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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung einer Regelung über Zahnersatz in der Krankenordnung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern mangels gesetzlicher Deckung; Zurückweisung der Anträge des OGH auf Aufhebung von Bestimmungen der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern und des BSVG betreffend Kostenzuschüsse für Zahnersatz mangels PräjudizialitätSpruch
1. beschlossen:
Die Anträge,
§95 Abs3 des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1978, BGBl. Nr. 559/1978, über die Sozialversicherung der in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Bauern-Sozialversicherungsgesetz - BSVG) nach Art140 Abs1 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben sowie
§25 Abs3 litc der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, beschlossen von der Hauptversammlung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern am 15. März 1974, genehmigt mit Erlaß des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 9. Mai 1974, Z 26.569/1-10/74, verlautbart in SoSi 1974 (Amtliche Verlautbarungen Nr. 94), idF des Beschlusses der Hauptversammlung vom 16. Februar 1977, genehmigt mit Erlaß vom 19. April 1977, Z 26.569/1-3/77, verlautbart in SoSi 1977 (Amtliche Verlautbarungen Nr. 46) nach Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufzuheben,
werden zurückgewiesen,
und
2. gemäß Art139 B-VG zu Recht erkannt:
§12 Abs3 Satz 1 der Krankenordnung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, beschlossen vom Vorstand am 28. November 1975, genehmigt mit Erlaß des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 20. Jänner 1976, Z 26.624/2-3/1975, kundgemacht in SoSi 1976 (Amtliche Verlautbarungen Nr. 52), wird gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Aus Anlaß einer Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. April 1991, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Dezember 1990 keine Folge gegeben wurde, stellt der Oberste Gerichtshof die Anträge, der Verfassungsgerichtshof wolle
a) §95 Abs3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) gemäß Art140 Abs1 B-VG als verfassungswidrig (hg. protokolliert zu G322/91) sowie
b) §25 Abs3 litc der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 15. März 1974 (im folgenden: Satzung) gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig (hg. protokolliert zu V301/91) und
c) §12 Abs3 Satz 1 der Krankenordnung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. November 1975 (im folgenden: Krankenordnung) ebenfalls gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig (hg. protokolliert zu V302/91)
aufheben.
1.2. Die vom Obersten Gerichtshof angefochtenen (und im folgenden hervorgehobenen) Bestimmungen haben in ihrem Kontext folgenden Wortlaut:
1.2.1. Der unter der Überschrift "Zahnbehandlung und Zahnersatz" stehende §95 BSVG lautet:
"§95.(1) Als Leistungen der Zahnbehandlung sind chirurgische Zahnbehandlung, konservierende Zahnbehandlung und Kieferregulierungen zu gewähren.
(2) Chirurgische und konservierende Zahnbehandlung wird durch Vertragsärzte, nach den Bestimmungen des Dentistengesetzes, BGBl. Nr. 90/1949, auch durch Vertragsdentisten, in eigenen hiefür ausgestatteten Einrichtungen der Bauernkrankenversicherung oder in Vertragseinrichtungen gemäß den Bestimmungen des §80 gewährt. Die Satzung kann unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten für alle oder bestimmte Gruppen von Versicherten an Stelle der Sachleistungen eine Kostenerstattung vorsehen. Zu Kieferregulierungen werden Kostenzuschüsse gewährt, deren Höhe die Satzung festsetzt. §85 Abs2 gilt entsprechend.
(3) Zu den Kosten eines unentbehrlichen Zahnersatzes und seiner Instandsetzung sind nach Maßgabe der Satzung Zuschüsse zu gewähren.
(4) Die Kostenerstattung und die Kostenzuschüsse müssen für die entsprechenden Leistungen in den eigenen Einrichtungen, den Vertragseinrichtungen und bei den Vertragsärzten und Vertragsdentisten gleich hoch sein. In der Satzung und im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden; in den Zahnambulatorien dürfen aber jedenfalls jene Leistungen erbracht werden, die auf Grund der Bestimmungen des §153 Abs3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in den Zahnambulatorien der nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz eingerichteten Krankenversicherungsträger erbracht werden.
(5) Bei der Inanspruchnahme eines Vertragszahnarztes, Vertragsdentisten, einer eigenen Einrichtung oder Vertragseinrichtung ist ein Zahnbehandlungsschein vorzulegen.
(6) Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner, die eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen der Bauernkrankenversicherung zur Erbringung der Leistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes in Anspruch, gilt §88 Abs1 bis 3 entsprechend.
(7) Für die Übernahme von Reise(Fahrt)- bzw. Transportkosten gilt §85 Abs4 und 5 entsprechend."
1.2.2. §23 der Satzung, zuletzt geändert mit Beschluß vom 16. März 1983, und §25 der Satzung, zuletzt geändert mit Beschluß vom 19. März 1985, lauten:
"Kostenzuschüsse bei der Inanspruchnahme von
Nichtvertragspartnern.
§23
Nimmt der Versicherte (Angehörige) nicht die Vertragspartner bzw. Vertragseinrichtungen der Anstalt für Leistungen im Sinne des §74 Abs1 BSVG in Anspruch, so gebührt ihm - ausgenommen bei Gesundenuntersuchungen - ein Kostenzuschuß in der Höhe des Betrages, den die Anstalt bei Inanspruchnahme der in Betracht kommenden Vertragspartner bzw. Vertragseinrichtungen unter Bedachtnahme auf §80 BSVG hätte aufwenden müssen."
