TE Vfgh Beschluss 1992/10/14 B1097/91

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Veröffentlicht am 14.10.1992
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art41 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
VolksbegehrenG 1973 §3

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen einen den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens zur Herbeiführung einer Volksabstimmung über den EWR-Vertrag erledigenden Bescheid mangels Beschwerdelegitimation eines einzelnen Abgeordneten zum Nationalrat

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Am 29. Juli 1991 langte beim Bundesminister für Inneres ein von zehn Mitgliedern des Nationalrats - darunter J V - unterfertigter Antrag auf Einleitung des Verfahrens für ein Volksbegehren (§3 Abs1 Volksbegehrengesetz 1973, BGBl. 344 idF 1990/148) mit folgendem Wortlaut ein:

"Volksbegehren für eine Volksabstimmung über einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum

Der Beitritt Österreichs zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bedeutet die tiefgreifendste Veränderung der Verfassung und der politischen Verhältnisse Österreichs seit Abschluß des Staatsvertrages 1955. Daher wird der Nationalrat aufgefordert, den EWR-Vertrag einer Volksabstimmung zu unterziehen."

1.1.2. Als Bevollmächtigter iSd §3 Abs4 litb Volksbegehrengesetz 1973 wurde ua. "J V, Grüner Klub im Parlament, 1017 Wien, Klubobmann" namhaft gemacht.

1.2.1. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. August 1991, Z8.116/3-IV/6/91, als unbegründet abgewiesen.

1.2.2. Der Bescheid enthält folgende Begründung:

"Gemäß §5 Abs1 zweiter Satz des Volksbegehrengesetzes 1973 ist einem Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens stattzugeben, wenn die in den §§3 und 4 des Volksbegehrengesetzes 1973 normierten Voraussetzungen für die Einleitung des Verfahrens für ein Volksbegehren erfüllt sind. Gemäß §3 Abs1 Volksbegehrengesetzes muß ein Volksbegehren eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen und kann in Form eines Gesetzesantrages oder einer Anregung gestellt werden.

§3 Abs1 des Volksbegehrengesetzes 1973 gründet sich auf Art41 Abs2 B-VG. In dieser Bestimmung ist normiert, daß das Volksbegehren eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen muß und in Form eines Gesetzesantrages gestellt werden kann.

Der gegenständliche Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens lautet in seinem maßgeblichen Satz: 'Daher wird der Nationalrat aufgefordert, den EWR-Vertrag einer Volksabstimmung zu unterziehen.' Diesem Wortlaut nach geht der Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens offenkundig nicht in die Richtung, daß ein Akt der Gesetzgebung verlangt wird, sondern läuft auf ein tatsächliches Verhalten des Nationalrates hinaus. Dieser soll nämlich offenbar den Beschluß fassen, den EWR-Vertrag einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Wie sich aus dem oben zitierten Art41 Abs2 B-VG ergibt, muß jedoch das Volksbegehren eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen. Das bedeutet, daß Gegenstand des Volksbegehrens nur etwas sein kann, was sich in ein Bundesgesetz umsetzen läßt. Das Volksbegehren muß also darauf abzielen, den Gesetzgeber zu veranlassen, diejenigen Wünsche, die in dem Volksbegehren zum Ausdruck gebracht werden, durch die Erlassung eines Bundesgesetzes zu erfüllen. Gegenstand des Volksbegehrens kann dagegen nicht ein Akt der Mitwirkung an der Vollziehung oder die Forderung nach einem tatsächlichen Verhalten, sei es des Nationalrates oder eines anderen Staatsorganes, sein.

