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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 19. November 1992, Zl. A 17-K-6.361/1990-4, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: L-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Der mitbeteiligten Partei wurde mit Bescheid vom 10. Juni 1992 die Bewilligung der Widmung der Grundstücke Nr. 1448/1, 1448/2 und 1448/3 EZ 682, KG L, als Bauplatz unter Festsetzung von Bebauungsgrundlagen und unter Auflagen zur Sicherung der Bauplatzeignung und Anliegerleistungen gemäß § 2 und 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 erteilt. Als Verwendungszweck wurde festgelegt: "Nahversorgungsmarkt (maximal 600 m2 Verkaufsfläche) und alle gemäß § 23 Abs. 5 lit. b (gemeint offenbar: ROG 1974) zulässigen Bauten". Über Berufung der Beschwerdeführerin erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abwies. Begründend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf das beschränkte Mitspracherecht des Nachbarn im Baurecht aus, daß gemäß § 3 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 iVm § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 der Nachbar gegen die Erteilung einer Widmungsbewilligung Einwendungen erheben könnte, wenn sich diese auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienten. Nach § 61 Abs. 2 lit. b Steiermärkische Bauordnung 1968 besitze der Nachbar ein Recht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei. Da im gegenständlichen Fall das Widmungsgrundstück gemäß dem Flächenwidmungsplan im Allgemeinen Wohngebiet liege, sei mit der konkreten Widmung ein Immissionsschutz der Nachbarn gewährleistet, weshalb diesen bei der Festsetzung des Verwendungszweckes ein Mitspracherecht zukomme.
Vor der Festsetzung des Verwendungszweckes für die gewidmeten Grundstücke (Nahversorgungsmarkt mit einer maximalen Verkaufsfläche von 600 m2 und alle gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Raumordnungsgesetz zulässigen Nutzungen), sei ein Gutachten des Amtes für Umweltschutz eingeholt worden, um sicherzustellen, daß durch das gleichzeitig eingebrachte Bauprojekt keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft der Umgebung verursacht würden. Aufgrund dieses Gutachtens sei hinsichtlich des geplanten Bauprojektes festgestellt worden, daß die zu erwartende Lärmbelästigung eine Überschreitung des Widmungsmaßes von 2 dB bis 4 dB aufweise. Aufgrund dieses Gutachtens sei das eingereichte Bauvorhaben zurückgestellt und als nicht genehmigungsfähig angesehen worden. Es habe jedoch anläßlich der Widmung der Verwendungszweck - wie näher ausgeführt - festgesetzt werden können, da Nahversorgungsbetriebe nicht generell als unzulässig erklärt werden könnten. Da somit durch die Festsetzung des Verwendungszweckes Nachbarrechte nicht verletzt würden und der Nachbar im Bauverfahren die Möglichkeit besitze, seine Bedenken hinsichtlich der Lärmbelästigung und unzumutbare Beeinträchtigungen der Lebensqualität der Anrainer durch ein konkretes Bauprojekt vorzubringen, sei die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift eingebracht und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 43/1992 sowie die Kundmachung LGBl. Nr. 54/1992, ist eine Widmungsbewilligung zu erteilen, wenn die in § 1 sowie die im Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127, in der jeweils geltenden Fassung, genannten Voraussetzungen für eine Widmung vorliegen. Gemäß § 3 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung 1968 ist über das Ansuchen eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung durchzuführen, es sei denn, daß es bereits aufgrund der Prüfung der Pläne und Unterlagen oder wegen eines unlösbaren Widerspruches zu einem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und zu Bebauungsrichtlinien abzuweisen ist. Die Bestimmungen über die Bauverhandlung (§ 61) sind sinngemäß anzuwenden. Dies bedeutet insbesondere, daß Nachbarn auch im Widmungsverfahren Parteistellung haben und dieselben subjektiven Rechte wie im Baubewilligungsverfahren (§ 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968) geltend machen können.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin sich auf das aus § 61 Abs. 2 lit. b Steiermärkische Bauordnung 1968 erfließende Recht auf Wahrnehmung der Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist, berufen kann. Die belangte Behörde hat auch zutreffend erkannt, daß sich aus dem im Beschwerdefall maßgeblichen § 23 Abs. 5 lit. b Stmk ROG 1974 (allgemeines Wohngebiet) insoweit ein Immissionsschutz ergibt, als die nach dieser Bestimmung zulässigen Gebäude und Betriebe (die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen) keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen dürfen.