"Kieferregulierungen und Zahnersatz
§25
(1) Beim Fehlen vertraglicher Regelungen mit Zahnärzten oder Dentisten betragen die Kostenzuschüsse für:
1.
Kieferregulierungen (kieferorthopädische Behandlungen) 80 v. H. des Rechnungsbetrages, höchstens pro Behandlungsjahr ........... S 3.767,-;
2.
Reparaturkosten an abnehmbaren kieferorthopädischen Apparaturen:
a) Bruch oder Sprung am Kunststoffkörper,
Ersatz eines einfachen Drahtelementes S 247,-;
b) Unterfütterung oder Erweiterung eines
therapeutisch ausgeschöpften Apparates S 301,-;
c) Reparatur eines Labialbogens, Ersatz
einer Dehnschraube S 375,-.
(2) Zu den Kosten eines unentbehrlichen Zahnersatzes und seiner Instandsetzung werden beim Fehlen vertraglicher Regelungen mit Zahnärzten oder Dentisten folgende Kostenzuschüsse gewährt:
a) Prothesen-Neuherstellungen:
1. Platte (jede Größe) .................. S 1.500,-,
2. Zahn, pro Einheit .................... S 83,-,
3. Klammer (eine mehrarmige Klammer,
jedoch nur in einfacher Ausführung) .. S 83,-,
4. Sauger ............................... S 83,-;
b) Reparatur von Zahnersatzstücken:
1. Reparatur gesprungener oder
gebrochener Platten, Wiederbefestigung
je Zahn oder Klammer ................. S 274,-,
2. Ersatz eines Zahnes oder einer
Klammer, Erweiterung um einen Zahn,
Anbringung eines Saugers, künstliches
Zahnfleisch ergänzen
(Teilunterfütterung) ................. S 315,-,
3. Leistungen gemäß 1. und 2. gemeinsam
bzw. zwei Leistungen gemäß 1. oder 2. S 383,-,
4. mehr als zwei Leistungen (Einheiten)
wie vorstehend, totale Unterfütterung
eines partiellen Zahnersatzstückes,
Obturator ............................ S 457,-,
5. totale Unterfütterung totaler
Zahnersatzstücke ..................... S 492,-;
c) metallprothetische Zahnbehandlung:
1. Metallgerüstprothese einschließlich
fortgesetzter Klammer, Aufruhen und
Zahnklammern (Die Zähne werden
zusätzlich abgegolten) ............... S 3.634,-,
2. Zahn pro Einheit ..................... S 83,-,
3. Voll-Metallkronen an Klammerzähnen bei
Teilprothesen (darunter sind
Vollgußkronen und Bandkronen mit
gegossener Kaufläche zu verstehen) ... S 1.240,-;
d) Reparatur an Metallgerüstprothesen:
1. Anlöten einer Retention, Klammer
oder Aufruhe ......................... S 311,-,
2. zwei Leistungen gemäß 1., Reparatur
eines Metallbügels oder einer
fortgesetzten Klammer ................ S 438,-,
3. mehr als zwei Leistungen gemäß 1. oder
2., Erweiterung der Metallbasis ...... S 510,-;
e) Zahnbrücken, Einzelkronen und Stiftzähne:
Anfertigung von Zahnbrücken, Einzelkronen
(mit Ausnahme der Voll-Metallkronen nach
litc) und Stiftzähnen pro Brückenglied,
Krone oder Stiftzahn .................... S 500,-.
Die Kostenzuschüsse dürfen 80 v. H. der tatsächlich erwachsenen
Kosten nicht übersteigen.
(3) Werden Zahnersatz bzw. Kieferregulierungen durch
Vertragszahnärzte, Vertragsdentisten oder in Vertragseinrichtungen
gewährt, hat der Versicherte zu den tariflichen Kosten bei
a) kieferorthopädischen Behandlungen ............. 50 %,
b) abnehmbarem Zahnersatz
1. für Kunststoffprothesen .................... 25 %,
2. für Metallgerüstprothesen einschließlich
fortgesetzter Klammer, Aufruhen und
Zahnklammern ............................... 50 %,
3. für Reparaturen an Kunststoff-,
Metallgerüstprothesen und an abnehmbaren
kieferorthopädischen Apparaturen ........... 25 %,
c) Voll-Metallkronen an Klammerzähnen, bei
Teilprothesen (darunter sind Vollgußkronen und
Bandkronen mit gegossener Kaufläche zu
verstehen) .................................... 50 %
der vertraglich festgelegten Tarife als Zuzahlungen zu leisten. Die Zuzahlungen sind auf volle Schilling in der Weise zu runden, daß Beträge unter 50 Groschen unberücksichtigt bleiben und solche von 50 oder mehr Groschen als ein voller Schilling gerechnet werden.
(4) Die im Abs1 und 2 lita bis d genannten Beträge ändern sich gleichzeitig im selben Ausmaß (gewogener Durchschnitt), wie sich dieses aus der Änderung der Positionen in der für die Anstalt vereinbarten Honorarordnung für Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ergibt. Die aufgrund des Änderungsfaktors festzustellenden Beträge sind in der Weise zu runden, daß Beträge unter 50 Groschen unberücksichtigt bleiben und solche von 50 oder mehr Groschen als voller Schilling gerechnet werden."
Die im Abs1 und 2 lita bis d genannten Beträge wurden seit 1985 gemäß §25 Abs4 der Satzung mehrfach geändert.
