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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §4 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. April 1994, Zl. 14/135-4/1993, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. April 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 8. September 1992 um 12.00 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Kitzbühel auf dem Hornparkplatz gelenkt und sei an einem Verkehrsunfall mit fremdem Sachschaden zwischen ihm und dem Frau R gehörigen, dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeug beteiligt gewesen und habe es unterlassen, diesen Unfall ohne unnötigen Aufschub beim nächsten Gendarmerieposten anzuzeigen, obwohl ein Identitätsnachweis unterblieben sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht und dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging nach der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß der Beschwerdeführer am 8. September 1992 gegen 12.00 Uhr mit seinem Kraftfahrzeug auf dem Hornparkplatz in Kitzbühel rückwärts aus einer Parklücke herausgefahren und in der Folge an einen einer anderen Person gehörigen Pkw gestoßen sei. Dabei habe er dessen linke hintere Stoßstange beschädigt. Das Anstoßen und Beschädigen des Fahrzeuges ("Auf- und Abwippen des Fahrzeuges und die heruntergerissene Stoßstange") sei vom Zeugen B aus einer Sicht von 25 m wahrgenommen worden. Um 17.15 Uhr habe die Eigentümerin des beschädigten Pkws R beim Gendarmerieposten Kitzbühel, nachdem sie den ihr vom Zeugen B hinterlassenen Zettel an der Windschutzscheibe vorgefunden hatte, Anzeige erstattet. Auch der Gendarmeriebeamte habe am Fahrzeug die Beschädigung gesehen. Die belangte Behörde wies anläßlich der Verhandlung weitere Beweisanträge des Beschwerdeführers ab, weil "der Sachverhalt ausreichend geklärt war" und führte zudem aus, daß sie davon ausgehe, daß "die Zeugen E und S P die Aussagen des Berufungswerbers stützen würden".
Der Beschwerdeführer wendet ein, daß er am Fahrzeug der Zeugin R eine Beschädigung nicht zugefügt habe und bereits in seiner Berufung an die belangte Behörde die Einvernahme der Zeugin R, "der die Vorlage der Originalfotos der Schäden aufgetragen werden möge", die Beiziehung eines technischen Amtssachverständigen und die Anordnung der Durchführung einer Stellprobe zum Beweise dafür beantragt habe, daß die Schäden am Fahrzeug der Zeugin R gar nicht durch einen Anstoß mit seinem Fahrzeug herrühren können. Er habe weiters auch seine eigene Einvernahme beantragt. Alle diese Beweisanträge habe die belangte Behörde unerledigt gelassen.
Zunächst ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß es keinen Verfahrensmangel darstellt, daß die belangte Behörde die persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Hinblick auf dessen Nichterscheinen unterließ und dessen Entschuldigung zur Berufungsverhandlung nicht zum Anlaß für deren Erstreckung nahm. Der Beschwerdeführer hatte sich mit einem "Kuraufenthalt" bzw. "Urlaub" entschuldigt. Daß es ihm aus triftigen Gründen nicht möglich gewesen wäre, dennoch der Ladung für den 15. April 1994, die ihm bereits am 3. Feber 1994 zugestellt worden war, nachzukommen und eine Verschiebung (oder Unterbrechung) des Kuraufenthaltes zu erwirken oder den Urlaub zu verlegen, hat er nicht dargetan.
Mit Recht rügt der Beschwerdeführer jedoch, daß die belangte Behörde den Sachverhalt hinsichtlich der angenommenen Beschädigung nicht hinreichend ermittelt hat. Wenn es auch für die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 nicht auf die Art der Beschädigung und an welcher Stelle des Fahrzeuges ein Sachschaden entstanden ist, ankommt, und auch ein geringfügiger Sachschaden diese Meldepflicht auslöst (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 27. Feber 1992, Zl. 92/02/0020, und vom 2. September 1992, Zl. 92/02/0203), ist hier zu beachten, daß der Beschwerdeführer sich damit verantwortet hat, daß er KEINE Beschädigung am anderen Fahrzeug zugefügt habe und die ihm von der Behörde vorgeworfene Beschädigung ("heruntergerissene Stoßstange") aus technischer Sicht nicht durch den Anstoßvorgang hervorgerufen sein konnte. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht konkret auseinandergesetzt, ist den diesbezüglichen Beweisanträgen des Beschwerdeführers - ohne hinreichende Begründung - nicht nachgekommen und hat nicht schlüssig dargestellt, warum sie zur festgestellten Beschädigung, die durch den Beschwerdeführer verursacht worden sein soll, gelangte. Der Zeuge B, dessen Aussage wesentliche Grundlage der behördlichen Feststellungen war, sagte selbst aus, daß er NICHT direkt gesehen habe, "daß von dem einen Fahrzeug die Stoßstange heruntergerissen wurde", und auch sonst sind seine Angaben nicht widerspruchsfrei. Schon im Hinblick darauf hätte sich die belangte Behörde über die diesbezüglichen Beweisanträge des Beschwerdeführers nicht hinwegsetzen dürfen. Dazu kommt, daß sie hinsichtlich der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen eine unzulässige antizipative Beweiswürdigung vorgenommen hat (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 311).
Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig ist und Verfahrensvorschriften von der belangten Behörde außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
MeldepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994030234.X00Im RIS seit
12.06.2001