TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/23 92/18/0277

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Veröffentlicht am 23.02.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs11;
AAV §46 Abs6;
BArbSchV §19 Abs4;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VStG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Ing. K in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Mai 1992, Zl. VII/2a-V-1548/0/0-92, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die erstinstanzliche Behörde erließ gegen den Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom 29. April 1991, in dem die als erwiesen angenommene Tat wie folgt umschrieben wurde:

"Der Beschuldigte Ing. K hat als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma K-Ges.m.b.H. mit dem Sitz in W, M-Gasse 23, zumindest bedingt vorsätzlich dem Verantwortlichen der Firma I & Co. KG. am 28. August 1990 auf der Baustelle in W, L-Straße 144 die Verletzung folgender Arbeitnehmerschutzvorschriften erleichtert:

1) Bei dem an den Gebäudelängs- und -querseiten in Verwendung stehenden Konsolleitergerüst fehlten in sämtlichen Gerüstfeldern die Mittelwehren.

Straßenseitig (L-Straße) war auf dem 5 Gerüstetagen hohen (Absturzmöglichkeit ca. 10 m) Konsolleitergerüst auf der 2. Gerüstetage ein Arbeitnehmer mit Malerarbeiten beschäftigt, wobei die Möglichkeit eines Absturzes von ca. 4 m bstand.

An der Gebäudelängsseite (Richtung J-Gasse) war im

1. Gerüstfeld (von der L-Straße aus gesehen) über dem angrenzenden Dach des Nachbarhauses ein Arbeitnehmer auf der

2. Gerüstetage mit Malerarbeiten beschäftigt, wobei die Möglichkeit eines Absturzes auf das angrenzende Dach von ca. 4 m bstand.

2) Für das gefahrlose Besteigen und Verlassen des Gerüstes sowie für die Verbindung zwischen den Geschoßen war keine geeignete Aufstiegsmöglichkeit (z.B. Leiterkorb) vorhanden. Die Arbeitnehmer waren daher gezwungen, an den Gerüstleitern bei einem Sprossenabstand von ca. 50 cm ohne Rückenschutz hinauf- und hinunterzuklettern."

Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes in Verbindung mit 1. § 46 Abs. 6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) in Verbindung mit § 19 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung und 2. § 46 Abs. 11 AAV jeweils in Verbindung mit § 7 VStG begangen. Wegen dieser Übertretungen wurden gegen den Beschwerdeführer Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2. Mit Bescheid vom 11. Mai 1992 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers lediglich insoweit Folge, als die verhängten Strafen herabgesetzt wurden.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der im Spruch des Straferkenntnisses der ersten Instanz angeführte Sachverhalt sei bei einer Überprüfung durch eine Organ des Arbeitsinspektorates festgestellt und vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Er sei daher als erwiesen anzunehmen.

Das strafbare Verhalten sei im Benützen eines nicht den Vorschriften entsprechenden Gerüstes gelegen. Dieser Tatvorwurf richte sich gegen den Verantwortlichen der Baufirma, die das Gerüst benützt habe. Dieser Verantwortliche sei somit als der unmittelbare Täter anzusehen. Die "Verleihfirma" habe das in Rede stehende, nicht den Vorschriften entsprechende Gerüst nicht nur zur Verleihung angeboten, sondern auch die Aufstellung besorgt und so die Voraussetzung geschaffen, daß das Bauunternehmen das nicht den Vorschriften entsprechende Gerüst benützen habe können. Die "Verleiherfirma" habe zwar nicht selbst die strafbare Handlung - die Benützung des vorschriftswidrigen Gerüstes - begangen, aber sie habe alle Voraussetzungen dafür geschaffen, daß das Bauunternehmen ein nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Gerüst habe benützen können. Der Verantwortliche dieser Firma habe somit vorsätzlich einem anderen, nämlich dem Bauunternehmer, die Begehung einer Verwaltungsübertretung überhaupt erst ermöglicht bzw. erleichtert, wie dies der § 7 VStG 1950 im Zusammenhang mit der Beihilfe normiere.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

II.

1. Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt gemäß § 7 VStG 1950 der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

2. Wird jemand der Beihilfe zu einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt, so ist im Spruch auch konkret - unter Angabe von Zeit, Ort und Inhalt der Beihilfehandlung - das als Beihilfe gewertete Verhalten zu umschreiben (vgl. zum gleichgelagerten Fall der Anstiftung die Ausführungen bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Anm. 6 zu § 7 VStG und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides, der mit Ausnahme des Strafausspruches durch den angefochtenen Bescheid bestätigt und damit von diesem übernommen worden ist, umschreibt zwar die vom unmittelbaren Täter begangenen Übertretungen, beschränkt sich jedoch - wie bereits der als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 in Betracht kommende Ladungsbescheid vom 10. Dezember 1990 - in Ansehung der Beihilfe im wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes. Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe die Begehung näher umschriebener Verwaltungsübertretungen erleichtert, reicht nach dem Gesagten für die Umschreibung der als erwiesen angenommen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 nicht aus.

3. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen im einzelnen eingegangen zu werden brauchte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mängel im Spruch Verantwortlichkeit (VStG §9) Beteiligungsformen (VStG §7)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992180277.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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