1.2.3. Die Krankenordnung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. November 1975 wurde mit Beschlüssen des Vorstandes vom 15. Juli 1981, 2. März 1982, 9. Juni 1982, 13. November 1985, 15. Juli 1987 und 17. Februar 1988 - jeweils vom Bundesminister für Arbeit und Soziales genehmigt und in den Amtlichen Verlautbarungen der Zeitschrift "Soziale Sicherheit" kundgemacht - geändert. Durch diese Änderungen wurde der §12 der Krankenordnung nicht betroffen; die Bestimmung gilt daher nach wie vor in der Stammfassung der Krankenordnung vom 28. November 1975. Der unter der Überschrift "Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferregulierung" stehende §12 der Krankenordnung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. November 1975 lautet:
"(1) Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferregulierung wird durch Vertragsärzte, Vertragsdentisten, durch eigene Einrichtungen, durch Vertragseinrichtungen der Anstalt, sowie durch Wahlzahnärzte und Wahldentisten erbracht.
(2) Für die Inanspruchnahme der Geldleistungen (Kostenerstattung, Kostenzuschuß) gilt §9 entsprechend.
(3) Der Zahnersatz hat die medizinisch-funktionelle Wiederherstellung der Kaufähigkeit soweit als möglich zu gewährleisten; er ist jedoch in wirtschaftlichem und zweckmäßigem Umfang anzufertigen. Für Sonderausführungen, die über diesen Umfang hinausgehen, ist keine zusätzliche Leistungserbringung möglich. Aus kosmetischen Gründen angefertigter Zahnersatz wird nicht vergütet. Dasselbe gilt in gleicher Weise auch für Neuherstellungen und Reparaturen.
(4) Für verlorengegangene und für nicht durch den normalen Gebrauch funktionsuntüchtig gewordene Zahnersatzstücke wird kein Ersatz geleistet.
(5) Zu den Kosten einer vorläufigen prothetischen Versorgung (abnehmbarer Zahnersatz) kann ein Zuschuß gewährt werden, wenn ein solcher Zahnersatz aus medizinischen oder aus beruflichen Gründen notwendig ist.
(6) Zu Kieferregulierungen werden Kostenzuschüsse gewährt, deren Höhe die Satzung festsetzt. Die Rechnungen sind tunlichst einmal pro Behandlungsjahr bzw. bei Abschluß der Behandlung vorzulegen."
1.3.1. Den Anträgen des Obersten Gerichtshofes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Dem Revisionswerber wurde im November 1988 von einem Zahnarzt in Ungarn eine zwölfstellige Keramikbrücke im Oberkiefer sowie eine sechsstellige Keramikbrücke im rechten und eine fünfstellige Keramikbrücke im linken Unterkiefer angefertigt. Das hiefür in Rechnung gestellte Honorar wurde vom Revisionswerber an den Zahnarzt bezahlt. In der Folge begehrte er von der Revisionsgegnerin, der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, den Ersatz dieser Kosten; diese gewährte ihm für die Brücke im linken Unterkiefer einen Kostenzuschuß und lehnte die Gewährung eines Kostenzuschusses für die beiden anderen Brücken mit der Begründung ab, daß sie weder den wirtschaftlichen noch den medizinischen Anforderungen entsprächen. Die vom Revisionswerber sodann erhobene Klage wurde im wesentlichen aufgrund folgender Feststellungen abgewiesen:
"Bei der Brücke im Oberkiefer müssen vier Pfeilerzähne acht
Brückenzwischenglieder tragen, sodaß auf einen Pfeilerzahn die
Belastung von zwei weiteren Zähnen (Brückengliedern) fällt. Als
Grundregel gilt aber, daß ein gesunder Zahn höchstens einen
gleichgroßen Zahn mittragen darf. ... Ein weiterer Mangel der ...
Brücken besteht darin, daß bei den Zähnen 4 und 5 rechts kein Kontakt mit dem Gegenkiefer zustandekommt.
... Die Art, wie die Brücken angelegt wurden, entspricht nicht
dem österreichischen medizinischen Standard. In Österreich wäre dem Kläger entweder eine Teleskopkrone mit einer Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren oder eine Klammerkrone mit einer Lebensdauer von 10 bis 20 Jahren angefertigt worden. ..."
In rechtlicher Hinsicht führt das Erstgericht aus, daß ein Kostenersatz nur in Betracht komme, wenn die Behandlung sowohl nach dem Stand der medizinisch anerkannten Wissenschaft, also der Schulmedizin, als auch wirtschaftlich durchgeführt worden sei. Da die erste Voraussetzung nicht erfüllt sei, habe der Kläger keinen Anspruch auf Kostenersatz.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge; gegen das Berufungsurteil erhob der Kläger Revision an das antragstellende Gericht.
1.3.2. Der Oberste Gerichtshof führt - die angefochtenen Bestimmungen in ihrem jeweiligen sprachlichen Kontext wörtlich wiedergebend - zur Präjudizialität aus:
"Die grundlegende Regelung über den Zahnersatz enthält in dem hier maßgebenden Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) BGBl 1978/559 §95 Abs3 ...
...
Den zu leistenden Kostenersatz regelt §25 Abs3 der Satzung der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 15.3.1974
...
...
Mit dem Zahnersatz beschäftigt sich außerdem noch §12 Abs3 der Krankenordnung der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28.11.1975 ...
...
