TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/23 93/06/0087

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Veröffentlicht am 23.02.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der 1. AM und 2. IM, beide in D und beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 10. Juni 1992, Zl. II-133/92, betreffend eine baubehördliche Bewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. T in D, 2. PÖ in D, 3. BÖ in D, und 4. Stadt D, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen sind Eigentümerinnen eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Stadt. Auf dem dem Grundstück der Beschwerdeführerinnen benachbarten Grundstück Nr. .37 befindet sich ein Bauernhaus mit Wohn- und Wirtschaftsteil (Stall und Tenne). Das Wohngebäude auf Grundstück Nr. .37 scheint bereits im Katasterplan 1857 in seinem vollen Umfang auf. Die ältesten auffindbaren Bauakten stammen aus dem Jahre 1928. Die Verbreiterung der nördlichen Haushälfte (Wirtschaftsteil) durch einen Stadelanbau erfolgte aufgrund einer Baubewilligung aus dem Jahre 1928 und zwar mit ausdrücklicher Zustimmung des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerinnen zur erforderlichen Abstandsnachsicht. Mit Eingabe vom 22. Mai 1991 suchten die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien um die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch der Stadelwände, den Umbau und die Umwidmung des Erdgeschoßes sowie die Errichtung von Wohneinheiten an. Die Situierung der Außenwände sollte durch das Projekt unverändert bleiben. In der mündlichen Verhandlung vom 14. August 1991, zu der die Beschwerdeführerinnen unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden, erklärten die Beschwerdeführerinnen durch einen Vertreter, einer Abstandsnachsicht unter der Voraussetzung zuzustimmen, "daß der derzeit größte Abstand zwischen dem Grundstück M und dem Gebäude T/Ö in Hinkunft auf der gesamten Länge der Grundstücksgrenze eingehalten wird". Die Bewilligung wurde unter Vorschreibung verschiedener Auflagjn von der Baubehörde erster Instanz erteilt und gleichzeitig eine Abstandsnachsicht gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz bewilligt. Aufgrund der Berufung der Beschwerdeführerinnen, in der sich diese insbesondere gegen die Erteilung der Abstandsnachsicht gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz wendeten, wurde mit Bescheid der Berufungskommission in Bauangelegenheiten der mitbeteiligten Stadt vom 2. März 1992 die Berufung abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen Vorstellung. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß dann, wenn wie im Beschwerdefall mit dem bewilligten Umbau keine zusätzlichen Flächen auf dem Baugrundstück bebaut werden sollen, sondern nur eine bereits bestehende Außenwand an der gleichen Stelle neu errichtet werden solle, nicht sämtliche für die Erteilung einer Abstandsnachsicht sonst maßgeblichen Fragen gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz neuerlich zu prüfen seien. Die im Zusammenhang mit der Umwidmung von bestehenden Gebäuden vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur vertretene Auffassung sei auch bei einem Umbau wie im vorliegenden Falle heranzuziehen. Die Prüfung im Sinne des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes habe sich lediglich auf die Frage der Beeinträchtigung von Interessen des Brandschutzes und der Gesundheit im Zusammenhang mit der neuen Verwendung zu beschränken.