Bis zur Novellierung des Art41 Abs2 B-VG im Jahre 1988 war ein Volksbegehren in der Form eines Gesetzesantrages zu stellen. Dieses Formerfordernis ist zwar weggefallen, dennoch blieb das Volksbegehren, was seine verfassungsrechtliche Bedeutung anlangt, unverändert. Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Volksbegehrens besteht darin, daß es als die Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens anzusehen ist, was auch aus dem systematischen Ort des Art41 im B-VG unmittelbar nach der Überschrift 'D. Der Weg der Bundesgesetzgebung' ersichtlich ist. Daraus folgt, daß Gegenstand eines Volksbegehrens eben nur ein Begehren sein kann, das darauf abzielt, in ein Bundesgesetz einfließen zu können.

Die Aufforderung an den Nationalrat, den EWR-Vertrag einer Volksabstimmung zu unterziehen, zielt dagegen nicht darauf ab, diese Aufforderung zum Gegenstand der Bundesgesetzgebung zu machen. Aus diesen Erwägungen entspricht das Volksbegehren nicht den Anforderungen des Art41 Abs2 B-VG. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

1.3. Gegen diesen Bescheid ergriff J V als Abgeordneter zum Nationalrat Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG. Darin wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheids, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

2. Die Beschwerde ist unzulässig.

2.1.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt aussprach (vgl. VfSlg. 3669/1959; ferner VfSlg. 6716/1972, 7226/1973, 9107/1981, 9354/1982, 10627/1985 uam.), setzt die Beschwerdeberechtigung nach Art144 Abs1 B-VG zwingend voraus, daß der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen konnte: Das ist dann der Fall, wenn der normative Verwaltungsakt die Rechtsverhältnisse des Beschwerdeführers selbst zu verändern oder festzustellen vermochte.

Demgemäß kann in der gegenständlichen Rechtssache die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den angefochtenen Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen bestehen, denen im Einleitungsverfahren nach dem Volksbegehrengesetz 1973 die Stellung einer Partei zukam (vgl. VfSlg. 5358/1966, 8746/1980, 9107/1981, VfGH 29.9.1992 B286/92 uam.).

2.1.2. Diese Voraussetzung ist im Fall des Beschwerdeführers J V nicht erfüllt. Denn das Recht, beim Bundesminister für Inneres einen Antrag auf Einleitung des Verfahrens für ein Volksbegehren zu stellen, räumt §3 Abs2 des Volksbegehrengesetzes 1973 nur mindestens 10.000 Personen ein, die in der Wählerevidenz eingetragen sind und einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet haben. Gemäß §3 Abs3 dieses Gesetzes ist ein solcher Antrag zwar auch dann gültig eingebracht, wenn er, ohne die im Abs2 geforderte Unterstützung, von mindestens acht Mitgliedern des Nationalrats - so der zu 1.1.1. genannte Antrag - oder von mindestens je vier Mitgliedern der Landtage dreier Länder unterfertigt ist, einem einzelnen Nationalratsabgeordneten kommt die Antragslegitimation nach dem Volksbegehrengesetz 1973 hingegen nicht zu.

Demgemäß ist J V, der nach der Aktenlage lediglich im Administrativverfahren gemeinsam mit mindestens sieben weiteren Abgeordneten zum Nationalrat, im verfassungsgerichtlichen Verfahren jedoch allein - mit ausdrücklicher Berufung auf seine Abgeordnetenfunktion, nicht etwa als Bevollmächtigter iS des §3 Abs4 litb Volksbegehrengesetz 1973 - einschritt, zur Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art144 Abs 1 B-VG (gegen einen den Einleitungsantrag erledigenden Bescheid des Bundesministers für Inneres) nicht legitimiert.

2.2. Die Beschwerde war darum schon aus dieser Erwägung - wegen fehlender Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers - als unzulässig zurückzuweisen.

3. Der Eventualantrag des Beschwerdeführers auf Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof war schon deshalb abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur für den - hier nicht gegebenen - Fall einer ablehnenden Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofs vorgesehen ist, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde (vgl. VfGH 29.9.1992 B286/92 uvam.).

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Volksbegehren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B1097.1991

Dokumentnummer

JFT_10078986_91B01097_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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