Alle diese Bestimmungen, von der Krankenordnung aber jedenfalls Satz 1 des §12 Abs3, sind iVm §95 Abs6 und §88 BSVG dafür maßgebend, auf welche Leistungen der Kläger wegen des bei ihm angefertigten Zahnersatzes Anspruch hat. Sie sind daher vom Obersten Gerichtshof bei der Entscheidung über die Revision des Klägers anzuwenden, weshalb Präjudizialität besteht. Dies gilt trotz der abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen auch für §25 Abs3 der Satzung, weil die Möglichkeit besteht, daß der Anspruch des Klägers auf einen Kostenzuschuß dem Grunde nach zu bejahen ist (vgl VfSlg 10296)."
1.3.3. Gegen die angegriffenen Bestimmungen hegt der antragstellende Gerichtshof folgende Bedenken:
Zu §95 Abs3 BSVG:
"... §74 Abs1 Z3 BSVG (zählt zwar) die Vorsorge für Zahnbehandlung und Zahnersatz zu den Aufgaben der Krankenversicherung, doch enthält die Aufzählung der Leistungen der Krankenversicherung im §75 BSVG keine Bestimmungen über die Zahnbehandlung und den Zahnersatz. Dieser wird vielmehr in §95 BSVG gesondert geregelt, weshalb, abgesehen von den in dieser Bestimmung enthaltenen Verweisungen, die für andere Krankheitsfälle normierten Leistungsgrundsätze für die Zahnbehandlung und den Zahnersatz nicht herangezogen werden können. Hier kämen daher nur §95 Abs4 BSVG in Betracht, wonach die Kostenzuschüsse für die entsprechenden Leistungen in den eigenen Einrichtungen, den Vertragseinrichtungen und bei den Vertragsärzten und Vertragsdentisten gleich hoch sein müssen, und ferner §95 Abs6 ASVG (gemeint wohl: BSVG), wonach §88 Abs1 bis 3 dieses Gesetzes entsprechend gilt, wenn der Anspruchsberechtigte zur Erbringung der Leistungen des Zahnersatzes nicht die Vertragspartner, die eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen der Bauernkrankenversicherung in Anspruch nimmt. Auch aus diesen Bestimmungen kann aber nicht entnommen werden, nach welchen Kriterien die Höhe der im §95 Abs3 BSVG genannten Zuschüsse in der Satzung festzulegen ist; überdies lassen sowohl §95 Abs3 BSVG als auch die angeführten Bestimmungen die Möglichkeit offen, daß in der Satzung besondere Voraussetzungen für die Gewährung der Zuschüsse bestimmt werden. Dem §95 Abs3 BSVG sind daher weder für sich allein noch im Zusammenhang mit anderen gesetzlichen Bestimmungen die wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung zu entnehmen, weshalb nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes Bedenken bestehen, ob er nicht eine verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation enthält.
In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, daß der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 30.4.1991, 10 Ob S 63/91, den Antrag auf Aufhebung des vergleichbaren §153 Abs1 Satz 1 ASVG gestellt hat, der beim Verfassungsgerichtshof unter G245/91 eingetragen ist."
Zu §25 Abs3 litc der Satzung:
"Ist §95 Abs3 BSVG verfassungswidrig, so fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die die Höhe der Kostenzuschüsse festsetzende Bestimmung der Satzung, weshalb diese gesetzwidrig ist. Da hier nur die Anwendung des §25 Abs3 litc der Satzung in Betracht kommt, kann auch nur die Aufhebung dieser Bestimmung beantragt werden."
Zu §12 Abs3 der Krankenordnung:
"Gemäß §214 BSVG hat der Versicherungsträger eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere das Verhalten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die überwachung der Kranken zu regeln hat. Demgegenüber - und im übrigen entgegen dem §1 Abs1 der Krankenordnung - wird im §12 Abs3 der Krankenordnung nicht eine der genannten Angelegenheiten geregelt, sondern es wird darin festgelegt, welchen Erfordernissen der Zahnersatz entsprechen muß, damit hiefür eine Leistung der Krankenversicherung erbracht wird. Für eine solche Regelung fehlt aber die gesetzliche Grundlage im BSVG. Wenn auch das Wort 'insbesondere' im §214 dieses Gesetzes zuläßt, daß in der Krankenordnung auch andere als die im Gesetz ausdrücklich angeführten Angelegenheiten geregelt werden, so muß es sich im Sinn einer verfassungskonformen Auslegung doch um den angeführten vergleichbare Angelegenheiten handeln, weil sonst §214 BSVG wegen Undeterminiertheit ebenfalls verfassungswidrig wäre.
Überdies könnte man §95 Abs3 BSVG dahin verstehen, daß darin die Voraussetzungen für den Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten eines Zahnersatzes abschließend festgelegt werden sollten. Es wäre dann daraus abzuleiten, daß einzige Voraussetzung für die Gewährung eines Zuschusses die Unentbehrlichkeit des Zahnersatzes ist. In diesem Fall würde §12 Abs3 der Krankenordnung dem §95 Abs3 BSVG widersprechen und wäre daher aus diesem Grund gesetzwidrig, weil er nicht allein auf die Unentbehrlichkeit des Zahnersatzes abstellt, sondern auf dessen Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Es bestehen daher aus beiden Gründen Bedenken in der Richtung, daß der - hier allein in Betracht kommende - Satz 1 des §12 Abs3 der Krankenordnung, bei der es sich wie bei der Satzung um eine Verordnung handelt (Tomandl in Tomandl, Sozialversicherungssystem4 4. ErgLfg 15 mwN in FN 14; Korinek in Tomandl aaO 499 mwN in FN 17 und 18), gesetzwidrig sein könnte."
