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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung des undifferenzierten Verbotes der Ausübung einer Geschäftsführerfunktion durch einen Rechtsanwalt in Unternehmen mit auch die befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes umfassendem Gegenstand gemäß §5 RL-BA 1977 mangels gesetzlicher GrundlageSpruch
1. Das Wort "Geschäftsführer," im zweiten Satz des §5 der Satzung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 8. Oktober 1977, betreffend Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977), kundgemacht im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" vom 14. Dezember 1977, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. März 1993 in Kraft.
3. Der Bundesminister für Justiz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B313/91 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 12. März 1990, Zl. Bkd 54/89, richtet; in dieser wird die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit behauptet, die Gesetzwidrigkeit des §5 der Satzung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 8. Oktober 1977, betreffend Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977) geltend gemacht und ua. die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Mit dem genannten Bescheid war über den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen §5 RL-BA 1977 eine Disziplinarstrafe von S 5.000,-- verhängt und er war zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilt worden, weil er seit Eintragung der zu HRB 2635 des Landes- als Handelsgericht Graz protokollierten Firma, nämlich seit Dezember 1986, die Stellung des einzigen Geschäftsführers dieser GesmbH innegehabt habe, wobei der Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft die Verwaltung von Ärztevermögen umfaßt habe; dieser Unternehmensgegenstand zähle auch zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes.
2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat in dem zu B313/91 anhängigen verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des Wortes "Geschäftsführer," im zweiten Satz des §5 RL-BA 1977 von Amts wegen zu prüfen.
4. §5 RL-BA 1977 - das in Prüfung gezogene Wort ist hervorgehoben - lautet:
"§5. Der Rechtsanwalt darf als Dienstnehmer ein Dienstverhältnis, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen, weder eingehen noch aufrechterhalten. Umfaßt der Gegenstand eines Unternehmens auch derartige Tätigkeiten, darf der Rechtsanwalt weder für dieses als Vorstandsmitglied, Geschäftsführer, Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter tätig sein noch diesem in anderer Art angehören. Tätigkeiten des Rechtsanwaltes in solchen Stellungen unterliegen jedenfalls den Grundsätzen seiner Berufsausübung."
5. Begründet hat der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung genommenen Anordnung im wesentlichen wie folgt:
"Einleitend ist festzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof bisher von der Unbedenklichkeit des §5 RL-BA 1977 ausgegangen ist (VfSlg. 9537/1982, 11302/1987, 11352/1987 und VfGH 5.3.1990, B1174/89). Angesichts des nunmehrigen Beschwerdevorbringens vermeint der Verfassungsgerichtshof, diese Auffassung nicht mehr undifferenziert aufrecht erhalten zu können.
Der zweite Satz des §5 RL-BA 1977 verbietet dem Rechtsanwalt, in Unternehmungen, deren Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen, als Vorstandsmitglied, Geschäftsführer, Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter tätig zu sein oder solchen Unternehmungen in anderer Art anzugehören. Die Übernahme derartiger Positionen dürfte somit insgesamt als mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar erklärt werden.
§20 RAO ordnet an, daß (...) mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft der 'Betrieb solcher Beschäftigungen' unvereinbar ist, welche dem Ansehen des Rechtsanwaltsstandes zuwiderlaufen. Es ist dem Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht ersichtlich, warum jede Tätigkeit als Geschäftsführer in einer GesmbH, deren Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen, dem Ansehen des Rechtsanwaltsstandes zuwiderlaufen sollte.
Zwar ist der Verfassungsgerichtshof ganz allgemein der Auffassung (vgl. das schon zitierte Erkenntnis VfSlg. 11302/1987, S. 369), daß eine solche Betätigung leicht zu einer Kollision zwischen den anwaltlichen Standespflichten und den Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen führen könne. Doch zeigen gerade in diesem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren vorgetragene Aspekte des Anlaßfalles auf, daß dies für eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Fällen nicht zutreffen dürfte.
