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L37155 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der A in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom 21. November 1994, Zl. MD/00/62773/94/10 (BBK/56/94), betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: F und S W in Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Beschwerdevorbringens und des vorgelegten angefochtenen Bescheides ergibt sich:
Die mitbeteiligten Parteien (in der Folge kurz: Bauwerber) sind Eigentümer einer Liegenschaft in Salzburg im näheren Bereich der Festung Hohensalzburg, auf der ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet ist. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines angrenzenden Grundstückes, auf dem sich ebenfalls ein Haus befindet. Die Bauwerber haben die baubehördliche Bewilligung verschiedener Umbauarbeiten, darunter eines Lifteinbaues samt den damit verbundenen Felsabbrucharbeiten, beantragt. In der hierüber am 22. Juli 1994 durchgeführten mündlichen Bauverhandlung wendete die Beschwerdeführerin ein, der Einbau des Liftes würde ihr Haus derart erschüttern, daß Einsturzgefahr bestünde. Ihr Haus stehe "zu einem Drittel auf dem Fels", der entfernt werden solle. Sie ersuche um Beweissicherung durch einen beeideten Zivilingenieur, ebenfalls um die Einholung eines felsgeologischen Gutachtens. Die Entlüftung ihres Hauses müsse bestehen bleiben. Sollte der Bau dennoch durchgeführt werden, müßte sie ersuchen, für sämtliche Schäden aufzukommen.
Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg vom 24. August 1994 wurde die angestrebte Baubewilligung erteilt; die Einwendungen der Beschwerdeführerin "betreffend der Fragen der Statik wegen der Felsausbrucharbeiten für den Einbau eines Liftes" wurden als unzulässig zurückgewiesen, ihr Begehren auf Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens zur Klärung allfälliger Schadenersatzfragen hingegen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammenfassend kam die belangte Behörde zur Beurteilung, daß die Bestimmungen der §§ 1, 4 und 37 des Salzburger Bautechnikgesetzes (BauTG) im Hinblick auf die taxative Aufzählung der Nachbarrechte in § 62 BauTG der Beschwerdeführerin kein Mitspracherecht einräume. Hinsichtlich der Felsabbrucharbeiten könne ein solches auch nicht aus § 39 Abs. 2 in Verbindung mit § 62 Z. 7 BauTG abgeleitet werden; soweit die Beschwerdeführerin hingegen im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen Immissionen aus dem Betrieb des Liftes befürchte, wäre dieses Vorbringen präkludiert.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten insoweit verletzt, als die belangte Behörde "entgegen der Bestimmungen der Salzburger Bautechnikgesetzes (§§ 5, 37, 39 und 62 BauTG) Umbauarbeiten eines Nachbars zuläßt, obwohl dieser auf die gemeinsame Fundierung einwirkt, wodurch die Standsicherheit meines Gebäudes beeinträchtigt ist und Lärm und Erschütterungen zu befürchten sind". Beim vorliegenden Bauverfahren sei ein Eingriff in ihre Rechtssphäre durch den Abbruch des Felsens, an den sowohl das Haus der Bauwerber als auch ihres angebaut seien, vorhersehbar, welcher Eingriff auch nicht ausgeschlossen werden könne. Nach § 5 BauTG dürfe die Standsicherheit eines anderen Baues weder gefährdet noch nachteilig beeinflußt werden, § 1 leg. cit. verweise darauf, daß alle Bauten hinsichtlich der Festigkeit, der Sicherheit sowie des Schall- und Erschütterungsschutzes (zu ergänzen: den Erkenntnissen und Erfahrungen der technischen Wissenschaften) zu entsprechen hätten. Durch die "Abbruchmaßnahmen an der - bildlich gesprochen - "gemeinsamen Grundfeste" und den nachfolgenden Einbau eines Liftes wurden keine Vorkehrungen für die Sicherheit der Standfestigkeit, sowie der Schall- und Erschüttungsfreiheit getroffen". Durch den Felsabbruch sei daher geradezu wahrscheinlich, daß eine Veränderung des Berges und damit verbunden eine Bewegung der Grundfeste ihres Hauses eintrete, wodurch Schäden zu erwarten seien. § 62 BauTG enthalte keine taxative Aufzählung aller einem Nachbarn zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechte (verwiesen wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1982, Slg. NF 10930/A).
Dem ist folgendes zu entgegnen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen geltend gemacht hat (vgl. unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A uva.).