Die Gemeindebehörden hätten (worauf im angefochtenen Bescheid detailliert eingegangen wird) hinsichtlich dieser Fragen ausreichende Sachverhaltsfeststellungen getroffen und hätten zu Recht das Vorliegen einer Beeinträchtigung von Interessen der Beschwerdeführerinnen, die zu einer Versagung der Erteilung der Abstandsnachsicht führen hätten müssen, verneint. Die belangte Behörde vertrete im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen im Verfahren erster Instanz, wonach sie mit der Erteilung der Abstandsnachsicht einverstanden seien, wenn eine Projektsänderung erfolge, überdies die Auffassung, daß eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerinnen schon aufgrund der eingetretenen Präklusion gemäß § 42 AVG nicht gegeben sei. Das genannte Vorbringen sei nämlich nicht als Einwendung im Rechtssinne betreffend den Seitenabstand zu qualifizieren.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 19. März 1993, B 973/92-11 und B 1365/92-11, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführerinnen in dem ihnen nach § 6 iVm § 30 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Baugesetzes zustehenden Recht auf Einhaltung des erforderlichen Seitenabstandes bei der Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Gebäudes auf einer an ihr Grundstück angrenzenden Liegenschaft verletzt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. 119 a Abs. 5 B-VG kann gegen den Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Beschwerde erheben, wer "in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet". In Entsprechung dieser verfassungsrechtlichen Vorschrift sieht § 83 des Vorarlberger Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985, die Möglichkeit der Erhebung einer Vorstellung gegen letztinstanzliche Gemeindebescheide im eigenen Wirkungsbereich und die Prüfungskompetenz der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf die Verletzung subjektiver Rechte des Vorstellungswerbers vor (§ 83 Abs. 7 Vorarlberger Gemeindegesetz).

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Entscheidungskompetenz der Vorstellungsbehörde auf die Frage der Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerinnen eingeschränkt ist. Im Hinblick darauf trifft aber auch die Beurteilung der belangten Behörde zu, daß die Vorstellungsbehörde auch eine allenfalls gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion zu beachten hätte.

In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde auch nicht entgegenzutreten, wenn sie im angefochtenen Bescheid festhält, daß die Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 1991 keine Einwendungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Baugesetz erhoben haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1982, Zl. 82/06/0054, u.a.) ist dem Begriff der Einwendung die Behauptung einer Rechtsverletzung in Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent. Erklärungen, einem Vorhaben nicht zuzustimmen oder unter bestimmten Bedingungen keine Einwendungen zu erheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1985, Zl. 85/05/0044) wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als Einwendung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG qualifiziert. Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Entsprechend der Verhandlungsschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. August 1991, die auch vom Vertreter der Beschwerdeführerin unterfertigt ist, erhoben in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 1991 "die zur Verhandlung erschienenen Nachbarn bzw.

deren Vertreter ... gegen die Erteilung der beantragten

Bewilligung keinen Einwand". Im Anschluß an diese Feststellung in der Verhandlungsniederschrift ist die oben wiedergegebene Erklärung des Vertreters der Beschwerdeführerinnen wiedergegeben. Im Hinblick darauf, daß gemäß § 6 Abs. 8 Vorarlberger Baugesetz eine Zustimmung des Nachbarn zu den dort genannten Abständen von der Grundgrenze vorgesehen ist, ist aus der dargestellten Erklärung tatsächlich nicht erkennbar, daß es sich dabei um eine Einwendung mit Bezug auf § 6 Abs. 9 des Baugesetzes handelt (vgl. auch § 6 Abs. 8 des Baugesetzes).

Es trifft sohin die Annahme der belangten Behörde zu, daß von den Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz keine Einwendungen im Hinblick auf § 6 Abs. 9 (iVm § 30 Abs. 1 lit. b) des Baugesetzes erhoben wurden.

Damit kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die weiteren Überlegungen der belangten Behörde hinsichtlich der Rechtskraft der bestehenden Abstandsnachsicht zutreffen und ob bzw. inwieweit im Falle eines Umbaues (Neuerrichtung der der Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerinnen zugewendeten Mauer an der selben Stelle wie die bestehende Mauer) eine Prüfung unter sämtlichen Gesichtspunkten des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes zu erfolgen hat oder nur hinsichtlich der (ebenfalls beantragten) Verwendungsänderung.

Dadurch, daß die belangte Behörde auch auf diese Fragen eingegangen ist konnten die Beschwerdeführerinnen jedoch nicht in einem subjektiven Recht verletzt werden, da eine derartige Verletzung nur hinsichtlich rechtzeitig geltend gemachter Einwendungen, die im vorliegenden Fall wie oben dargestellt nicht erhoben wurden, möglich wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinRechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993060087.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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