In diesem Zusammenhang ist aber der Hinweis in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei zutreffend, daß eine allenfalls eingetretene Präklusion von der Berufungsbehörde (und dem Verwaltungsgerichtshof) zu beachten wäre. Der Verwaltungsgerichtshof kann sich zwar nicht der in dieser Gegenschrift vertretenen Auffassung anschließen, daß sich die Beschwerdeführerin schon im Hinblick darauf, daß sie sich der schriftlich vorgelegten Äußerung des Dipl.-Ing. Sch. angeschlossen habe, im Hinblick auf § 44 Abs. 2 AVG verschwiegen habe. Gleichgültig, ob die schriftliche und im Akt erliegende Äußerung tatsächlich erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde oder ob sie vor der mündlichen Verhandlung eingebracht wurde, muß nämlich die entsprechende Erklärung als wirksam angesehen werden (vgl. zur Frage der Wirksamkeit einer entgegen § 44 Abs. 2 AVG vom Verhandlungsleiter entgegengenommenen schriftlichen Erklärung das hg. Erkenntnis vom 19. August 1993, Zl. 91/06/0031). Eine Präklusion wird durch ein Parteienvorbringen bis zur oder in der mündlichen Verhandlung jedoch nur ausgeschlossen, wenn eine taugliche Einwendungen erhoben wird. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist eine Einwendung die Behauptung einer Rechtsverletzung in Bezug auf ein bestimmtes Recht (vgl. z.B. das hg Erkenntnis vom 1. Juli 1982, Zl. 82/06/0054). Aufgrund einer Einwendung muß jedenfalls erkennbar sein, welche Rechtsverletzung behauptet wird, wenngleich die Einwendung auch nicht zu begründen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Zl. 84/04/0129). Die Erklärung von Dipl.-Ing. Sch., der sich die Beschwerdeführerin angeschlossen hat, stellt zunächst die Bebauungssituation in der Umgebung des Vorhabens der mitbeteiligten Partei dar und stellt fest, daß die Widmungsfläche an der tiefsten Stelle liege. In diesem Zusammenhang wird auf den Umstand hingewiesen, daß die Emissionen vom Widmungsgrund (Lärm, Abgase u.a.) "direkt in die umliegenden Wohnungen gelangen" könnten. Damit wurden aber keine nach der Flächenwidmung unzulässigen Emissionen iSd § 61 Abs. 2 lit. b Stmk BauO geltend gemacht, sondern die generelle Eignung des Grundstückes als Bauplatz bestritten; insoweit besteht jedoch kein Nachbarrecht. In der Folge werden Überlegungen zum Charakter einer Flächenwidmung angestellt, die rechtspolitischen Inhalts (im Hinblick auf eine allfällige Umwidmung) sind, und auf die bereits bestehenden Lebensmittelgeschäfte und Lebensmittelmärkte hingewiesen.
Eine Bezugnahme auf ein der Beschwerdeführerin zukommendes Recht ist in diesen Ausführungen damit nicht enthalten.
Es ist daher - wie auch in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei ausgeführt - Präklusion eingetreten. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, die Berufung der Beschwerdeführerin schon aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates VwSlg. 10.317 A/1980). Dadurch, daß die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin inhaltlich behandelt und die Abweisung der Berufung darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin in keinem subjektiven Recht verletzt sei, ist die Beschwerdeführerin jedoch in keinem subjektiven Recht verletzt. Auf die Frage, ob die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen ist, daß der festgelegte Verwendungszweck dem Gesetz entspricht, ist im Rahmen des vorliegenden Beschwerdefalles daher nicht näher einzugehen.
Auch auf die geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ist daher nicht näher einzugehen, weil die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter gehen können als ihre inhaltlichen Rechte und im Falle der Präklusion eine Verletzung von Verfahrensvorschriften insoweit nicht vorliegen kann, als die Partei präkludiert ist.
Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Stempelaufwand für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei.
Mit der Entscheidung in der Sache erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993060005.X00Im RIS seit
20.11.2000