Auf die genannte Regelung der RAO dürfte sohin nicht ein umfassendes Verbot gestützt werden können, welches Art und Umfang der Tätigkeit als Geschäftsführer unberücksichtigt läßt, zumal das Vertretungsrecht des Rechtsanwaltes gemäß §8 Abs1 RAO die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten umfaßt. Dies dürfte gerade im Hinblick auf das Erkenntnis VfSlg. 11302/1987 beachtlich sein, in dem der Verfassungsgerichtshof ua. unter dem Blickwinkel der Erwerbsfreiheit nur generell und ohne Differenzierung ausgesprochen hat, daß zwar §20 RAO eine Beschränkung der Erwerbsfreiheit für Rechtsanwälte enthalte, die jedoch in der Funktion, die dem Anwaltsstand in einem Rechtsstaat obliege, ihre sachliche Rechtfertigung finde und im öffentlichen Interesse liege.
Bei verfassungskonformer Interpretation des §20 RAO dürften die beiden im zweiten Satz des §5 RL-BA 1977 genannten Kriterien kein taugliches Abgrenzungskriterium eines standeswidrigen von einem standesgemäßen Verhalten bilden. Angesichts der Vielzahl und Verschiedenheit möglicher Unternehmensgegenstände einer GesmbH dürfte die Regelung dazu führen, daß ein Rechtsanwalt faktisch weithin überhaupt nicht mehr eine derartige Funktion übernehmen dürfte. Gemäß §20 litc RAO scheint aber nicht jede Funktion als Geschäftsführer ausgeschlossen, sondern nur eine solche, die dem Ansehen des Rechtsanwaltsstandes zuwiderläuft.
Durch die Verweisung des §20 litc RAO auf das Erfordernis der Wahrung des Ansehens des Rechtsanwaltsstandes wird zwar konkretisierend mit Bezug auf bestimmte Beschäftigungen eine gesetzliche Einschränkung vorgesehen, im Kern der Regelung aber - gleich wie im DSt 1990 (und vordem in §2 DSt 1872) - auf gefestigte Standesauffassungen verwiesen. Dem Verfassungsgerichtshof scheint nun fraglich, ob das in §5 RL-BA 1977 ausgesprochene undifferenzierte Verbot der Ausübung einer Geschäftsführerfunktion in Unternehmen, deren Gegenstand auch die befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes umfaßt, (noch) auf einer gefestigten Standesauffassung beruht.
Käme aber §20 litc RAO für die Erlassung der in Prüfung gezogenen Regelung nicht in Betracht, so scheint es auch sonst keine gesetzliche Grundlage für eine derartige generelle Regelung zu geben. Damit besteht aber das Bedenken, daß es sich bei der in Prüfung gezogenen Regelung nicht um die Ausführung einer schon im Gesetz selbst getroffenen Bestimmung handelt, daß also das Gesetz eine Grundlage zur Erlassung der Einschränkung der sonst für Angehörige des Anwaltsstandes gegebenen Rechte im Verordnungswege nicht enthält. Wird aber durch die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht eine bereits im Gesetz selbst enthaltene Regelung nur näher ausgeführt, so würde durch sie neues selbständiges Recht geschaffen, was im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG verfassungswidrig wäre.
Hinzu tritt, daß eine solche Regelung auch unsachlich und überschießend erschiene und gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG) sowie auf Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) verstieße."
6. Der Bundesminister für Justiz sah von einer Äußerung ab.
7. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (Beschluß des Präsidentenrates vom 4. Juli 1992) hat eine Äußerung erstattet und beantragt, das in Prüfung gezogene Wort in §5 RL-BA 1977 nicht als gesetzwidrig aufzuheben; der angeforderte Verordnungsakt wurde nicht vorgelegt.
Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag führt (in Replik auf die Beschwerdeausführungen des Anlaßverfahrens) aus, der Beschwerdeführer (des Anlaßverfahrens) befinde sich mit seiner Auffassung in einem Irrtum, es entspreche nicht mehr den gefestigten Standesauffassungen, wenn ein Rechtsanwalt nicht Geschäftsführer einer GesmbH sein dürfe und dies aus einer großen Zahl von Rechtsanwälten als Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer in einer Kapitalgesellschaft ableite.
Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag meint weiter, daß es auch unter dem Blickwinkel der Erwerbsfreiheit einem Rechtsanwalt frei stehe, eine Tätigkeit, die die Vertretung fremder Interessen mit sich brächte, auch in seiner freiberuflichen Eigenschaft als Rechtsanwalt auszuüben. Er würde daher in seiner Freiheit, eine solche Tätigkeit auszuüben, auch durch §5 RL-BA 1977, zweiter Satz, keineswegs beschränkt:
"Die durch diese Bestimmung bestehende Beschränkung betrifft - ausschließlich - die Ausübung einer Funktion als Geschäftsführer (einer Kapital-Gesellschaft), zu deren Gegenstand eine Tätigkeit gehört, die begrifflich 'zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählt'.
Für diese - nicht den Inhalt der Erwerbstätigkeit, sondern nur die Form ihrer Ausübung betreffende - Einschränkung besteht eine sachliche Rechtfertigung:
Jeder Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH ist verpflichtet, bei seiner Tätigkeit die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, die Beschlüsse und Aufträge der Gesellschafter und das Gesetz (auch z. B. die Gewerbeordnung) zu beachten und einzuhalten.
Ein Rechtsanwalt ist ebenfalls an Auftrag und Gesetz gebunden, gemäß §9(1) RAO darüberhinaus aber auch an sein 'Gewissen'; weiters hat er das Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit (§9(2) RAO); darüberhinaus muß er bei seiner Berufsausübung die - wie eingangs erwähnt - Verordnungscharakter aufweisenden Richtlinien zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, welcher der Österreichische Rechtsanwaltskammertag gemäß §37 RAO erläßt, einhalten.
Es ist weder im Interesse der rechtssuchenden Bevölkerung noch im Interesse des Rechtsanwaltsstandes, daß ein Rechtsanwalt, der als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesllschaft mbH z.B. durch Generalversammlungsbeschlüsse Aufträge erhält, an deren Erfüllung ihn z.B. seine Verschwiegenheitspflicht oder gar sein Gewissen hindern. Hier gerät er in einen unlösbaren Konflikt mit seinen Verpflichtungen als handelsrechtlicher Geschäftsführer einerseits und als Rechtsanwalt andererseits. Auch der VfGH hat im Erkenntnis 11302/1987, S.369, anerkannt, daß eine solche Betätigung leicht zu einer Kollision zwischen den anwaltlichen Standespflichten und den Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen führen kann. Diese Kollisionsgefahr ist keineswegs auf einen Teil der möglichen Fälle beschränkt."
Schließlich kommt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:
"a) Der zweite Satz des §5 RL-BA 1977 findet - wie vom VerfGH bereits in B402/86 erkannt wurde - gesetzliche Deckung in §20 litc RAO, d.h. ein Verstoß würde eine Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes bewirken.
b) Im vorliegenden Fall läge inhaltlich aber auch ein Verstoß gegen die Berufspflichten vor, weil der Beschwerdeführer - wie sich aus dem Verwaltungsakt einwandfrei und unbestritten ergibt - nicht etwa Gesellschafter oder gar beherrschender Mehrheits-Gesellschafter der betreffenden Unternehmung ist, sondern (handelsrechtlich ausgedrückt) ein 'Fremd-Geschäftsführer', der - im Falle der Honorierung seiner Tätigkeit - (dienstlich und sozialversicherungsrechtlich) ein 'angestellter' Geschäftsführer wäre.
Angesichts dieser Sachlage ist der Begriff des 'Geschäftsführers' im zweiten Satz des §5 RL-BA 1977 - nach dem rechtspolitischen Zweck - nicht anders aufzufassen als der Begriff 'Dienstnehmer' im ersten Satz dieser Bestimmung: In beiden Fällen liegt einerseits ein Abhängigkeitsverhältnis und andererseits eine vollkommene (im Rahmen des Gesetzes zu erfüllende) Unterworfenheit unter eine fremde Willensgestaltung (der Gesellschafter) vor. Die Selbständigkeit eines ABGB-Mandatars im allgemeinen und eines Rechtsanwaltes im besonderen geht bei einem solchen Geschäftsführer ebenso unter wie bei einem Dienstnehmer des Unternehmens."