2. Die Bundesregierung, der Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und der Revisionswerber im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof haben Äußerungen erstattet:
2.1. Die Bundesregierung beantragt, den Antrag des Obersten Gerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen, in eventu §95 Abs3 BSVG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
Sie meint, daß der angefochtene Satz in §95 Abs3 BSVG in einem untrennbaren Zusammenhang mit den Abs1, 2 und 4 stehe, da diese - nicht angefochtenen Gesetzesstellen - nähere Regelungen über die Leistung von Zahnbehandlung festlegten und die verfassungsrechtlichen Bedenken mit der Aufhebung der angefochtenen Gesetzesstelle nicht beseitigt würden. Zu den Bedenken führt die Bundesregierung im wesentlichen aus:
"Wenn man ... die angefochtene Verordnungsermächtigung insbesondere im Lichte des §95 BSVG insgesamt betrachtet, so erscheint sie ausreichend bestimmt zu sein:
So ergibt sich zunächst aus §95 Abs1 und 2 BSVG eine nähere Bestimmung der in Frage kommenden Zahnbehandlungsleistungen, nämlich chirurgische und konservierende Zahnbehandlung und Kieferregulierungen. Aus §95 Abs3 BSVG läßt sich im Zusammenhalt mit §95 Abs1 BSVG auch durchaus ein Rechtsanspruch auf diese angeführten Zahnbehandlungen ableiten.
Zum einen sieht der angefochtene Satz selbst ausdrücklich vor, daß Zuschüsse zu den Kosten eines unentbehrlichen Zahnersatzes und seiner Instandhaltung zu gewähren sind. Den Worten 'nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung' kommt im Sinne des Art18 Abs2 B-VG - sofern nicht gravierende Argumente dagegen sprechen, was im vorliegenden Fall nicht zutreffen dürfte - die Bedeutung von ausführenden, im Dienste des Gesetzes stehenden Bestimmungen zu.
Zum anderen sind die Kosten eines unentbehrlichen Zahnersatzes und seiner Instandhaltung in §83 Abs2 BSVG näher bestimmt. Demnach soll eine ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung die Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt werden. Diese nähere Bestimmung des Ausmaßes der Leistungen der Zahnbehandlung wird bei Erlassung einer Verordnung (Satzung) bereits nach dem Wortlaut des §95 Abs3 BSVG heranzuziehen sein.
Der gesetzliche Maßstab des §95 Abs3 in Verbindung mit §83 Abs2 BSVG wird in §12 Abs3 erster Satz der Satzung (gemeint wohl: der Krankenordnung) wiederholt. Einer abschließenden Regelung bzw. dem Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz gemäß Art18 Abs2 B-VG, wonach 'die Verordnung (bloß) präzisieren darf, was in wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde' (vgl. VfSlg. 10296 und die dort zitierte Vorjudikatur), wird damit entsprochen.
Auch der Umstand, daß §83 BSVG eine jener Bestimmungen ist, die für Krankenbehandlungen im engeren Sinn gelten, ändert daran nichts: Dem Argument des OGH, daß zwar §74 Abs1 Z3 BSVG die Vorsorge für Zahnbehandlung und Zahnersatz zu den Aufgaben der Krankenversicherung zählt, die Aufzählung der Leistungen der Krankenversicherung in §75 BSVG jedoch keine Bestimmung über die Zahnbehandlung und den Zahnersatz enthält, kann mit dem Erk. VfSlg. 3709/1960 begegnet werden. Im gleichgelagerten Fall des Verhältnisses zwischen §117 und §118 ASVG hat nämlich der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß sich aus dem Umstand, daß Zahnbehandlung und Zahnersatz nicht in §117 ASVG angeführt sind, nicht ergibt, daß es sich dabei nicht um Leistungen aus der Krankenversicherung handle. Der in §83 Abs2 BSVG festgelegte Umfang einer Krankenbehandlung erscheint somit - zumindest per analogiam - auch für das Ausmaß der zu leistenden chirurgischen und konservierenden Zahnbehandlungen gemäß §95 BSVG maßgeblich.
Eine Abstützung erfährt dieses systematische Argument überdies im Verweis des §95 Abs2 BSVG auf §88 leg.cit. (Zuschüsse zu den Kosten der Krankenbehandlung) und die damit vom Gesetzgeber intendierte Verbindung des 1. und 2. Unterabschnittes mit dem mit 'Leistungen der Krankenversicherung' überschriebenen Abschnitt II des Gesetzes.
Im übrigen erscheint auch die in §95 Abs2 BSVG enthaltene Regelung der Kostenzuschüsse betreffend Kieferregulierung mit dem Verweis auf §80 BSVG im vorliegenden Zusammenhang für die Determinierung der angefochtenen Verordnungsermächtigung beachtlich: Daraus ergibt sich nämlich implizit, daß die Kieferbehandlungen im Ausmaß gesetzlicher Mindestleistungen gemäß §80 Abs1 BSVG zu erbringen sind und satzungsmäßig Mehrleistungen unter Beachtung der in §80 Abs2 vorletzter Satz BSVG genannten Kriterien bestimmt werden können.
Daß die Regelungen des BSVG über die Leistungen der Krankenversicherung insgesamt von einer ausreichenden und zweckmäßigen Behandlung des Versicherten im Sinne des §83 Abs2 BSVG ausgehen, die jedoch - im Hinblick auf die beschränkten finanziellen Ressourcen der Versichertengemeinschaft und der Beibehaltung eines angemessenen Beitragsniveaus - das Maß des Notwendigen nicht übersteigen darf, kommt schließlich auch in §181 BSVG zum Ausdruck, wonach für die vertraglichen Beziehungen zwischen Sozialversicherungsträgern und Ärzten die Bestimmungen des ASVG, mit Ausnahme der in Z1 - 6 dieser Bestimmung angeführten Gesetzesstellen, zur Anwendung kommen. §338 Abs2 ASVG normiert in diesem Zusammenhang, daß eine ausreichende Versorgung des Versicherten und seiner anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen ist."
