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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des C in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 6. Oktober 1994, Zl. I-5/3/Blu/94, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Stadt Bludenz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der am 27. September 1993 beim Amt der Stadt Bludenz eingelangten Eingabe, die als Bauanzeige bezeichnet war, setzte der Beschwerdeführer die Baubehörde davon in Kenntnis, daß er auf seiner Terrasse entlang seiner Grundgrenze einen Holzzaun errichten werde. Mit Schreiben des Bauamtes vom 29. September 1993 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, genauere Angaben über die Höhe des Zaunes anzugeben und einen Lageplan zu senden, da gemäß § 9 Abs. 1 des Baugesetzes Einfriedungen an der Grenze des Nachbargrundstückes ohne Zustimmung des Nachbarn nicht höher als 1,80 m sein dürften. Am 5. Oktober 1993 langte im Bauamt ein Schreiben und ein Lageplan sowie die Kopie eines Lieferscheines der Firma R. ein, woraus hervorging, daß der Beschwerdeführer die Errichtung einer Sichtblende entlang seiner Terrasse mit einer Länge von ca. 10,9 m und einer Höhe von 178 cm anzubringen gedachte, wobei die einzelnen (weißen) Lamellen durch wenige Millimeter breite Fugen voneinander getrennt sein sollten. Mit Schreiben vom 12. Jänner 1994 wurde der Beschwerdeführer davon verständigt, daß die Baubehörde nach genauer Prüfung der Unterlagen zur Auffassung gelangt sei, daß es sich bei der Anlage nicht um eine Einfriedung im Sinne des § 9 des Baugesetzes handle, die angebrachten Sichtblenden vielmehr als Maßnahmen zu beurteilen seien, durch welche das Aussehen des Gebäudes geändert werde und die deshalb als wesentliche Änderungen im Sinne des § 23 Abs. 1 lit. b des Baugesetzes (BauG) bewilligungspflichtig seien. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, innerhalb eines Monates einen Bauantrag gemäß § 25 des BauG einzubringen. Da es sich beim Haus H 13 um eine Wohnanlage im Miteigentum mehrerer Personen handle, sei die Zustimmung aller Miteigentümer nachzuweisen. Für den Fall, daß von der Möglichkeit der Einbringung eines Bauantrages kein Gebrauch gemacht werden sollte, wurde gemäß § 41 Abs. 1 des BauG die Verfügung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes (Entfernung der Sichtblenden) angedroht.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadt Bludenz vom 6. April 1994 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 3 des BauG die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes (Entfernung der ohne Baubewilligung angebrachten Sichtblenden) binnen eines Monates aufgetragen.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die Baubehörde habe dann, wenn sie das Bauvorhaben gemäß § 23 des BauG als bewilligungspflichtig ansehe, innerhalb eines Monats nach Einlangen der Anzeige durch Bescheid dies festzustellen. Wenn dem Bauvorhaben sonst Bestimmungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassene Verordnungen entgegenstünden, habe die Behörde das Bauvorhaben innerhalb der vorgenannten Frist zu untersagen. Wenn das Bauvorhaben innerhalb dieser Frist nicht als bewilligungspflichtig festgestellt oder nicht untersagt werde, dürfe es durchgeführt werden. Der Beschwerdeführer habe seine Bauanzeige spätestens am 5. Oktober 1993 ordnungsgemäß für einen Holzzaun eingebracht und erst 3 Monate später die Aufforderung erhalten, um die Baubewilligung für eine Sichtblende anzusuchen und es sei ihm innerhalb der Frist von einem Monat auch kein Bescheid zugestellt worden, aus dem hervorgehe, daß es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handle. Eine Fristversäumnis des Beschwerdeführers liege nicht vor, er habe den Holzzaun im Vertrauen auf die Rechtslage errichtet.
Mit Bescheid der Stadtvertretung der Stadt Bludenz vom 8. August 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen, der dagegen erhobenen Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 6. Oktober 1994 keine Folge gegeben. Zusammengefaßt teilte die belangte Behörde die Ansicht der Baubehörden, wonach es sich bei den angebrachten "Sichtblenden" um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 23 Abs. 1 lit. b des BauG handle, weil die Sichtblenden am Gebäude angebracht seien, sodaß es sich dabei um Bestandteile des Gebäudes handle und durch die Anbringung dieser Sichtblenden das Aussehen des Gebäudes geändert werde. Überdies seien diese Sichtblenden - insbesondere bei nicht fachgerechter Montage - geeignet, Interessen der Sicherheit zu beeinträchtigen. Für die Annahme, daß eine "Einfriedung" vorliege, fehle jede Grundlage, da es bereits am Vorliegen eines dem Beschwerdeführer zuzuordnenden, eindeutig begrenzten Grundstückes fehle, da die Sichtblenden auf einem Grundstück errichtet würden, das im Miteigentum mehrerer stehe. Wegen der Säumnis der Baubehörde, die nicht innerhalb eines Monats nach Einlangen der Anzeige bescheidmäßig festgestellt habe, daß sie das Bauvorhaben als bewilligungspflichtig ansehe, könne lediglich eine Bestrafung des Beschwerdeführers nicht erfolgen. Das ungenützte Verstreichenlassen der Frist bedeute aber nicht, daß dadurch ein bewilligungspflichtiges Vorhaben als genehmigt anzusehen sei. Da der Beschwerdeführer einen Bauantrag gemäß § 25 Abs. 1 des BauG bei der Behörde nicht eingebracht habe, sei gemäß § 41 des BauG die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die für den Beschwerdefall entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 34/1994, haben folgenden Wortlaut:
"§ 23
Bewilligungspflichtige Vorhaben
(1) Einer Baubewilligung bedürfen
a)
die Errichtung von Gebäuden oder Gebäudeteilen;
b)
die Änderung von Gebäuden, sofern es sich um Zu- oder Umbauten oder sonstige wesentliche Änderungen handelt;
...
