrag gestellt, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen.
1.4. Mit dem nunmehr angefochtenen, an das "Stadtamt G" gerichteten Bescheid vom 21. November 1991 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung als unbegründet ab. Im Bescheid wird begründet, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde sachverhaltsbezogen zu dem Ergebnis komme, daß die Außendienstmitarbeiter jedenfalls ausschließlich der Landesdirektion angehörten und demnach auch dort ihren Dienstort hätten. Es könne nicht der geringste Zweifel bestehen, daß die Außendienstmitarbeiter organisatorisch nur der jeweiligen Landesdirektion zugeordnet werden könnten und nicht einer Geschäftsstelle, in deren Einzugsbereich sie - zufällig - tätig seien. Einsatz und Leitung der Dienstnehmer erfolgten ausschließlich durch die Landesdirektion, den Geschäftsstellen komme dabei überhaupt kein Recht auf Einflußnahme zu.
1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Stadtgemeinde in ihrem Recht auf Festsetzung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme unter Berücksichtigung der an Arbeitnehmer gezahlten Vergütungen, welche der in der Gemeinde G gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen seien, verletzt.
1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Was der Verwaltungsgerichtshof in seinem, dieselbe beschwerdeführende Gemeinde betreffenden Vorerkenntnis vom 16. Dezember 1994, Zl. 92/17/0102, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. Mai 1992, Zl. 91/15/0085, in einem gleichgelagerten Fall ausgesprochen hat, gilt auch für den Beschwerdefall. Auch hier spricht schon die objektive Rechtslage dafür, daß sich die belangte Behörde bei der Bezeichnung des Bescheidadressaten bloß vergriffen hat. Da der erstinstanzliche Bescheid an die beschwerdeführende Gemeinde gerichtet wurde und dieser als juristischer Person des öffentlichen Rechts, die nur durch ihre Organe handeln kann, auch die im Abgabenverfahren vom Stadtamt G gestellten und vom Bürgermeister gefertigten Anbringen zuzurechnen sind, war die beschwerdeführende Gemeinde nicht nur Antragstellerin im Sinne des § 29 Abs. 1 GewStG 1953, sondern auch Berufungswerberin und damit im Sinne des § 78 Abs. 1 BAO Partei des Berufungsverfahrens bzw. im Sinne des Abs. 3 dieser Gesetzesstelle Partei des gesamten Abgabenverfahrens. Ihr gegenüber war daher die gemäß § 290 Abs. 1 BAO jedenfalls gegen sie wirkende Berufungsentscheidung zu treffen.
Der angefochtene Bescheid ist somit der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber nicht ins Leere gegangen. Die von ihr erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erweist sich daher als zulässig.
2.2. Gemäß § 25 Abs. 1 GewStG ist bei der Lohnsummensteuer Besteuerungsgrundlage die Lohnsumme, die in jedem Kalendermonat an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebsstätte gezahlt worden ist.
Gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. ist Lohnsumme die Summe der Vergütungen, die an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebsstätte gezahlt worden sind.
Gemäß § 29 Abs. 1 leg. cit. wird der Steuermeßbetrag nach der Lohnsumme nur auf Antrag des Steuerschuldners oder einer beteiligten Gemeinde und nur dann festgesetzt, wenn ein berechtigtes Interesse an der Festsetzung dargetan wird. Die Festsetzung des Steuermeßbetrages erfolgt jeweils für ein Kalenderjahr unter Zugrundelegung der Lohnsummen, die der Unternehmer in den einzelnen Kalendermonaten des in Betracht kommenden Kalenderjahres gezahlt hat.
Gemäß § 60 Abs. 1 BAO ist für die Erhebung der Gewerbesteuer bis einschließlich der Festsetzung und Zerlegung der Steuermeßbeträge das Betriebsfinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit. b) örtlich zuständig. Nach dem ersten Satz der zuletzt genannten Gesetzesstelle ist bei gewerblichen Betrieben und bei Gewerbeberechtigungen, die zu einem gewerblichen Betrieb gehören, das Finanzamt, in dessen Bereich sich die Geschäftsleitung des Betriebes befindet, das Betriebsfinanzamt.
Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 29 Abs. 1 erster Satz GewStG ist immer dann gegeben, wenn über die Höhe der zu entrichtenden Lohnsummensteuer zwischen dem Steuerschuldner und der hebeberechtigten Gemeinde keine Einigung bzw. Streit besteht (vgl. hiezu Jiresch-Zapletal, Das Gewerbesteuergesetz, MGA5, Seite 203; Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz II, Tz 2 zu § 29; weiters zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 27 dGewStG Blümich-Boysens-Steinbring-Klein, Gewerbesteuergesetz7, Seite 796; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz8 II, Anm. 1a zu § 27). Das Finanzamt hat, wenn die formellen Voraussetzungen des § 29 GewStG erfüllt sind, dem Antrag durch Erlassung eines förmlichen Lohnsummensteuermeßbescheides zu entsprechen (Philipp aaO, Tz 5, Blümich-Boysens-Steinbring-Klein aaO, Seite 798; Lenski/Steinberg aa0, Anm. 6, alle unter Hinweis auf BFH, BStBl. 1956 III S. 44). Liegen die formellen Voraussetzungen der genannten Gesetzesstelle vor, dann ist das Finanzamt sohin zur Ablehnung (Abweisung) des Antrages der Gemeinde auf Erlassung eines Lohnsummensteuermeßbescheides nicht befugt, sondern hat einen förmlichen Steuermeßbescheid zu erlassen (vgl. hiezu noch einmal Lenski/Steinberg aaO, Anm. 6, Seite 8).
