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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AufG 1992 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. Juni 1993, Zl. Ia 370-290/92, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (im folgenden: StbG), ab.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer sei am 1. März 1955 in Dinar in der Türkei geboren und besitze durch Abstammung die türkische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer lebe seit 1972 mit Unterbrechungen, seit 1. September 1977 ununterbrochen in Österreich. Er arbeite seit 1986 als Hilfsarbeiter bei einem Unternehmen in H. Er sei seit Jänner 1973 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und habe drei Kinder. Seine Angehörigen lebten in der Türkei. Der Beschwerdeführer habe die Absicht, seine Familie nach Österreich zu bringen.
Nach Auffassung der belangten Behörde lägen zwar die allgemeinen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG vor, sie wies den Antrag aber im Rahmen des gemäß § 11 StbG eingeräumten Ermessens ab, da aus der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer auch für die in der Türkei lebende Familie ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 11a und 17 StbG entstünde. Dies würde bedeuten, daß der Ehefrau und den Kindern eine Einreise bzw. ein Aufenthalt in Österreich ohne die weiteren Voraussetzungen, wie sie z.B. das Fremdengesetz und das Aufenthaltsgesetz vorschrieben, ermöglicht wäre und die in den genannten Gesetzen geschützten öffentlichen Interessen beeinträchtigt würden. Nach Ansicht der belangten Behörde sei diese drohende Verletzung öffentlicher Interessen höher zu bewerten als das positive Gesamtverhalten des Beschwerdeführers. Es könne daher von dem eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werden. Auch eine Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß den §§ 11a, 12, 13 und 14 StbG komme nach Auffassung der belangten Behörde nicht in Betracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde bei Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß den §§ 10 und 11 StbG verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat (Z. 1) und die weiteren, in den Z. 2 bis 8 im einzelnen angeführten Voraussetzungen erfüllt. Die Entscheidung liegt - sofern die Anforderungen des Abs. 1 erfüllt sind - sodann im Ermessen der Behörde, wobei sich die Behörde bei dessen Ausübung gemäß § 11 leg. cit. von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen hat. Bei Ermessensentscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich zu prüfen, ob die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hat oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1990, Zl. 89/13/0041). Wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall bei der Ermessensübung darauf abgestellt hat, daß bei Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer auch für die in der Türkei lebende Ehegattin und seine minderjährigen Kinder ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß den §§ 11a und 17 StbG entstünde und die Geltendmachung dieses Anspruches "die Einreise und den Aufenthalt der Familienangehörigen nach bzw. in Österreich ohne weitere Voraussetzungen, wie sie z.B. das Fremdengesetz und das am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz vorschrieben", ermöglichten, wodurch öffentliche Interessen beeinträchtigt würden, hat sie - wie dies der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0615, näher dargelegt hat, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - das ihr eingeräumte Ermessen NICHT IM SINNE DES GESETZES (Art. 130 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 11 StbG) geübt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993010967.X00Im RIS seit
02.05.2001