(4) Als wesentliche Änderungen gelten - abgesehen von Zu- oder Umbauten - Änderungen,
a)
die am ganzen Bauwerk oder an seinen Hauptbestandteilen vorgenommen werden oder wodurch das Aussehen eines Gebäudes geändert wird;
b)
durch die Interessen der Sicherheit oder der Gesundheit oder die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden können.
§ 24
Anzeigepflichtige Vorhaben
(1) Bauvorhaben, auf welche die im § 23 angeführten Voraussetzungen nicht zutreffen, bedürfen einer schriftlichen Anzeige an die Behörde. Der Anzeige ist eine planliche Darstellung der Bauführung in zweifacher Ausfertigung anzuschließen.
(2) Sieht die Behörde das Bauvorhaben gemäß § 23 als bewilligungspflichtig an, so hat sie dies innerhalb eines Monats nach Einlangen der Anzeige durch Bescheid festzustellen. Wenn dem Bauvorhaben sonst Bestimmungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassene Verordnungen entgegenstehen, hat die Behörde das Bauvorhaben innerhalb der vorgenannten Frist zu untersagen. Wenn das Bauvorhaben innerhalb dieser Frist nicht als bewilligungspflichtig festgestellt oder nicht untersagt wird, darf es durchgeführt werden. In diesem Falle ist der Partei eine Ausfertigung der planlichen Darstellung mit einem entsprechenden Vermerk zurückzugeben."
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der Baubehörden und der belangten Behörde, wonach die ca. 1,78 m hohe und insgesamt über 10 m lange Lamellenwand, die die gesamte Terrasse des Beschwerdeführers umschließt und am Gebäude befestigt ist, der Bewilligungspflicht gemäß § 23 Abs. 1 lit. b BO unterliegt, weil einerseits durch die mit dem Gebäude verbundenen 1,78 m hohen Lamellen das Aussehen des Gebäudes geändert wird und im Fall unsachgemäßer Befestigung auch Interessen der Sicherheit beeinträchtigt werden könnten.
Verfehlt ist auch die Ansicht des Beschwerdeführers, aus § 24 Abs. 2 des Baugesetzes ergebe sich, daß im Falle der Unterlassung der Untersagung des Bauvorhabens innerhalb der in § 24 Abs. 2 genannten Frist die Erlassung eines Beseitigungsauftrages verwirkt sei und das Bauvorhaben als bewilligt gilt. Diese Regelung setzt nämlich voraus, daß es sich lediglich um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben handelt, was bereits aus § 24 Abs. 1 des Baugesetzes hervorgeht; sagt diese Bestimmung doch ausdrücklich, daß nur Bauvorhaben, auf welche die im § 23 angeführten Voraussetzungen NICHT zutreffen, einer schriftlichen Anzeige an die Behörde bedürfen. Die Regelung normiert lediglich, daß mit dem Baubeginn nicht länger als einen Monat nach Einlangen der Anzeige gewartet werden muß. Keinesfalls kann daraus geschlossen werden, daß durch den Ablauf dieser Frist ein genehmigungspflichtiges zu einem anzeigepflichtigen Bauvorhaben würde und damit keiner Baubewilligung mehr bedürfte (vgl. das bereits von der belangten Behörde herangezogene hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1990, Zl. 89/06/0065, sowie auch das zu § 94 der BauO für Niederösterreich ergangene hg. Erkenntnis vom 10. März 1981, Zlen. 81/05/0028, 0029, wobei nach dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung auch dort die Untersagung befristet ist). Da die Baubehörden, die das angezeigte Bauvorhaben zu Recht als bewilligungspflichtig beurteilt haben, aber nicht berechtigt waren, die Bauanzeige als Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung zu behandeln, haben sie im Ergebnis zu Recht gemäß § 41 Abs. 3 des BauG die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Entfernung der Sichtblenden verfügt. Die Sichtblenden wurden auch nicht entlang der Grundgrenze sondern am Rande der Terrasse des Beschwerdeführers errichtet und sind daher schon deshalb nicht als "Einfriedung" zu beurteilen, weil unter einer Einfriedung eine Einrichtung zu verstehen ist, die ein Grundstück einfrieden, d.h. schützend umgeben soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1988, Zl. 85/06/0106).
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Mit der Erledigung der Beschwerde war der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, im Rahmen des Kostenbegehrens der belangten Behörde.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994060246.X00Im RIS seit
11.07.2001