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. g des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 100/1992, ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch baulichen Maßnahmen ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird. Solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des Bautechnikgesetzes in Betracht kommen, ist - und das ist im Beschwerdefall entscheidend - das Mitspracherecht der Nachbarn auf die im § 62 TAXATIV aufgezählten subjektiv-öffentliche Rechte beschränkt, wie die belangte Behörde unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend hervorgehoben hat (siehe etwa die Erkenntnisse vom 17. Februar 1994, Zl. 93/06/0164, vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0212, ua.). Die Beschwerdeausführungen, insbesondere auch der Hinweis auf das Erkenntnis Slg. Nr. 10930/A, geben keinen Anlaß, von dieser Beurteilung abzugehen: In diesem Erkenntnis wurde nämlich ausgesprochen, daß § 62 BauTG keine erschöpfende Aufzählung aller einem Nachbarn etwa zukommenden subjektiv-öffentliche Rechte enthalte, weil sich solche "auch aus anderen Vorschriften", im bezogenen Fall insbesondere aus den Bestimmungen des Bebauungsgrundlagengesetzes, ergeben könnten. Daraus läßt sich aber entgegen der Beurteilung der Beschwerdeführerin nicht die Aussage ableiten, daß - SOWEIT BESTIMMUNGEN DES BAUTECHNIKGESETZES IN BETRACHT KOMMEN - die in § 62 leg. cit enthaltene Aufzählung nicht taxativ wäre.
§ 62 BauTG, LGBl. Nr. 75/1976, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 26/1994, lautet:
"Folgende Bestimmungen dieses Gesetzes stellen in Bauverfahren für Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte dar:
1.
§ 8 Abs. 1 hinsichtlich des Vortretens von Bauteilen in den Mindestabstand von Grenzen des Bauplatzes;
2.
§ 8 Abs. 3 hinsichtlich des Vorliegens der Zustimmung der Straßenverwaltung bzw. der Gemeinde;
3.
§ 11 Abs. 2 hinsichtlich des Vorliegens der Zustimmung des Grundeigentümers;
4.
§ 15 Abs. 1 hinsichtlich der Einhaltung der Mindestentfernung von 1 m;
5.
§ 25 Abs. 5 hinsichtlich der Einhaltung der erforderlichen Mindestabstände von der Bauplatzgrenze sowie hinsichtlich einer allfälligen Unterschreitung derselben;
6.
§ 34 Abs. 4 sowie § 53 Abs. 1 hinsichtlich der Einhaltung des Mindestabstandes von 2 m sowie hinsichtlich einer allfälligen Unterschreitung desselben;
7.
§ 39 Abs. 2 hinsichtlich der das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen der Nachbarn;
8.
§ 51 hinsichtlich einer Unterschreitung des Abstandes von 8 m;
9.
§ 52 Abs. 7 hinsichtlich einer Unterschreitung des Abstandes von 3 m;
10.
§ 56 Abs. 1 und 3, ausgenommen hinsichtlich der Interessen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes;
11.
§ 57 hinsichtlich der erheblich nachteiligen Wirkungen für benachbarte Grundstücke;
12.
§ 59 soweit in den in Betracht kommenden Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte verankert sind;
13.
§ 60, ausgenommen hinsichtlich der Interessen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes;
14.
§ 61 soweit es sich um Ausnahmen von Vorschriften handelt, die subjektiv-öffentliche Rechte berühren."
§ 39 Abs. 2 BauTG lautet:
(2) Für Bauten und sonstige bauliche Anlagen oder Teile von solchen, die nach Größe, Lage oder Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Hygiene entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, können zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen weitergehende Auflagen erteilt werden; diese können sich insbesondere auf besondere Konstruktionen der Wände und Decken und die Errichtung von Brandwänden sowie auf die Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausgänge, Türen und Fenster, die Beschaffenheit von Fußboden- und Stufenblägen und die Art und Anzahl von Brandschutzeinrichtungen beziehen."
Daraus ergibt sich, daß die Bestimmungen der §§ 1, 5 und 37 BauTG, auf die sich die Beschwerdeführerin stützt, ihr kein Mitspracherecht einräumen, die Bestimmung des § 39 Abs. 2 leg. cit. hingegen gemäß § 62 Z. 7 nur "hinsichtlich der das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen der Nachbarn". Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, daß die (im Berufungsbescheid wörtlich wiedergegebenen) Einwendungen der Beschwerdeführerin nur dahin verstanden werden können, daß sie sich aus Besorgnis hinsichtlich der Standfestigkeit ihres Hauses gegen den beabsichtigten Felsabbruch, nicht aber gegen den Betrieb des (nach Abbruch des Felsens neu zu errichtenden) Liftes wende und daß DIESBEZÜGLICH ein Mitspracherecht des Nachbarn aus § 39 Abs. 2 in Verbindung mit § 62 Z. 7 BauTG nicht ableitbar ist.
Da somit schon die Beschwerdeausführungen erkennen lassen, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995060005.X00Im RIS seit
28.09.2001