TE Vfgh Erkenntnis 1992/10/15 B313/91

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Veröffentlicht am 15.10.1992
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 13. Jänner 1989 wurde der beschwerdeführende Rechtsanwalt der Verletzung der Berufspflichten für schuldig erkannt, weil er seit Eintragung der zu HRB 2635 des Landes- als Handelsgericht Graz protokollierten Firma, nämlich seit Dezember 1986, die Stellung des einzigen Geschäftsführers dieser GesmbH innegehabt habe, wobei der Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft die Verwaltung von Ärztevermögen umfasse; dieser Unternehmensgegenstand zähle auch zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes. Er wurde hiefür zu einer Geldbuße von S 5.000,-- und zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilt.

1.2. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 12. März 1990, Zl. Bkd 54/89, zugestellt am 7. Februar 1991, wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschuldigte gegen §5 RL-BA 1977, zweiter Satz, verstoßen habe, indem er als Geschäftsführer in einem Unternehmen tätig sei, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfasse, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen. Dieser Verstoß begründe das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit behauptet, die Gesetzwidrigkeit des §5 RL-BA 1977 geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

4. Aus Anlaß dieses Beschwerdefalles hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit des Wortes "Geschäftsführer," im zweiten Absatz des §5 RL-BA 1977 von Amts wegen geprüft.

Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 1992, V27/92, hat der Verfassungsgerichtshof das Wort "Geschäftsführer," im zweiten Satz des §5 RL-BA 1977 als gesetzwidrig aufgehoben.

5. Die belangte Behörde hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B313.1991

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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