2.2. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales vertritt die Ansicht, "daß das BSVG so wie das ASVG eine Reihe von Bestimmungen enthält, die die Regelungen in der Satzung determinieren". Den Ausführungen des Obersten Gerichtshofes zum Antrag auf Aufhebung des §12 Abs3 erster Satz der Krankenordnung wird seitens des Bundesministers "nichts entgegengehalten".
2.3.1. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern führt im wesentlichen aus:
"Gemäß §95 Abs2 BSVG wird chirurgische und konservierende Zahnbehandlung u.a. durch Vertragsärzte bzw. durch Vertragsdentisten gemäß den Bestimmungen des §80 gewährt. Die Satzung kann an Stelle von Sachleistungen eine Kostenerstattung vorsehen. Hingegen sind zu den Kosten eines unentbehrlichen Zahnersatzes und seiner Instandsetzung gem. §95 Abs3 nach Maßgabe der Satzung Zuschüsse zu gewähren.
Gemäß §95 Abs6 gilt §88 Abs1 bis 3 entsprechend, soferne der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner, die eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen der Bauernkrankenversicherung zur Erbringung der Leistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes in Anspruch nimmt.
Aus der Textierung des Abs6 ist die Absicht des Gesetzgebers erkennbar, auch die Leistung des Zahnersatzes als Vertragsleistung zu konzepieren. Vertragsleistung ist gleichbedeutend mit der Existenz von einvernehmlich festgelegten Schillingbeträgen, welche nach dem Willen der Vertragsparteien das Entgelt für einzelne Leistungspositionen darstellen. Demzufolge kann die Textierung des §95 Abs3 nur so verstanden werden, daß die Zuschüsse zu den Kosten eines unentbehrlichen Zahnersatzes und seiner Instandsetzung durch die Satzung in einem Prozentsatz des vereinbarten Tarifes ausgedrückt werden. Durch die Maßgabe des §80 iVm §95 darf ein solcher Zuschuß höchstens 80 % der dem Versicherungsträger erwachsenden Kosten betragen. Einer Kostenübernahme zu 100 % steht überdies der Wortsinn des Begriffes 'Zuschuß' entgegen. Anderseits folgert aus dem Begriff 'Zuschuß' nicht notwendigerweise, daß dieser jedenfalls 80 % der Kosten betragen muß.
Ungeachtet der innerhalb dieser Kriterien festgesetzten Höhe des Prozentsatzes ergibt sich die Höhe des Zuschusses aus dem Tarif der entsprechenden Leistungspositionen für den Fall der Inanspruchnahme eines Vertragspartners. Aus §95 Abs6 iVm §88 Abs1 bis 3 folgert im Falle der Inanspruchnahme eines Nichtvertragspartners die entsprechende Höhe des Kostenzuschusses im äquivalenten Ausmaß.
Wie ausgeführt, soll dem Willen des Gesetzgebers folgend, auch die Leistung des Zahnersatzes als Vertragsleistung ausgestaltet sein. Tatsächlich jedoch ist eine diesbezügliche gesamtvertragliche Einigung zwischen Sozialversicherungsanstalt der Bauern einerseits und Österr. Ärztekammer bzw. Dentistenkammer anderseits bis heute nicht zustandegekommen. Ein Gesamtvertrag im Sinne des VI. Teiles des ASVG iVm §181 BSVG regelt nach wie vor ausschließlich die chirurgische bzw. konservierende Zahnbehandlung ...
Bereits im Zuge der erstmaligen Gesetzwerdung der Bauern-Krankenversicherung durch das B-KVG (BGBl. 219/65) war aufgrund von Widerständen eines Teiles der österreichischen Ärzteschaft abzusehen, daß gesamtvertragliche Vereinbarungen wenn überhaupt, erst nach längeren Verhandlungen zustande kommen würden. Das B-KVG sah daher bereits in seiner Stammfassung eine Regelung im §183 vor, derzufolge die Satzung Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen festzusetzen hat.
Das BSVG hat diese Regelung übernommen. §239 BSVG ist ident mit der vormaligen Bestimmung des B-KVG.
Demzufolge hat die Satzung unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten die den Versicherten zu gewährenden Kostenzuschüsse festzusetzen, solange vertragliche Regelungen über die Vergütung der Leistungen der Vertragspartner nicht bestehen.
Im Lichte der obigen Ausführungen zu §95 Abs3 BSVG können in Anwendung des §239 die Kostenzuschüsse in diesem Fall nur in ziffernmäßigen Schillingbeträgen bestehen.
Dementsprechend bestimmt §25 Abs2 der Satzung die betraglichen Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen mit Zahnärzten und Dentisten.
Als Regulativ gelten hiebei einerseits die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers sowie das wirtschaftliche Bedürfnis.
Beide Regelungen erscheinen mit dem gesetzlichen Konzept einer 'Zuschußleistung' durchaus vereinbar, sodaß die nach Auffassung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern ausreichende Determination der Kriterien für die Höhe der in §95 Abs3 BSVG genannten Zuschüsse als verfassungskonform angesehen werden muß.
