TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/22 93/03/0215

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Veröffentlicht am 22.02.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des H in R, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 19. März 1993, Zl. KUVS 1187/2/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 15. September 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen zu haben. Es wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 9.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) über ihn verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde ihm am 23. September 1992 zugestellt. Dieser Zustelltag war ein Mittwoch, sodaß die zweiwöchige Berufungsfrist (§ 63 Abs. 5 AVG) am Mittwoch, dem 7. Oktober 1992 endete, was auch von beiden Parteien nicht bestritten wird.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. März 1993 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung zurückgewiesen, weil sie nach Auffassung der belangten Behörde verspätet sei. Sie führte zur Begründung ihrer Entscheidung im wesentlichen aus, aus dem Einlaufstempel der Bezirkshauptmannschaft Spittal sei ersichtlich, daß die Berufung "am 8.10.1992" persönlich bei dieser Behörde übergeben worden sei. Da "weder der Beschuldigte bzw. dessen Rechtsvertreter zum Vorhalt der Verspätung eine Stellungnahme abgegeben" hätten, sei von einer Verspätung des Rechtsmittels auszugehen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf Grund des Inhaltes des Verwaltungsstrafaktes ergibt sich, daß der Beschwerdeführer, anwaltlich vertreten, eine am 6. Oktober 1992 datierte Berufung - die Behauptung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, daß die Berufung "mit 8.10.1992" datiert sei, ist daher aktenwidrig - bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau persönlich überreichte. Der Eingangsvermerk der Erstbehörde, welcher auf der Urschrift angebracht ist, läßt nicht eindeutig erkennen, ob es sich beim Tag der Überreichung um den 6. Oktober 1992 oder den 8. Oktober 1992 handelt. Die belangte Behörde hat daraufhin dem Beschwerdeführer, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, mit Schreiben vom 19. Jänner 1993 mitgeteilt, daß die Absicht bestehe, die Berufung wegen verspäteter Vorlage zurückzuweisen. Da der Beschwerdeführer hiezu keine schriftliche Stellungnahme überreichte, sah sie die Berufung als verspätet eingebracht an.

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde diesbezügliche Nachforschungen unterlassen hat, und führt ins Treffen, daß sie verpflichtet gewesen wäre, die Rechtzeitigkeit der Berufung von Amts wegen zu prüfen. Daß im Eingangsvermerk der Erstbehörde die Ziffer, die den Tag des Einganges bezeichnet, durch einen "Klecks" der Stempelfarbe undeutlich gemacht ist, beruht ganz offensichtlich nicht auf einem Verschulden der Partei bzw. dessen Vertreters. Das richtige Datum des Einganges läßt sich rein optisch noch nicht in eindeutiger Weise bestätigen. Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, durch geeignete Ermittlungen - wie etwa Einvernahme des zuständigen Beamten der Einlaufstelle, schrift- bzw. kriminaltechnische Untersuchungen - klarzustellen, an welchem Tag tatsächlich die Berufung überreicht wurde. Bei Durchführung des Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde von Amts wegen vorgehen und entsprechend der Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens beurteilen müssen, ob sie als erwiesen annehmen könne, daß die Berufung tatsächlich rechtzeitig - oder verspätet - ist (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1972, Zl. 1650/71). Davon enthob sie auch nicht die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers, wie sie in ihrer Gegenschrift vermeint.

Da die belangte Behörde die nötigen Erhebungen unterlassen und damit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, und der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993030215.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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