Im Beschwerdefall war zwischen der beschwerdeführenden Gemeinde und der mitbeteiligten Partei strittig, ob für sämtliche im Einzugsgebiet der Geschäftsstelle G tätige Außendienstmitarbeiter die Lohnsummensteuer der beschwerdeführenden Gemeinde zugeflossen ist. Während die mitbeteiligte Partei von der Richtigkeit der von ihr vorgenommenen Zuordnung ihrer Mitarbeiter zur Geschäftsstelle in G ausgeht, wird dies von der beschwerdeführenden Gemeinde - und zwar in voller Deutlichkeit in der Berufungsschrift unter Anführung weiterer Mitarbeiter - bestritten.
Nun ist zu beachten, daß die Abgabenbehörden erster und zweiter Instanz zur Abweisung des Antrages der beschwerdeführenden Gemeinde aus einander diametral entgegengesetzten Gründen gelangten: Während das Finanzamt für Körperschaften den Antrag deshalb abwies, weil die mitbeteiligte Partei die Zurechnung der Dienstnehmer zur Betriebsstätte G in zutreffender Weise vorgenommen habe, gelangte die Berufungsbehörde zum selben Ergebnis mit der Begründung, richtigerweise seien die Außendienstmitarbeiter der Landesdirektion (in Linz) zuzurechnen. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht hätte jedoch die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde nicht abweisen dürfen, sondern hätte den Lohnsummensteuermeßbetrag für die Stadtgemeinde G entsprechend niedriger (allenfalls nur hinsichtlich der Innendienstmitarbeiter, allenfalls für bestimmte Streitjahre überhaupt mit Null) festzusetzen gehabt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1994, Zl. 92/17/0102).
Da dies nicht geschehen ist, sondern der Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde abgewiesen wurde, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Streitteile einzugehen und insbesondere ohne daß zu prüfen war, ob die genannte Rechtsauffassung der belangten Behörde dem Gesetz entspricht oder nicht.
2.3. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der lohnsummensteuerlichen Zuordnung eines Außendienstmitarbeiters Bedacht zu nehmen haben. Hienach (vgl. die Erkenntnisse vom 23. April 1992, Zl. 91/15/0153, und vom 26. April 1993, Zlen. 92/15/0007, 92/15/0008) kommt es für die Frage dieser Zuordnung zur Zentrale eines Unternehmens oder zu einer anderen Betriebsstätte darauf an, wo sich die Haupttätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers vollzieht. Entscheidend ist, zu welcher der mehreren Betriebsstätten die engere ständige Beziehung besteht, was nicht allein von der Frage abhängt, von wo aus der leitende Einsatz des Dienstnehmers erfolgt. Entscheidende Faktoren sind weiters etwa das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes in der Geschäftsstelle, die Beziehung der Außendienstmitarbeiter zu den in der Geschäftsstelle sonst tätigen anderen Dienstnehmern, die Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Geschäftsstelle bzw. der Zentrale und der Umstand, ob ein Außendienstmitarbeiter nur eine bestimmte Geschäftsstelle (bzw. deren räumlichen Einzugsbereich) oder auch andere betreut. Daß die Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters von der Zentrale aus geleitet wird, ist nur dann von entscheidender Bedeutung, wenn im konkreten Fall zu keiner anderen Betriebsstätte eine (im beispielsweise aufgezeigten Sinn) engere Beziehung besteht. Ohne Relevanz ist im gegebenen Zusammenhang das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis vom 27. Juni 1989, Zl. 89/14/0055, welches einen Fall der ZERLEGUNG des EINHEITLICHEN GEWERBESTEUERMEßBETRAGES nach § 30 GewStG betraf. Die Zerlegung bei der LOHNSUMMENSTEUER kommt im übrigen nach § 36 leg. cit. nur dann in Betracht, wenn sich EINE Betriebsstätte über MEHRERE Gemeinden erstreckt.
Die belangte Behörde wird auch zu beachten haben, daß gemäß § 29 Abs. 3 GewStG die Bescheide über die festgesetzten Steuermeßbeträge an die Steuerschuldner und an die (dh.: ALLE) beteiligten Gemeinden zu ergehen haben.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Ersatz der auf der Vollmacht entrichteten Stempelgebühr (es hätte eine für dieses Verfahren bestimmte Vollmacht ausgereicht) war abzuweisen, weil die beschwerdeführende Gemeinde zur Entrichtung der Gebühr gemäß § 2 Z. 2 und 3 des Gebührengesetzes 1957 nicht verpflichtet war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Juli 1992, Zl. 88/17/0109, vom 29. Jänner 1993, Zl. 90/17/0200, und vom 30. September 1993, Zl. 91/17/0159).
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Bescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche Erfordernisse Besondere Rechtsgebiete Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung und öffentliche Verwaltung Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit GebietskörperschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992170041.X00Im RIS seit
11.07.2001