Auch die Bedenken des Obersten Gerichtshofes im Hinblick darauf, daß §95 Abs3 BSVG die Möglichkeit offen lasse, durch die Satzung besondere Voraussetzungen für die Gewährung der Zuschüsse zu bestimmen, vermag die Sozialversicherungsanstalt der Bauern nicht zu teilen.
Wie selbst vom antragstellenden Obersten Gerichtshof an anderer Stelle ausgeführt, kann §95 Abs3 auch so verstanden werden, daß darin die Voraussetzungen für den Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten eines Zahnersatzes selbst festgelegt werden sollten. Nach Auffassung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern ist dies insoweit zutreffend, als durch den Begriff 'unentbehrlich' eine entsprechende Determination gegeben ist. ...
...
Unter der Maßgabe der Verfassungskonformität des §95 Abs3 BSVG machen die Ausführungen ... deutlich, daß eine gesamtvertragliche Regelung in bezug auf den Zahnersatz nicht existiert.
Rechtsgrundlage für den Kostenzuschuß im Anlaßfall ist folglich §95 Abs3 iVm §239 BSVG bzw. §25 Abs2 lite der Satzung. Entgegen der Auffassung des Obersten Gerichtshofes kann §25 Abs3 der Satzung schon deshalb nicht greifen, da diese Bestimmung die Inanspruchnahme eines Vertragspartners zum Inhalt hat ... §25 Abs3 litc ist daher nicht praejudiziell, sodaß der diesbezügliche Aufhebungsantrag als unzulässig zurückzuweisen wäre.
Den Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in bezug auf §12 Abs3 der Krankenordnung muß insoweit beigepflichtet werden, als §214 BSVG keinen Raum läßt für materiellrechtliche Regelungen, welche in der übergeordneten Norm keine Deckung finden. Als solche ist §12 Abs3 auch nicht gedacht.
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Für den Sozialversicherungsträger als Verordnungsgeber stellt sich legistisch das Problem, Verhaltensregeln für die Versicherten aufstellen zu müssen, bei deren Nichteinhaltung der einzelne Gefahr läuft, Leistungsverluste hinnehmen zu müssen. Zur möglichst weitgehenden Vermeidung solcher Leistungseinbußen bzw. -verluste als Sanktion für einen Verstoß gegen eine Verhaltensregel ist es erforderlich, die einzelnen Bestimmungen möglichst verständlich zu formulieren. Hiebei ist es mitunter unvermeidbar, Textierungen der Erklärung halber weitreichender und umfassender zu gestalten, als dies dem Stufenbau der Rechtsordnung entspräche. Im Falle des §12 Abs3 verhält es sich so ähnlich. Die vorstehenden Ausführungen ... haben zu verdeutlichen versucht, daß §95 Abs3 BSVG in legistischer Hinsicht infolge ausreichender Determination keiner weiteren Durchführungsbestimmung bedarf. §12 Abs3 der Krankenordnung ist daher in seiner Textierung als erklärende Norm aus der Sicht der Normadressaten zu verstehen und selbstredend NICHT als materiellrechtliche Rechtsgrundlage für die Zu- bzw. Aberkennung einer Leistung."
2.3.2. Da der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Obersten Gerichtshofes nicht nur der Sozialversicherungsanstalt der Bauern als Beteiligte des Verfahrens, sondern im Hinblick auf die Anfechtung einer Bestimmung der Satzung sowie einer Bestimmung der Krankenordnung auch der Hauptversammlung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern als satzungserlassendem Organ und dem Vorstand als dem die Krankenordnung erlassenden Organ zur Ermöglichung einer Stellungnahme zur Verteidigung der Norm zugestellt hat, die - vom Generaldirektor der Anstalt als leitendem Angestellten unterfertigte - Äußerung der Sozialversicherungsanstalt jedoch keine Ausführungen darüber enthielt, ob sie auch als Stellungnahme der Hauptversammlung und des Vorstandes abgegeben wurde, und diesbezügliche Auszüge eines Beschlußprotokolles nicht vorgelegt worden waren, forderte der Verfassungsgerichtshof die Sozialversicherungsanstalt der Bauern auf, sich hiezu zu äußern, gegebenenfalls die Beschlußfassung der genannten Organe nachzuweisen.
Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern legte in der Folge einen Protokollauszug über eine Vorstandssitzung vor, der vom Obmann und dem Generaldirektor der Anstalt unterfertigt ist, in dem die Befassung des Vorstandes mit dem Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren und der Wille zur Verteidigung der angegriffenen Bestimmungen der Satzung und der Krankenordnung zum Ausdruck kommen.
Die abgegebene Stellungnahme hat daher - auch als den Verordnungsgebern zurechenbar - Berücksichtigung zu finden.
2.4. Eine Äußerung hat schließlich auch der Revisionswerber des Anlaßverfahrens als Beteiligter abgegeben, in der er sich den Bedenken des antragstellenden Obersten Gerichtshofes anschließt und den Zuspruch von Kosten begehrt.
3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge erwogen:
3.1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig ausgeschlossen (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987).
3.1.2. §95 Abs3 BSVG bildet die gesetzliche Grundlage des §25 Abs3 litc der Satzung und kommt für die Anwendung durch den Obersten Gerichtshof nur als solche in Betracht. Die diesbezüglichen Aufhebungsanträge des Obersten Gerichtshofes sind darauf gegründet, daß §95 Abs3 BSVG als dem Determinierungsgebot widersprechend verfassungswidrig sei und §25 Abs3 litc der Satzung nach Aufhebung des §95 Abs3 BSVG mit Gesetzlosigkeit belastet wäre.
