TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/23 95/18/0153

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Veröffentlicht am 23.02.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §142;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in Graz, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. Dezember 1994, Zl. Fr 2470/1994, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 10. Dezember 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen somalischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 und den §§ 19, 20, 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben am 30. Oktober 1990 aus Syrien kommend illegal über den Flughafen Wien eingereist. Er habe mehrere Tage im Sondertransitraum des Flughafens verbracht und am 4. November 1990 einen Asylantrag gestellt. Die Einreise über die Grenzkontrollstelle am Flughafen Wien sei schließlich am 12. November 1990 erfolgt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Mai 1992 sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 128/68 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 30. Juli 1991 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen bedingt verurteilt worden. In der Folge sei er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 25. August 1993 rechtskräftig wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Mit diesem Urteil sei auch die vom Bezirksgericht für Strafsachen Graz bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe widerrufen worden. Der Verurteilung wegen des Verbrechens des versuchten Raubes sei zugrundegelegen, daß der Beschwerdeführer und ein weiterer Mittäter in Graz einen Passanten durch Faustschläge mißhandelt und versucht haben, ihm die Geldbörse aus der Jackentasche zu rauben. Als sich zwei Tatzeugen den Tatort genähert haben, seien der Beschwerdeführer und sein Mittäter geflüchtet. Kurze Zeit später seien sie gestellt und festgenommen worden.

Die rechtskräftige Verurteilung wegen des Verbrechens des versuchten Raubes erfülle die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG; die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.

Aufgrund dieser rechtskräftigen Verurteilung sei vom Bundesasylamt, Außenstelle Graz, ein Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers eingeleitet und mit Bescheid vom 15. Juli 1994 festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer das in Österreich gewährte Asyl verliere. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. September 1994 rechtskräftig abgewiesen worden. Seit Erlassung dieses Berufungsbescheides mit 14. September 1994 habe der Beschwerdeführer den besonderen Schutz eines Konventionsflüchtlings und damit die Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verloren. Er sei seither den Bestimmungen des Fremdengesetzes unterworfen. Da er seit diesem Datum weder im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes noch einer Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes sei, halte er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes stelle somit für ihn keinen "Entzug der Aufenthaltsberechtigung" im Sinne des § 19 FrG dar. Durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes komme es unbestritten zu einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Dieser Eingriff sei zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Menschenrechtskonvention dringend geboten.

Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer seien weitaus höher zu bewerten als seine dagegenstehenden Privatinteressen. Bei der Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei davon auszugehen, daß er sich seit 30. März 1993 in Haft befinde. Zum Zeitpunkt der Festnahme sei der Beschwerdeführer beschäftigungslos gewesen. Vorher habe er eine Tätigkeit als Hilfskraft ausgeübt. Bei dieser Tätigkeit handle es sich um keine besonders qualifizierte, sodaß der Beschwerdeführer diese durchaus auch in einem anderen Land ausüben könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer läßt die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, es sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbestritten.

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine Prüfung nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG vorzunehmen. Nach § 20 Abs. 1 wären die nachteiligen Folgen eines Aufenthaltsverbotes gesondert zu untersuchen. Eine solche Untersuchung über die tatsächlichen Zustände im Heimatland des Beschwerdeführers hätte ergeben, daß die Interessenabwägung zugunsten eines Verbleibes des Beschwerdeführers in Österreich auszufallen habe. Bei der Interessenabwägung nach den §§ 19 und 20 FrG sei auch das Berufsleben des Beschwerdeführers heranzuziehen.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist die Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG nicht davon abhängig, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes der Fremde aufenthaltsberechtigt ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0241). Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1991 finden die von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen des Fremdengesetzes auf Flüchtlinge, die Asyl haben, sowie auf Asylwerber, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung und auf Fremde mit befristeter Aufenthaltsberechtigung Anwendung. Nach dieser Bestimmung wird ein Aufenthaltsverbot, das gegen solche Fremde erlassen worden ist, ungeachtet der in § 22 FrG genannten Voraussetzungen erst durchsetzbar, wenn der Fremde seine Aufenthaltsberechtigung verloren hat.

§ 19 FrG stellt auf den Schutz des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden ab. Bei Vorliegen eines im Sinne dieser Bestimmung relevanten Eingriffes in das Privat- und/oder Familienleben ist weiters zu prüfen, ob die Erlassung (unter anderem) eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist. Ein solcher Eingriff in das Privatleben ist im Fall des Beschwerdeführers im Hinblick auf seinen mehrjährigen erlaubten Aufenthalt gegeben. Der belangten Behörde ist aber zuzustimmen, daß mit Rücksicht auf die Schwere der Straftat nach den §§ 15, 142 StGB die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter, im Sinne des § 19 FrG dringend geboten ist. Das vom Beschwerdeführer dagegen ins Treffen geführte "Berufsleben" führt zu keiner anderen Beurteilung.

Bei der gemäß § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und die daraus entstandenen Bindungen. Wenn die belangte Behörde wegen der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlung das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als unverhältnismäßig schwerer wiegend ansah als das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wird doch durch solche Straftaten die öffentliche Sicherheit in hohem Maße gefährdet.

Schließlich ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht auch eine Abschiebung des Fremden angeordnet, sondern nur das Verbot, sich weiter in Österreich aufzuhalten, ausgesprochen wird. In einem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auf § 37 Abs. 1 und 2 FrG nicht Bedacht zu nehmen. Dem Beschwerdeführer stand zur Geltendmachung einer Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG während des Aufenthaltsverbotsverfahrens eine Antragstellung nach § 54 leg. cit. offen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180153.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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