8. Der Beschwerdeführer des Anlaßfalles replizierte darauf.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommene Präjudizialität des §5, zweiter Satz, RL-BA 1977 spricht. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes (s.o. I.5.) haben sich im Ergebnis als zutreffend erwiesen. Die Äußerung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages war nicht geeignet, sie zu zerstreuen:
2.1. Die in Prüfung genommene Regelung in §5, zweiter Satz, RL-BA 1977 verbietet einem Rechtsanwalt, in Unternehmungen, deren Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen, als Geschäftsführer tätig zu sein. Die Übernahme einer derartigen Positionen ist somit insgesamt und ausnahmslos als mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar erklärt worden. Dies sogar in jenen Fällen, in denen es nach der Gesellschaftsstruktur bzw. durch vertragliche Gestaltung sichergestellt ist, daß es in der Ingerenz des Rechtsanwaltes liegt, das Ansehen des Rechtsanwaltsstandes ohne Beeinträchtigung zu wahren.
2.2. Das Vertretungsrecht eines Rechtsanwaltes umfaßt die Befugnis gemäß §8 Abs1 RAO zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Angesichts der Vielzahl und Verschiedenheit möglicher Unternehmensgegenstände einer GesmbH führt die Regelung dazu, daß ein Rechtsanwalt faktisch weithin überhaupt nicht mehr eine derartige Funktion übernehmen darf. §20 litc RAO erklärt jedoch nur den Betrieb solcher Tätigkeiten mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für unvereinbar, welche dem Ansehen des Rechtsanwaltsstandes zuwiderlaufen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 11302/1987 unter dem Blickwindel der Erwerbsfreiheit nur generell und ohne Differenzierung ausgesprochen, daß zwar §20 RAO eine Beschränkung der Erwerbsfreiheit für Rechtsanwälte enthalte, die jedoch in der Funktion, die dem Anwaltsstand in einem Rechtsstaat obliege, ihre sachliche Rechtfertigung finde und im öffentlichen Interesse liege.
§5 RL-RA 1977 verbietet jedoch in einer undifferenzierten Weise die Ausübung einer Geschäftsführerfunktion in Unternehmen, deren Gegenstand auch die befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes umfassen.
Der Verfassungsgerichtshof vermeint, daß ein solch umfassendes Verbot, wie es im zweiten Satz des §5 RL-BA 1977 ausgesprochen wird, das jede Tätigkeit als Geschäftsführer in einer GesmbH, deren Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen, untersagt, nicht auf §20 RAO gestützt werden kann. Angesichts des eindeutigen Wortlautes der in Prüfung genommenen Regelung kommt eine einschränkende Auslegung im Hinblick auf die dabei möglichen bzw. erforderlichen Differenzierungen nicht in Betracht. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11776/1988 ausgesprochen und näher begründet hat, muß aus der Sicht des Art7 EMRK einer disziplinären Verurteilung zu Grunde liegen, daß sie wegen einer Verletzung von Berufspflichten oder wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes erfolgt, die sich aus gesetzlichen Regelungen oder aus gefestigten Standesauffassungen ergeben, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen.
§20 litc RAO kommt daher bei verfassungskonformem Verständnis dieser Bestimmung als im Sinne des Art18 B-VG erforderliche gesetzliche Grundlage für die in Prüfung gezogene Regelung nicht in Betracht; auch sonst besteht keine gesetzliche Grundlage für diese Regelung. Es handelt sich daher bei ihr nicht bloß um die Ausführung einer schon im Gesetz selbst getroffenen Bestimmung, sondern um eine selbständige Regelung in einer Verordnung, die ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen wurde. Sie ist daher im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG verfassungswidrig, ohne daß zu prüfen war, ob auch die weiteren, im Prüfungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken zutreffen.
III. Das Wort "Geschäftsführer," im zweiten Satz des §5 RL-BA 1977 war daher als verfassungswidrig aufzuheben.
IV. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art139 Abs5, letzter Satz, B-VG.
V. Die Verpflichtung zur Kundmachung dieser Aussprüche durch den Bundesminister für Justiz im Bundesgesetzblatt stützt sich auf Art139 Abs5, erster Satz, B-VG.
VI. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:V27.1992Dokumentnummer
JFT_10078985_92V00027_00