Die angegriffene gesetzliche Regelung wäre nur dann präjudiziell, wenn die angegriffene Satzungsbestimmung vom Obersten Gerichtshof anzuwenden ist. Dies ist aber offenkundig nicht der Fall.
Nach dem Sachverhalt, von dem der antragstellende Oberste Gerichtshof ausgeht, wurde der Zahnersatz von einem Zahnarzt in Ungarn angefertigt; der Revisionswerber bezahlte die hiefür entstandenen Kosten an diesen und begehrte sodann von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern einen Kostenersatz.
Nach §23 der Satzung gebührt bei Inanspruchnahme von Nichtvertragspartnern ein Kostenzuschuß. Nach §25 der Satzung wird bei der Kostenerstattung für Zahnersatz zwischen den Fällen, in denen eine vertragliche Regelung mit Zahnärzten oder Dentisten nicht besteht (Abs2), und den Fällen, in denen der Zahnersatz durch Vertragszahnärzte, Vertragsdentisten oder in Vertragseinrichtungen laut Tarif (Vertrag) gewährt wurde (Abs3), unterschieden.
Da es zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern lediglich eine gemäß §27 der Gesamtverträge vom 21. Juni 1975, 30. Juli 1975 und 17. September 1975 abgeschlossene Sonderregelung für die Vertragsfachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde betreffend konservierende und chirurgische Zahnbehandlung gibt, eine vertragliche Regelung betreffend Prothetik aber nicht besteht, kann ein Fall des §25 Abs3 der Satzung nicht vorliegen. §25 Abs3 litc der Satzung ist demnach nicht präjudiziell.
Da die Präjudizialität der angegriffenen Satzungsbestimmung jedoch die Voraussetzung dafür ist, daß §95 Abs3 BSVG in Prüfung gezogen werden kann, fehlt folglich auch die für dieses Aufhebungsbegehren vorausgesetzte Präjudizialität.
Die Anträge des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung des §95 Abs3 BSVG und des §25 Abs3 litc der Satzung sind daher als unzulässig zurückzuweisen.
3.1.3. Demgegenüber wurde die Präjudizialitätsfrage vom Obersten Gerichtshof hinsichtlich des §12 Abs3 Satz 1 der Krankenordnung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern offensichtlich denkmöglich bejaht. Das Verfahren hat auch nichts ergeben, was die Präjudizialität dieser Bestimmung in Frage stellen würde. Der Verfassungsgerichtshof vermag insbesondere auch nicht der Ansicht des Vorstandes der Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu folgen, daß der in Prüfung stehenden Bestimmung der Krankenordnung kein normativer, sondern lediglich ein erklärender oder narrativer Inhalt beizumessen wäre. Dagegen spricht schon deren Wortlaut, der ein solches Verständnis der in Prüfung gezogenen Regelung nicht erlaubt. §1 Abs3 der Krankenordnung legt zudem fest, daß deren Bestimmungen für alle Versicherten und Leistungsempfänger verbindlich sind.
Das hg. zu V302/92 protokollierte Verfahren ist daher zulässig.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat im Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §12 Abs3 Satz 1 der Krankenordnung in der Sache selbst erwogen:
Die Bedenken des Obersten Gerichtshofes treffen zu.
§214 BSVG, der die gesetzliche Grundlage für die Krankenordnung bildet, lautet:
"§214. Der Versicherungsträger hat eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere das Verhalten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Überwachung der Kranken zu regeln hat."
§214 BSVG ermächtigt demnach lediglich zur Regelung des Verhaltens der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle sowie des Verfahrens bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und zur Überwachung der Kranken. Die angegriffene Regelung legt demgegenüber fest, welchen Erfordernissen der Zahnersatz entsprechen muß, damit hiefür eine Leistung der Krankenversicherung erbracht wird.
Der Verfassungsgerichtshof pflichtet dem antragstellenden Obersten Gerichtshof bei, daß das Wort "insbesondere" in §214 BSVG keine gesetzliche Deckung für §12 Abs3 erster Satz der Krankenordnung abzugeben vermöchte, weil sonst §214 BSVG mangels hinreichender Determinierung selbst verfassungswidrig wäre. Daß aber - bei verfassungskonformer Interpretation des §214 BSVG - eine Regelung mit dem Inhalt, wie ihn §12 Abs3 Satz 1 der Krankenordnung hat, nicht Gegenstand der Krankenordnung sein darf, ergibt sich schon daraus, daß eine Bestimmung, der - wie §12 Abs3 Satz 1 leg.cit. - für den Umfang der vom Sozialversicherungsträger zu erbringenden Leistung Bedeutung zukommt, gemäß §95 BSVG der Satzung, die von der Hauptversammlung zu beschließen ist (§194 Abs1 Z4 BSVG), vorbehalten ist.
Der erste Satz des §12 Abs3 der Krankenordnung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. November 1975 findet somit im Gesetz keine Deckung.
4. Der erste Satz des §12 Abs3 der Krankenordnung war daher als gesetzwidrig aufzuheben. Die weiteren Aussprüche stützen sich auf Art139 Abs5 und 6 B-VG.
Ein Kostenzuspruch ist im Verfahren nach den §§62 bis 65 VerfGG nicht vorgesehen. Es wird Aufgabe des antragstellenden Gerichtes sein, über einen allfälligen Kostenersatzanspruch zu erkennen (vgl. VfSlg. 8871/1980).
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Sozialversicherung, Krankenversicherung, Zahnbehandlung, SatzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G322.1991Dokumentnummer
JFT_10078984_91G00322_00